Was taugt die Ampel der Food-Industrie?

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TestWas taugt die Ampel der Food-Industrie?

Die Industrie will eine eigene Nährwert-Ampel. Doch niemand gibt sich gerne selbst schlechte Noten, oder? 20 Minuten macht den Test.

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rkn
Mit den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün wollen Nahrungsmittelkonzerne in Europa signalisieren, ob gewisse Nährstoffe in ihren Produkten übermässig enthalten sind. Dafür ernten sie allerdings Kritik von Konsumentenschützern.
Es gehe den Unternehmen vor allem darum, gesetzlichen Vorgaben zuvorzukommen, sagt Sara Stalder von der Stiftung für Konsumenteschutz. «Gleichzeitig wollen sie mit der Ampel die Nährstoffgehalte ihrer Produkte beschönigen.»
Die Beschönigung sei dadurch möglich, dass als Richtwert nicht 100 Gramm, sondern die jeweilige Portionengrösse verwendet werde. Das Konzept basiert auf einer Vorlage der britischen Lebensmittelbehörde, die allerdings 100 Gramm als Richtwert nimmt. 20 Minuten hat einen Vergleich gemacht.
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Mit den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün wollen Nahrungsmittelkonzerne in Europa signalisieren, ob gewisse Nährstoffe in ihren Produkten übermässig enthalten sind. Dafür ernten sie allerdings Kritik von Konsumentenschützern.

Keystone/Steffen Schmidt

Viele Konsumenten achten darauf, wie viel Zucker, Fett oder Salz im Essen steckt. Hersteller müssen den Gehalt jeweils auf der Verpackung deklarieren. Konsumentenschützern ist das aber nicht genug. Sie plädieren für einen sogenannten Ampeltest (siehe Box), bei dem jeder auf einen Blick sehen kann, wie gesund ein Produkt ist.

Die Nahrungsmittel-Konzerne wollen das Ampel-System selbst schaffen und haben dazu einen europaweiten Vorschlag gemacht. Aber, die deutsche Konsumentenorganisation Foodwatch warnt: Die Kriterien seien «viel zu lasch» und das Ergebnis sei irreführend.

20 Minuten nimmt die Ampel unter die Lupe

20 Minuten hat geprüft, was die Industrie-Ampel bringt. Das Konzept basiert auf einer Vorlage der britischen Lebensmittelbehörde aus dem Jahr 2007. Wurde jedoch von den sechs Konzerne Mars, Mondelz International, Nestlé, Pepsico, Coca-Cola und Unilever verändert, wie sich zeigt.

Die Referenztabelle der britischen Behörde bestimmt, ab welchen Werten der Zucker-, Fett- und Salzgehalt mit grün, gelb oder rot markiert werden sollte. Hält sich die Industrie-Ampel daran?

• Tuc Cracker

Beim Tuc Cracker Original von Mondelz International steht die Industrie-Ampel durchgehend auf Gelb. Im Behördensystem gäbe es zwei Mal rot: 100 Gramm Tuc beinhalten 8,4 Gramm gesättigte Fettsäuren. Ab 6 Gramm schaltet die britische Ampel bereits auf Rot. Auch der Salzgehalt der Cracker liegt mit 2,45 Gramm im roten Bereich. Das Maximum beträgt in diesem Fall 1,5 Gramm.

• Monster Energy Drink

Bei vielen Süssgetränken stimmen die Industrie-Ampeln überein. So beim Monster Energy Drink, wo der Zuckergehalt in beiden Fällen rot markiert ist. Laut den Briten liegt ein Getränk im roten Bereich, sobald es mindestens 7,5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter beinhaltet. Der Energy Drink enthält 11 Gramm.

• Knorr-Hühnerbouillon

Ein spezieller Fall ist die Knorr-Hühnerbouillon von Unilever. Auf der Industrie-Ampel leuchtet der Salzgehalt rot auf. Beim britischen Vorbild hingegen steht sie beim Salz auf Gelb. Der Salzgehalt beträgt 1,1 Gramm pro 100 Milliliter – Gelb gilt auf der britischen Ampel, solange der Wert zwischen 0,3 und 1,5 Gramm liegt. Wegen der Portionengrösse (250 ml) schneidet die Bouillon auf der Industrie-Ampel also schlechter ab als bei den Briten.

Der Trick mit den Portionengrössen

Der Test zeigt, dass Produkte, die in kleinen Portionen verkauft werden, auf der Industrie-Ampel besser abschneiden. Wenn die Portionengrösse über 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter liegt, kann es aber auch umgekehrt sein. Foodwatch betont jedoch, das heisse nicht, dass die Industrie-Ampel generell bei grösseren Portionen strenger sei als die Vorlage.

Die Kritik von Foodwatch bezieht sich darauf, dass die Industrie-Ampel Portionengrössen berücksichtigt, anstatt den Nährwertgehalt von 100 Gramm zu bewerten. Dadurch würde die Ampel selbst bei sehr zuckerhaltigen Produkten wie etwa Nutella wegen der kleinen Portionen nicht auf Rot schalten, schreibt Foodwatch.

Auch Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, hat grosse Vorbehalte gegenüber der vorgeschlagenen Industrie-Ampel. Es gehe den Unternehmen vor allem darum, gesetzlichen Vorgaben zuvorzukommen. «Gleichzeitig wollen sie mit der Ampel die Nährstoffgehalte ihrer Produkte beschönigen», sagt die Konsumentenschützerin.

«Empfohlene Portionen sind lächerlich klein»

Der Richtwert von 100 Gramm sei wichtig, weil es schwierig sei, anhand einer Gramm-Angabe genau einzuschätzen, wie gross eine Portion wirklich ist. Zudem seien die empfohlenen Portionen teils lächerlich klein und würden immer noch kleiner, so Stalder.

Als Antwort auf diese Kritik sagt eine Industrie-Sprecherin zu 20 Minuten, dass die Informationen zu den tatsächlichen Mengen an Zucker, Salz und Fett den Konsumenten mehr bringen würden. «Menschen essen nicht 100 Gramm Erdnussbutter», so die Sprecherin.

Was ist eine Nahrungsmittel-Ampel?

Das Prinzip ist simpel: Mithilfe farbiger Kennzeichnung soll beim ersten Blick auf die Verpackung ersichtlich sein, ob es sich bei den angegebenen Werten um verhältnismässig viel oder wenig handelt. Vor über zehn Jahren veröffentlichte die britische Lebensmittelbehörde ein entsprechendes Konzept, das für die meisten Ampeln als Vorlage gilt. Demnach ist bei 100 Gramm Esswaren 20 Gramm Fett viel, bis zu 5 Gramm Zucker gilt als wenig.

Das Konzept heisst Ampel, weil es drei Farbstufen gibt, die je nach Inhalt auf die Verpackung gedruckt werden sollen. Sie signalisieren, wie viel des farbig markierten Nährwerts im verpackten Nahrungsmittel verhältnismässig enthalten ist:

Grün: wenig

Gelb: mittel

Rot: viel

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