PestizideWer seinen Garten mit Gift behandelt, soll dafür einen Kurs besuchen müssen
Der Ständerat will Pestizide für Private verbieten. Der Nationalrat hingegen ist für einen obligatorischen Pestizid-Kurs. Umweltschützer sagen, der Vorstoss werde damit versenkt.
Darum gehts
Linke und Umweltverbände sind wütend auf den Bauernpräsidenten und Mitte-Nationalrat Markus Ritter. Ritter sagte im Abstimmungskampf zur Pestizid- und Trinkwasserinitiative letztes Jahr, auch Private müssten in die Pflicht genommen werden, nicht nur die Bauern. Doch nun habe er ein Pestizid-Verbot für Private im Parlament mit zu Fall gebracht.
Die Geschichte geht so: Grüne-Ständerätin Maya Graf (BL) verlangt in einer Motion, dass private Gärtner kein Pestizid mehr verwenden dürfen. Das würde den Pestizideinsatz schweizweit um zehn Prozent reduzieren. Hobbygärtner kennten sich zu wenig aus und würden mit der laienhaften Anwendung des Gifts grossen Schaden anrichten, was auch der Bundesrat anerkenne, schreibt Graf.
Der Ständerat sagte Ja dazu, doch der Nationalrat schwenkte auf einen Kompromiss um, der von Bauernvertretern und der FDP eingebracht worden war: Private sollen Pestizid nur noch kaufen dürfen, wenn sie einen Kurs besucht haben. Damit sei die Vorlage so gut wie vom Tisch, befürchten Umweltverbände und Grüne im Parlament. Denn der Ständerat werde zu einer umständlichen, bürokratischen Kurspflicht in der Wintersession Nein sagen. Damit wäre der Vorstoss vom Tisch.
«Ein Trick, um die Vorlage zu versenken»
Das macht die Umweltschützer wütend: Die Kurspflicht sei ein Trick, um die Vorlage zu versenken. Dabei hätten die Bürgerlichen – allen voran der Bauernpräsident – 2021 versprochen, den Pestizideinsatz in der Schweiz zu senken. «Dass auch Private in die Pflicht genommen werden müssen, war ein Hauptargument im Abstimmungskampf», sagt der Berner Grüne-Nationalrat Kilian Baumann.
Würdest du einen Kurs besuchen, um Pestizide verwenden zu dürfen?
Baumann ist überzeugt, dass Gewerbeverband, Bauern und Agrarlobby hinter den Kulissen zusammenspannten. Nationalrat Leo Müller (Mitte), Präsident der Wirtschaftskommission (WAK), ist Fenaco-Verwaltungsrat, Fabio Regazzi ist Gewerbeverbandspräsident, Ritter Präsident des Bauernverbands. «Sie haben bewusst eine bürokratisch überfrachtete Lösung eingebracht, im Wissen, dass damit spätestens in der Wintersession die Vorlage vom Tisch ist», sagt WAK-Mitglied und Biobauer Kilian Baumann. Bewusst hätten sie den Antrag über die FDP eingespiesen, um die Herkunft zu verschleiern.
Der Verein «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» spricht in einem Instagram-Post von einer «Lüge». Vereins-Campaigner Dominik Waser sagt: «Das Vorgehen von Markus Ritter und den Bürgerlichen zeigt, dass die Pestizidlobby und der Bauernverband es nicht ernst gemeint haben mit ihrer Zusicherung, sie wollten die Pestizidrisiken senken.» Es werde einfach «irgendetwas» erzählt und nachher nicht eingehalten, sagt Waser. Es gehe offensichtlich nicht um die Gesundheit der Bevölkerung. Ein Pestizidverbot wäre ein Verlust für die Pharmaindustrie, ansonsten für alle ein Gewinn.
Kurspflicht wird als Chance gesehen
Markus Ritter rechtfertigt sich: «Den Vorwurf des Wortbruchs weise ich in aller Form zurück. Wir vom Bauernverband wollen nach wie vor eine Reduktion. Doch wir finden, dass für alle Anwender die gleichen Regeln gelten sollen, weil vor dem Gesetz alle gleich sind.» Deshalb sollten auch private Anwender sich ausbilden lassen, sagt er im Interview mit 20 Minuten. Die Kurspflicht wäre durchaus eine Chance zur Reduktion und im Ständerat nicht chancenlos, sagt Ritter.
Auch Motionärin Maya Graf lässt diese Möglichkeit offen: «Ich hoffe natürlich, dass wenigstens noch die Ausbildungspflicht im Ständerat durchkommt.» Die Umsetzung wäre unbürokratisch und würde mit bereits vorhandenen Ausbildungsgängen erfolgen, sagt sie. «Damit wäre schon einiges gewonnen, jeder kleine Fortschritt zählt.»
Dominik Waser ist anderer Meinung: «Erstens wird der Ständerat ohnehin Nein sagen zu einer so superbürokratischen Lösung. Zweitens wäre es ein Riesenaufwand, Hunderttausende Hobbygärtnerinnen und -gärtner in einen Kurs zu schicken und sie in Gartencentern an der Kasse zu kontrollieren.»
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