
Katja Kauf und Isabella Steiner (r.) setzen mit ihrem Label «nüchtern.berlin» auf alkoholfreie Drinks.
Jaclyn Locke/Knesebeck VerlagAchtsames Trinken«Wir haben beim Alkohol das Mass verloren»
Isabella Steiner und Katja Kauf haben einen Ratgeber für den bewussteren Umgang mit Trinken geschrieben.
Ein Prosecco zum Büro-Apéro, ein Feierabendbier daheim und am Freitag drei Moscow Mules an der Party: Alkohol ist aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken. «Mindful Drinking» hinterfragt diese Gewohnheit des ständigen Anstossens. Das Konzept ist einfach: Anstatt einen alkoholfreien Januar einzulegen, um dann das restliche Jahr wieder zu trinken, geht es bei «Mindful Drinking» darum, sich nach der Motivation zu fragen, wieso man überhaupt zu Drinks greift, ohne sich diese zu verbieten.

«Mindful Drinking» gibt Tipps für den achtsamen Umgang mit Alkohol – und zeigt dank Rezepten, wie vielfältig alkoholfreie Alternativen sind.
Knesebeck VerlagIsabella Steiner hat zusammen mit ihrer Kollegin Katja Kauf ein Buch zu diesem Thema und gegen den Kater geschrieben. Zudem betreiben die beiden in Berlin einen «Späti», also Kiosk, der bis spätnachts alkoholfreie Drinks anbietet. Wir haben Isabella zum Interview getroffen.

«Wenn jemand Alkohol braucht, um lustiger, entspannter oder mutiger zu sein, sollten die Alarmglocken schrillen», sagt Isabella Steiner.
EyeCandy/Knesebeck VerlagWer nicht trinkt, ist in den Augen einiger Menschen entweder schwanger oder einfach komisch. Woran liegt das? Wir leben in einer Gesellschaft, bei der Trinken als Synonym für Feiern steht. Es muss auf alles getrunken werden. Trinken ist für die meisten eine Norm, was es sehr schwer macht, sich dagegen zu stellen.
Worum geht es in eurem Buch «Mindful Drinking»? Achtsamkeit hat in vielen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten. Wir meditieren, machen Sport, ernähren uns bewusst – aber wenn es ums Anstossen und Alkohol geht, werden alle Achtsamkeitsrituale über Board geworfen. Im Buch geben wir Tipps für ein Leben ohne Kater.
Wäre es dir lieber, wenn weniger Alkohol konsumiert wird? Nein, aber bewusster. Es geht uns nicht darum, Alkohol zu verbieten, sondern sich zu fragen: Mit wem trinke ich Alkohol? Weshalb trinke ich Alkohol? Wir wünschen uns, dass die Leute nicht einfach im Autopilot und aus reiner Gewohnheit Drink für Drink schlürfen, wenn es auch feine alkoholfreie Alternativen gibt.
Du beschreibst im Buch, dass du früher jede Gelegenheit zum Anstossen genutzt hast. Trinkst du selbst gar nicht mehr? Oh doch, ich liebe Wein immer noch. Ich trinke auch an Hochzeiten super gerne ein Glas Champagner. Ich frage mich einfach nach dem Anstossen: Müssen es jetzt wirklich noch fünf weitere Gläser sein?
Kater ist nichts anderes, als freiwillig krank zu sein.
Was war die grösste Erkenntnis, seitdem du weniger trinkst? Dass ein Kater nichts anderes ist, als freiwillig krank zu sein. Verdauungsbeschwerden, Kopfweh, Übergeben und Schwindel: Was wir sonst um jeden Preis vermeiden wollen, nehmen wir beim Saufen einfach in Kauf. Zum Teil werden Kater regelrecht glorifiziert, um zu zeigen, wie viel man trinken kann.
Nicht alle saufen sich unter den Tisch. Wie steht es um die ein, zwei Gläser Wein am Feierabend? Schon kleine Mengen Alkohol bringen unseren Hormonhaushalt durcheinander, lassen uns schlechter schlafen und wirken sich auf unsere Konzentrationsfähigkeit aus. Das kann man durchaus in Kauf nehmen, aber wir finden, es sollte bewusster passieren und nicht einfach aus Gewohnheit.

Isabella Steiner (l.) und Katja Kauf bieten im Kreuzberger Späti «Null Prozent» alkoholfreie Drinks bis spät in die Nacht an. Du hast keine Berlin-Reise geplant? Auf ihrem Online-Portal nüchtern.berlin findest du alkoholfreie Drinks zum Bestellen.
Emmanuele Contini/Knesebeck Verlag«Sober Curious» ist ein Begriff, der schon lange im englischsprachigen Raum schwebt, auch alkoholfreie Parties gibt es in London oder New York. Braucht es wirklich für alles eine Bewegung? Wir haben als Gesellschaft das Mass beim Alkohol verloren. Das Ziel muss sein, als Nichttrinkerin nicht die Exotin an einem Anlass zu sein – solche Bewegungen schaffen Bewusstsein und im besten Fall Akzeptanz.
Alkohol wird auch oft verwendet, um sich Mut anzutrinken. Welchen Tipp hast du hierfür? Wenn jemand Alkohol braucht, um lustiger, entspannter oder mutiger zu sein, sollten die Alarmglocken schrillen. Vielleicht umgibt man sich dann auch einfach mit den falschen Menschen.
Was ist dein Ratschlag für Menschen, die gerne «Mindful Drinker» werden möchten? Eine Bestandsaufnahme vom Trinkverhalten machen: Liebst du dein Feierabendbier, trinkst du gerne eine Flasche Prosecco, wenn du Serien schaust, oder hast du ein Eskalationswochenende pro Monat, von dem du dich drei Tage erholen musst? Je nach Muster findest du dann Alternativen, die diese Gewohnheiten ersetzen können – wenn du das denn willst.
Ihr bietet alkoholfreie Drinks in eurem «Späti» in Berlin an. Was ist dein liebster alkoholfreier Drink? Das Angebot von alkoholfreien Alternativen wächst und wächst, was mich super freut. Momentan liebe ich alkoholfreie Schaumweine und alkoholfreien Apérol Spritz!
Wie stehst du zu «Mindful Drinking»? Diskutiere mit im Kommentarfeld.
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