BörsenbarometerWie Alibaba, so auch Chinas Konjunktur
Der Aktienkurs des E-Commerce-Riesen Alibaba ist der bessere Gradmesser für die chinesische Wirtschaft als umstrittene staatliche Konjunkturprognosen.
Seit dem schwarzen Montag wirft der China-Schock beunruhigende Fragen auf, denn bislang galt das asiatische Land als zuverlässiger Motor der Weltwirtschaft. Investoren fragen sich nach der Abwertung des Renminbi und dem Börsencrash, wie es mit der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt weitergeht.
Wie es im Detail mit China bestellt ist, lässt sich aber schwer abschätzen, weil die Staatsführung immer wieder interveniert. Viele Beobachter halten die offiziellen Daten des chinesischen Statistikamts denn auch für geschönt. Immer wieder wird gemutmasst, dass selbst offizielle Zahlen unglaubwürdig sind.
Der Kanarienvogel in der Grube
William Pesek, ein Bloomberg-Journalist, hat vor diesem Hintergrund nun eine interessante These aufgestellt. Ihm zufolge gibt es ein zuverlässiges Stimmungsbarometer für Chinas Wirtschaft: der E-Commerce-Gigant Alibaba. Alibaba sei «der Kanarienvogel in Chinas Kohlengrube», sagt Pesek. Er spielt damit auf eine alte Technik der Bergarbeiter in Kohlegruben an. Diese liessen in einem Käfig Kanarienvögel in die Kohlegruben hinunter – als Test. Ehe die Bergleute unter Tage gingen, wollten sie wissen, ob es unten genug Luft zum Atmen hat.
Pesek meint nun, der Alibaba-Mischkonzern sei ein zuverlässiges Abbild von Chinas Konsumentenstimmung. Denn Alibaba orientiert sich mit seinen Onlineshops und Auktionsplattformen stark an der wachsenden chinesischen Mittelschicht und hat in China einen Marktanteil von 80 Prozent. Alibaba mischt mit Töchtern und Beteiligungen auch bei Internetnetzwerken, Websites, Chat- und Kartendiensten sowie klassischen Kaufhäusern mit. Und wenn nur noch das Notwendigste gekauft und der Erwerb von Luxusartikeln auf später verschoben wird, drückt das auf das Portfolio des erfolgsverwöhnten Konzerns von Jack Ma.
Unzufriedene Analysten
2015 haben die Alibaba-Aktien 26 Prozent seit dem Zeitpunkt des Börsengangs an Wert verloren. Der Amazon-Rivale wächst nach dem Rekord-Börsengang so langsam wie seit drei Jahren nicht mehr. Der Umsatz legte im abgelaufenen zweiten Quartal bis Ende Juni um 28 Prozent auf 3,27 Milliarden Dollar zu. Der Nettogewinn kletterte um 30 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar.
Das verlangsamte Wachstum des Internetriesen entspricht auch dem Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie, der im Monat Juli zum sechsten Mal in Folge zurückging und sich bei 47,3 Punkten auf dem niedrigsten Niveau seit März 2009 befand. Auch geschrumpft ist die Industrieproduktion, sie befindet sich auf dem tiefsten Stand seit drei Jahren. Ebenso abgenommen haben die Beschäftigungszahlen in der Industrie.
Alibaba könnte Neuseeland kaufen
Trotzdem beträgt Alibabas Börsenwert mit 166 Milliarden Dollar immer noch so viel, wie Neuseeland oder Vietnam in einem Jahr erwirtschaften. Doch die Probleme dürften nicht abnehmen.
Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr das von der Regierung anvisierte Wachstum von 7 Prozent verfehlen dürfte. Nach Angaben des Vizechefs des chinesischen Planungsrats muss das Land hart daran arbeiten, die Wachstumsziele für 2015 zu erreichen. Dies wird von Experten als ein Zugeständnis für eine Abkühlung der chinesischen Konjunktur gewertet.