Energiekrise: Wer ist wirklich schuld an den explodierenden Stromkosten?

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EnergiekriseWer ist wirklich schuld an den explodierenden Stromkosten?

Für die aktuelle Stromkrise schieben sich die Parteien die Schuld gegenseitig in die Schuhe. Doch die primäre Ursache liegt nicht in der Schweiz, sagt ein Energieexperte.

Bei der Frage, wer an der Energiekrise schuld ist, schenken sich die Parteien nichts. 
Wer wirklich für die Energiekrise verantwortlich ist, weiss Energieexperte Michael Höckel von der Berner Fachhochschule.
Laut Energieexperte Michael Höckel sind die Gründe divers. Klar sei, dass es nicht die Energiestrategie 2050 des Bundes sei. (Symbolbild)
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Bei der Frage, wer an der Energiekrise schuld ist, schenken sich die Parteien nichts. 

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

Steigende Strompreise und eine drohende Mangellage führen erneut zu hitzigen Debatten um die Frage, wer an der Energiekrise schuld ist. Während Bürgerliche Alt-Bundesrätin Doris Leuthard und Energieministerin Simonetta Sommaruga verantwortlich machen, schiesst Links-Grün gegen die FDP und SVP. So hätten sie zum Beispiel systematisch den Ausbau erneuerbarer Energien verhindert.

Auch Annetta Bundi, Kommunikationsleiterin des Bundesamtes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), sagt: «Gescheitert ist jene Politik, die blind auf Gas- und Ölimporte gesetzt, die Schweiz so abhängig und verletzlich gemacht hat und den Ausbau der einheimischen Energien im Inland bekämpft hat.» Doch wer ist nun wirklich verantwortlich für die aktuelle Krise?

«Stromversorgung ist eine langfristige Aufgabe»

Die Antwort kennt Energieexperte Michael Höckel von der Berner Fachhochschule. «Klar ist: Die Energiestrategie 2050 ist nicht schuld, denn die Stromproduktion der Schweiz hat sich in den letzten Jahren nicht massgeblich verändert. In den Wintermonaten wurden bereits in den letzten Jahren bis zu 40 Prozent der inländischen Stromnachfrage importiert.»

Dass die einen Parteien im Parlament den Ausbau von erneuerbaren Energien verzögern, die anderen aber gleichzeitig den Ausstieg aus bewährten Technologien fordern, sei problematisch. «Auch wenn uns das für den kommenden Winter wenig gebracht hätte, zeigt es das Kernproblem der Politik bei Umsetzung der Energiestrategie.» Die langfristigen Ziele seien wenig umstritten, aber die kurz- bis mittelfristigen Massnahmen. Und die Stromversorgung sei eine langfristige Aufgabe, so Höckel.

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Gesamtheitliche Lösung nötig

Bei der Energiekrise sei aber auch die Gesellschaft gefordert. «Sie muss gewisse Lösungen akzeptieren, zum Beispiel die Flutung von alpinen Gebieten für Speicherkraftwerke.» Es sei zentral, das langfristige Allgemeininteresse voranzustellen, so Höckel. «Die Politik ist in der Pflicht, die Weichen zu stellen. Gerade bei der Speicherkraft sollte man die noch vorhandenen Potentiale nutzen.»

Ebenfalls Mitverursacher der Energiekrise sei die Liberalisierung des Strommarktes (siehe Box), so Höckel. «Die Energieversorgungsunternehmen wurden von der Dynamik des Strommarktes überrumpelt. Der Käufermarkt ist in kurzer Zeit zu einem Verkäufermarkt geworden mit extremen Veränderungen der Marktpreise.» Der Entscheid zur Liberalisierung bei der Energie für die Grundversorgung der Stromkunden ist laut Höckel fragwürdig. SVP-Nationalrat Christian Imark fordert sogar, dass der Bund das Zepter im Strommarkt wieder übernehmen soll.

Hauptursache liegt im Ausland

Hauptverursacher der Energiekrise in der Schweiz seien aber die Stromproduktionsprobleme in den Nachbarländern. «In Frankreich laufen die Kernkraftwerke nur auf reduzierter Leistung, in Deutschland wurden viele AKW bereits ausgeschaltet und die Sonnen- und Windenergien sind noch nicht ausreichend verfügbar.» Gleichzeitig könnten die Gaskraftwerke nur schwer und kostspielig mit Brennstoff beliefert werden, so Höckel. «Diese schnelle Entwicklung hat wohl niemand erahnen können.» Das habe auch der Ukraine-Krieg beeinflusst, fügt Höckel an. 

Was ist die Liberalisierung des Strommarktes?

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