Wer hamstert «Ameisen»?

Aktualisiert

Run auf TausendernotenWer hamstert «Ameisen»?

Im täglichen Zahlungsverkehr spielen sie praktisch keine Rolle. Dennoch sind Tausendernoten ein absoluter Renner auf dem Finanzplatz. Ein Treiber könnte die Weissgeldstrategie sein.

von
Balz Bruppacher
Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Tausender um 12,5 Prozent oder 4'145'600 Noten.

Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Tausender um 12,5 Prozent oder 4'145'600 Noten.

Wie immer man es anschaut: Der Boom der Tausendernote ist aussergewöhnlich. 37'420'800 Stück waren Ende 2012 im Umlauf, wie der heute veröffentlichten Nationalbank-Statistik zu entnehmen ist. Das ist ein absoluter Rekord. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Tausender um 12,5 Prozent oder 4'145'600 Noten. Im Schnitt krochen also täglich mehr als 11'000 neue «Ameisen» aus den Tresoren der Nationalbank. Erstmals machten die Tausendernoten mehr als 60 Prozent des gesamten Notenumlaufs im Wert von 61,8 Milliarden Franken aus.

Wie gross der Run auf die Tausender ist, zeigt auch der langfristige Vergleich: Seit Beginn der Finanzkrise erhöhte sich der Umlauf des grössten Schweizer Geldscheins um über 13 Millionen Stück – oder um mehr als die Hälfte. Die Krisenvorsorge ist die meistgenannte Erklärung für die Beliebtheit des Tausenders. «Die grossen Notenabschnitte dienen in erheblichem Umfang auch als Wertaufbewahrungsmittel», heisst es bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Tausendernote als Krisenbarometer

Notenhändler der Grossbanken berichten, dass sich die Nachfrage nach Tausendernoten zum Beispiel im Herbst 2008 nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers innert Tagen verdreifacht hat. Das Bedürfnis nach einem sicheren Wert in unsicheren Zeiten kam auch beim Jahrtausendwechsel zum Ausdruck. Im Dezember 1999, als wegen des Jahr-2000-Problems der Computersysteme weltweit Nervosität herrschte, schnellte der Bestand an Tausendernoten innert Monatsfrist um 15 Prozent in die Höhe.

Doch auch der Kriseneffekt vermag den Boom nicht vollständig zu erklären. War in früheren Jahren zu beobachten, dass nach einer Krise jeweils eine Korrektur eintrat, ist dies zurzeit nicht der Fall. Die Zusicherung von EZB-Präsident Mario Draghi, notfalls unbegrenzt Anleihen von angeschlagenen Euro-Ländern zu kaufen, hinterliess in der Tausender-Statistik jedenfalls keine Spuren. Obwohl sich die Eurokrise in der zweiten Jahreshälfte 2012 spürbar entspannte, hielt die Nachfrage nach Tausendernoten unvermindert an. Der Umlauf stieg Monat für Monat.

Steuerbschiss lässt Umlauf zum Jahresende steigen

Wie üblich schnellte der Bestand an Tausendernoten im Dezember besonders stark in die Höhe. Das hängt weniger mit den Weihnachtskäufen oder Bargeldgeschenken als mit der Steuervermeidung zusammen. Zur Verminderung des Vermögens werden am Jahresende Bankguthaben zum Teil in Bargeld umgeschichtet. In Anspielung auf solche Praktiken sagte der Solothurner CVP-Politiker Pirmin Bischof einmal im Parlament: «Ich könnte der Hälfte von Ihnen in einem zehnminütigen Gespräch eine Steuerhinterziehung nachweisen.»

Schwarzgeld-Abfluss in Form von Tausendern?

Eine zusätzliche Erklärung für den Run auf die Tausender liefert die Weissgeldstrategie. Die Diskussion über die Aufweichung des Bankgeheimnisses könnte zusammen mit den tiefen Zinsen dazu führen, dass Leute ihr unversteuertes Geld von den Banken abziehen, sagt der Geldwäschereifachmann Daniel Thelesklaf. Er hat jedenfalls davon gehört, dass mehr unversteuertes Geld ins Ausland gebracht wird. «Und das geht am besten in bar, da dies keine Spuren hinterlässt», sagt der Schweizer Experte, der die Stabsstelle zur Geldwäschereiabwehr des Fürstentums Liechtenstein leitet.

Noten mit hohem Nominalwert sind auch für Geldwäscher interessant, da diese weniger Platz brauchen. Die Zunahme der Tausendernoten allein ist für Thelesklaf aber noch kein Hinweis auf zunehmende Geldwäscherei. Die Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes kann nach eigenen Angaben nicht abschätzen, welche Rolle die Tausendernote bei illegalen Operationen spielt. Zwar würden auch Bar-Transaktionen gemeldet, nicht aber, wie sich die Summen zusammensetzten. Das Einbringen von grossen Bargeldsummen in den regulierten Finanzkreislauf unterliege überdies besonders hohen Anforderungen.

Abschaffung für Nationalbank kein Thema

Eine Abschaffung der Tausendernote steht für die Nationalbank nicht zur Diskussion. Auch die neue Banknotenserie, die sich wegen technischer Probleme mehrfach verzögert hat, wird einen Tausender umfassen. Für die steigende Nachfrage ist man bei der Nationalbank auch jetzt gerüstet. «Wir haben einen satten Vorrat», heisst es auf Anfrage.

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