Aufschlussreiches SchritttempoWer langsam geht, stirbt eher an Covid-19
Menschen mit hohem Schritttempo sind biologisch gesehen jünger als Gleichaltrige mit einem langsameren Gang – und sie haben bessere Chancen, eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 zu überstehen.
Darum gehts
Britische Forschende haben schlechte Nachrichten für all jene, die eher langsam durch die Gegend gehen.
Denn die haben ein fast viermal höheres Risiko, an Covid-19 zu sterben.
Schweizer Experten halten die Studie für plausibel – und haben Tipps.
Menschen, die langsam gehen, haben ein höheres Risiko, an Covid-19 zu sterben. Das berichten britische Forscher im «International Journal of Obesity».
Das Team um Tom Yates von der University of Leicester hatte für die Studie die Daten von mehr 400’000 Frauen und Männern mittleren Alters ausgewertet. Als langsames Gehen werteten die Gesundheitsforschenden eine Schrittgeschwinidigkeit von weniger als 4,8 Kilometern pro Stunde, als mässig zügiges Gehen ein Tempo zwischen 4,8 und 6,4 Stundenkilometern und als schnelles Gehen ein Vorwärtskommen bei mehr als 6,4 km/h.
Deutliches Ergebnis
Der Analyse zufolge haben normalgewichtige, langsame Geher ein fast 2,5-fach höheres Risiko für einen schweren Verlauf als Personen, die schnell unterwegs sind. Die Gefahr, an der vom Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelösten Erkrankung zu sterben, ist bei Langsamgehern sogar 3,75-fach grösser.
Keinen Unterschied macht es laut der Studie, ob eine Person übergewichtig oder sogar fettleibig ist. Diese Erkenntnis überraschte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Denn von starkem Übergewicht und Gebrechlichkeit wisse man, dass sie wichtige Risikofaktoren für Covid-19 sind, so Yates in einer Mitteilung der Hochschule. «Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass langsame Geher ein viel höheres Risiko haben, an schweren Covid-19-Folgen zu erkranken, unabhängig von ihrem Gewicht.»
Gehtempo als Parameter für die allgemeine Gesundheit
Franz Eberli, Chefarzt der Klinik für Kardiologie im Stadtspital Waid und Triemli, hält die Erkenntnisse für plausibel: «Die individuelle Schnelligkeit des Gehens ist ein sehr gutes Mass für die körperliche Verfassung und ist eng mit der Sterblichkeit verbunden.» Je kränker jemand sei, umso langsamer gehe und desto eher sterbe er – «nicht nur an kardiovaskulären Ursachen, sondern ganz allgemein.» Die Arbeit aus Grossbritannien zeige nun, dass dies unabhängig von Übergewicht so sei.
Der Kardiologe betont, dass die Arbeit nichts darüber aussage, ob schnelles Gehen die Covid-19-Erkrankung positiv beeinflussen kann: «Die Einteilung in schnelle vs. langsame Geher ist eine epidemiologische Einteilung um Menschen mit bestehenden Erkrankungen von gesunden Menschen zu unterscheiden.»
Schnell hilft viel – auch unabhängig von Corona
Doch sich öfter aufzuraffen, kann sich auch unabhängig vom Coronavirus und den möglichen Folgen für die Gesundheit lohnen, so der Experte: Schnelles Gehen sei ein sehr wirkungsvolles kardiovaskuläres Training. «Im aeroben Bereich führt es zu einem Muskelaufbau in den Beinen und gleichzeitig verbessert es den Kreislauf und stärkt das Herz.» Zudem verbessere es das Marschieren auch den Stoffwechsel. «Die Cholesterinwerte sinken, der Blutzucker nimmt ab und die Fettverbrennung wird verstärkt.» Alle diese Effekte trügen zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit bei.
Fachgesellschaften empfehlen entweder täglich mindestens eine halbe Stunde oder drei bis fünf Mal pro Woche während 150 Minuten ein mittelschweres Marsch-Training zu absolvieren.
Mit langsamen Gehen wie beim Spazieren kann man dagegen deutlich weniger ausrichten. Aber auch das zahle sich aus, erklärt Eberli: Denn «jede Art von physischer Aktivität ist besser als keine körperliche Anstrengung.» Wichtig sei dabei immer das richtige Mass: So kann körperliches Training das Immunsystem stärken, sehr starke körperliche Belastung kann dagegen die Immunabwehr schwächen.
Mit Sprechregel das richtige Tempo finden
Um herauszufinden, wie gut man unterwegs ist, braucht man laut dem Kardiologen nicht unbedingt Fitnesstracker. Diese messen zwar Distanzen, Pulsrate und Trainingserfolg, doch wichtiger sei das eigene Empfinden während des schnellen Gehens: Es sollte eine gefühlte, mittlere Anstrengung erreicht werden. «Das ist einfach an der Sprechregel abzumessen. Wenn man gerade noch reden kann während des Gehens, dann ist die Belastung für ein gutes Ausdauertraining ideal.»
Laut Gommaar D'Hulst, Postdoktorand aus der Professur für Gesundheit und Bewegung an der ETH Zürich, stellt für viele Menschen das Aufraffen und Dranbleiben die grösste Herausforderung dar. «Da kann es helfen, sich Ziele zu setzen» – kleinere wie fixe Distanzen, ein bestimmtes Tempo oder der Vorsatz, Gewicht zu verlieren. Auch (virtuelle) Wanderchallenges, bei denen am Ende eine Medaille winkt, könnten helfen bei der Stange zu bleiben. «Wichtig ist, dass man sich bewegt und den Körper dabei herausfordert», etwa durch fiese Stiegen, die auf der Strecke lägen.