Pandemiepakt«Gegen Zwang» - Bürgerliche wollen den WHO-Vertrag aushebeln
Politiker befürchten, dass die Schweiz durch den Pandemiepakt der WHO Massnahmen nicht mehr eigenständig einführen kann. Ein Epidemiologe warnt dagegen vor einem Schweizer Alleingang.
Darum gehts
Die Schweiz soll 2024 dem neuen Pandemiepakt der WHO beitreten.
Bürgerliche befürchten, dass der Schweiz dadurch Massnahmen aufgezwungen werden.
Sie fordern deshalb eine Regelung im Epidemiengesetz, sodass das Land unabhängig bleibt.
Epidemiologe Andreas Cerny hingegen betont die Vorteile einer internationalen Pandemie-Bekämpfung.
Die Schweiz befindet sich mitten in einer Corona-Welle, viele sind krank und bleiben der Arbeit fern. Zwar sind im öffentlichen Raum vermehrt wieder Masken zu sehen, doch das Leben läuft normal weiter, es gibt seitens des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) keine Vorschriften, sondern primär Tipps zu Handhygiene und korrektem Niesen.
Irgendwann könnte sich das aber wieder ändern - etwa, wenn eine deutlich gefährlichere Covid-Variante oder sonst ein Virus auftaucht. Um eine Pandemie weltweit besser zu kontrollieren, arbeitet die Weltgesundheitsorganisation WHO an einem «Pandemiepakt», dem die Schweiz wohl nächstes Jahr beitreten wird.
Das sorgt im Bundeshaus für Ängste. Der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter geht in die Offensive - und verlangt eine Anpassung des Epidemiengesetzes, damit die Schweiz im äussersten Fall unabhängig bleibt. Durch eine Passage in diesem Erlass hätten Empfehlungen der WHO «schon heute gesetzlichen Charakter».
SVP-Grüter will Schweizer Expertise statt WHO
In Zukunft werde das mit dem Pandemiepakt noch schlimmer. «Er soll den Staaten vorschreiben, dass die Wirkungen aus diesem Vertrag bindend sind. Der Präsident der WHO kann dann allein eine Pandemie ausrufen, was gigantische Auswirkungen auf Gesellschaften hat», so Grüter.
Selbstverständlich müsse auch die Schweiz eine Pandemie ausrufen und Massnahmen ergreifen können, erklärt der Luzerner Unternehmer. «Aber dazu gibt es in der Schweiz genügend Experten», ist er überzeugt. Grüters Vorstoss wird neben der SVP-Fraktion auch von FDP-Politikern wie Marcel Dobler und Hans-Peter Portmann sowie Mitte-Politikern wie Thomas Rechsteiner unterstützt.
SP-Wyss setzt auf internationale Zusammenarbeit
Auf linker Seite kommt das Anliegen nicht gut an. «Selbstverständlich kann eine Epidemie und schon gar nicht eine Pandemie von einem Kanton oder Land alleine bewältigt werden», sagt SP-Nationalrätin Sarah Wyss. Eine intensive Zusammenarbeit mit gemeinsamen Regeln und Abmachungen zum Schutz der Gesundheit sei unumgänglich.
Das Schweizer Epidemiengesetz müsse zwar unabhängig von allenfalls international notwendigen Massnahmen funktionieren und dürfe die direkte Demokratie nicht unterwandern. Aber, so Wyss: «Die WHO ist das weltweite Gefäss, in dem solche Diskussionen geführt werden sollen - unter Beteiligung der Schweiz».
Epidemiologe: Wer abschotten will, hat nichts aus Corona gelernt
Ähnlich sieht es der Virologe Andreas Cerny. Es gehe beim Pakt etwa um den Austausch von Informationen und Technologien sowie Frühwarnsysteme und die Sicherstellung von Lieferketten. «Aus medizinischer und epidemiologischer Sicht ist diese Art von Zusammenarbeit und Koordination enorm wichtig. Während der Corona-Epidemie litten wir als Land im Zentrum Europas darunter, dass die Koordination mit den umliegenden Ländern ungenügend war», so Cerny.
Daten hätten in der Schweiz gefehlt. «Auch wir Experten waren zum Teil vom direkten Zugang zu wichtigen epidemiologischen Daten ausgeschlossen und mussten uns über unsere persönlichen Netzwerke und die bio-medizinische Literatur auf dem Laufenden halten», so der Direktor des Epatocentro im Tessin. «Wer glaubt, wir könnten uns einfach abschotten, hat die Lehren der SARS CoV-2-Pandemie verschlafen», ist er überzeugt.
Noch laufen die Verhandlungen über einen Beitritt der Schweiz, wie Nora Kronig, Vize-Direktorin des BAG kürzlich in der NZZ erklärte. «Wir wissen nicht, wie das Endergebnis aussehen wird», räumte sie ein.
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