Geschlechter-Frage im SpitzensportWie aus Heidi Andreas wurde
Heidi Krieger wurde 1986 Europameisterin im Kugelstossen. Nach jahrelangem Doping unterzog sich Heidi einer geschlechtsanpassenden Operation und wurde zu Andreas. Die DDR-Athletin hatte in ihrer Aktivzeit massiv überhöhte Testosteronwerte im Blut, wie nun offenbar auch die südafrikanische 800-m-Weltmeisterin Caster Semenya.
Seit ihrem Weltmeistertitel über 800 Meter beschäftigt die Welt die Frage, ob die Südafrikanerin Caster Semenya ein Mann oder eine Frau ist. Weltweit spekuliert die Presse, dass sie eventuell gar ein Hermaphrodit, also zweigeschlechtlich, sein könnte. Auf ihrer Geburtsurkunde ist verbürgt, dass die 18-jährige Semenya als weibliche Person geboren wurde. Die Zweifel aber bleiben bestehen. Denn bei Tests vor der Weltmeisterschaft in Berlin soll im Blut der jungen Leichtathletin gemäss dem englischen «Telegraph» ein dreimal so hoher Testosteronwert wie bei einer «Durchschnittsfrau» gemessen worden sein.
Das lässt aufhorchen. Vor allem, weil Semenya mit dem ehemaligen DDR-Dopingexperten Ekkart Arbeit zusammenarbeiten soll. Arbeit wird beschuldigt, in den 80er Jahren DDR-Athletinnen systematisch mit Anabolika vollgepumpt zu haben, um deren sportliche Leistung zu steigern. Zum DDR-Leichtathletik-Team gehörte damals auch Heidi Krieger. Die Europameisterin im Kugelstossen von 1986 lebt heute wegen jahrelanger unwissentlicher Anabolika-Einnahme nun als Andreas Krieger das Leben eines Mannes.
Kindheits-Parallelen zwischen Krieger und Semenya
Nach Jahren des Dopingkonsums hatte die DDR-Athletin aber Mühe, ihre weibliche Geschlechtsrolle zu finden. Deshalb entschied sie sich sechs Jahre nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport für eine «geschlechtsangleichende Operation». Erste Probleme mit der Geschlechtsidentität tauchten bereits in ihrer Jugend auf und ihr Lebenslauf weist vor allem in der Jugendzeit verblüffende Parallelen zu demjenigen von Caster Semenya auf.
Heidi Krieger wollte als junges Mädchen eigentlich nur dazugehören. Aber Heidi war kein typisches Durchschnittsmädchen. Sie war laut, frech und in der Schule sagte man ihr auch, dass sie wenigstens wie eine Frau laufen soll, wenn sie sich schon einen Rock anziehe. Die Anerkennung, die ihr in der Schule verwehrt blieb, fand sie im Sport. Heidi liebte es, wenn man ihr nach einem erfolgreichen Wettkampf auf die Schulter klopfte.
Auch Semenya war bereits als Mädchen ein sehr männlicher Typ. Sie wollte immer nur mit Jungs spielen und im Gegensatz zu ihren Schwestern, die immer Kleider trugen, besass Caster nie einen Rock. Mit vierzehn Jahren, so erinnert sich ihr Vater, flog Semenya aus der Damen-Fussballmannschaft, weil sie zu hart spielte. Das habe ihr das Herz gebrochen, so der Vater. Und da sie mit den Knaben nicht spielen durfte, begann sie zu laufen.
Unwissentliches Doping mit Anabolika
Ablenkung im Sport suchte auch Heidi Krieger und trainiert immer härter - mit Erfolg. Zwischen 15 und 16 Jahren explodierten ihre Leistungen ins Unermessliche. Die junge Kugelstosserin wusste aber nicht, dass sie seit ihrem 13. Lebensjahr mit Anabolika richtiggehend vollgepumpt wurde. Im Sport wurde sie immer besser, aber es ging ihr psychisch immer schlechter. Auf die Hänseleien der Schulkameraden reagierte sie mit Aggressionen, die sich mit der Zeit auch gegen sich selbst richteten. Das einzige, was die mittlerweile 18-Jährige noch geniessen konnte, war der Erfolg im Wettkampf.
Doch der Körper, in dem Heidi Krieger steckte, veränderte sich immer weiter. Im Jahr 1984 wurde die Dosis an Anabolika auf 2590 Milligramm pro Jahr gesteigert. Das ist die doppelte Menge an Testosteron, die ein Mann in dieser Zeit produziert. Zwei Jahre später der erste wirklich grosse Erfolg: Krieger wurde in Stuttgart Europameisterin im Kugelstossen. Der Körper aber wurde immer männlicher und zeigte erste Folgen des rücksichtslosen Umgangs. Nach zahlreichen Verletzungen hörte Heidi Krieger, mittlerweile 1,87 Meter gross und 100 Kilo schwer, mit dem Leistungssport auf.
Krieger liebte Frauen, war aber nicht lesbisch
Bis sie jedoch verstehen konnte, was mit ihrem Körper geschehen war, vergingen noch einige Jahre. Krieger zog nach ihrem Rücktritt mit einer Frau zusammen. Sie spürte zwar, dass sie Frauen mag, wusste aber, dass sie nicht lesbisch war. Die Selbstzweifel verstärkten sich, bis sie etwas über das Thema Transsexualität erfuhr - und was eine Operation bewirken kann. Krüger entschied sich 1997 für die Geschlechtsanpassung und nennt sich seither Andreas.
Die Wut auf die Verantwortlichen, für das, was mit ihr passiert ist, war bei Andreas Krieger zunächst riesig. In dieser Zeit riet er niemandem von der alten DDR-Sportgarde, in seine Nähe zu kommen. Doch die Wut legte sich und er begann sein Schicksal zu akzeptieren. Wenn man ihm heute ein Foto von Heidi zeigt, spricht Andreas von einer Frau, die für ihn nicht mehr existiert. Denn für Adrian Krieger ist Heidi Krieger längst gestorben.