Infektionsverstärkende AntikörperWer Corona hatte, könnte sogar noch anfälliger sein
Aufregung in Forschungskreisen: Laut Forschern der Medizinischen Universität Wien schützen Antikörper nicht vor Corona, sondern können das Virus sogar fördern.
Darum gehts
- Offenbar entwickeln nicht alle Covid-19-Patienten schützende Antikörper.
- Das zeigt eine Studie aus Österreich.
- Sie deutet auch darauf hin, dass Antikörper die Infektion noch verschlimmern können.
- Es ist der erste Hinweis dieser Art bei Covid-19.
Antikörper von Geheilten könnten Leben retten – diese Hoffnung steht noch immer im Raum. Doch möglicherweise könnten sie auch das Gegenteil bewirken, wie Forscher vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung an der Medizinischen Universität Wien im Fachjournal «Allergy» berichten.
Mithilfe des sogenannten Elisa-Labortests wiesen sie nicht nur nach, dass nur etwas mehr als die Hälfte der an Covid-19 erkrankten und genesenen Patientinnen und Patienten schützende Antikörper entwickeln. Sie fanden auch Hinweise darauf, dass manche Antikörper das Virus sogar «fördern», wie unter anderem Heute.at schreibt. Dies, indem sie es an die Körperzellen heranführen.
Nicht jeder entwickelt schützende Antikörper
Konkret stellte das Team um Rudolf Valenta fest, dass grundsätzlich alle Patienten sowohl IgM- als auch IgG-Antikörper (siehe Box) gegen die Oberflächenproteine von Sars-CoV-2 im Blut hatten. Dabei galt: Der Anteil von Antikörpern, die auf die Bindungsstelle des viralen Spike-Proteins passten, war dabei umso höher, je ausgeprägter und lang anhaltender die Covid-19-Symptome zuvor gewesen waren.
Allerdings entfalteten die Antikörper nur bei 60 Prozent der Patienten diese schützende Wirkung. Bei 40 Prozent der Probanden blieb diese Blockadewirkung dagegen aus.
IgM und IgG?
Bei Immunglobulinen (Ig) handelt es sich um Antikörper. Als solche bezeichnet man verschiedene Eiweisse, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von fremden Substanzen im Körper spielen. Sie kommen in verschiedenen Formen mit unterschiedlichen Funktionen vor, etwa als Immunglobulin G oder A. Ersteres wirkt vor allem gegen Viren und Bakterien. Letzteres ist vor allem für die Abwehr von Erregern an Schleimhautoberflächen zuständig.
Ein erhöhter IgM-Antikörperwert, wie er von den österreichischen Forschern zum Teil nachgewiesen wurde, deutet dagegen auf eine aktuelle Immunantwort – also eine momentane Infektion – hin.
Das ist die erste Studie, die eine solche Erhöhung der ACE2-Anlagerung durch das Plasma von Genesenen nachweist.
Doch das ist noch nicht alles: Die Wissenschaftler beobachteten auch, dass einige Plasmaproben sogar das Andocken von Sars-CoV-2 förderten – und so die Infektion verstärkten. Dies war bei fünf der genesenen Covid-19-Patienten der Fall. «Das ist die erste Studie, die eine solche Erhöhung der ACE2-Anlagerung durch das Plasma von Genesenen nachweist», so Studienleiter Valenta. «Das macht es dem Virus potenziell noch leichter, sich festzusetzen und auszubreiten.»
Dahinter steckt ein Effekt, den Fachleute als «antibody-dependent enhancement» (ADE, zu Deutsch: infektionsverstärkende Antikörper) bezeichnen. Bei diesem docken Antikörper zwar an der Virenoberfläche an, führen aber nur zu einer Verklumpung, in deren Verlauf das Virus trotzdem in die Zelle eintreten kann. Die vorstehenden Enden der Antikörper liefern ihm dafür den Eintrittsschlüssel.
Weitere Forschungen sollen nun herausfinden, was genau das für die Immunität und die Impfstoffentwicklung bedeutet.
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