Journalisten-Angriff und Schweinefuss-Attacke«Wir haben ein neues Level der Radikalisierung erreicht»
In ihrem Kampf gegen die Zertifikatspflicht attackieren Massnahmen-Gegner Journalisten, beschmieren Restaurants mit Blut und stürmen Spitäler. Sozialwissenschaftler Marko Kovic warnt vor der gewaltbereiten Speerspitze der Massnahmen-Gegner.
Darum gehts
Seit der Ankündigung der Zertifikatspflicht häufen sich Gewalt und Vandalismus von Massnahmen-Gegnern.
In den letzten Tagen attackierten Massnahmen-Gegner einen Journalisten, beschmierten ein Restaurant mit Blut, stürmten ein Spital und drohten mit einem Amoklauf.
Sozialwissenschaftler Marko Kovic warnt vor der «gewaltbereiten Speerspitze» der Massnahmen-Gegner.
Mehrere Vorfälle – von Vandalismus bis hin zu Gewalt – erschüttern die Schweiz seit der Ankündigung der ab Montag geltenden Zertifikatspflicht. Sie zeigen für den Sozialwissenschaftler und Experten für Verschwörungstheorien Marko Kovic die zunehmende Gehässigkeit der Massnahmen-Gegner. Er warnt: «Wir haben ein neues Level der Radikalisierung erreicht.»
Angriff gegen 20-Minuten-Journalist
Es begann mit «Lügenpresse»-Schreien, Buhrufen, verbalen Attacken und Pöbeleien. Dann artete die Situation an der Demonstration gegen die Corona-Massnahmen in Luzern vom Samstag aus: Ein Kamerateam von 20 Minuten wird Opfer eines tätlichen Angriffs, plötzlich schlägt ein Mann mittleren Alters einem 20-Minuten-Reporter auf den Nacken.
Anwesende Demonstrierende verfolgten das Geschehen und reagierten teils mit dem Stinkefinger, teils mit feindseligen Äusserungen in Richtung der 20-Minuten-Journalisten. Als der Täter selbst nach der Attacke weiterhin um die zwei Reporter schlich, entschied das Team, die Live-Berichterstattung einzustellen.
Erst im Mai wurden Journalisten von 20 Minuten zuletzt zur Zielscheibe eines tätlichen Angriffs: Ein Mann bewarf zwei Redaktoren mit einer Bierdose und junge Männer rissen ihr Handy vom Stativ und warfen es zu Boden.
20 Minuten erstattet Anzeige
Nach Angriff
Nach der Attacke auf einen Journalisten an der Demonstration gegen die Corona-Massnahmen in Luzern vom Samstag erstattet 20 Minuten Anzeige. Auf Tiktok kursiert zudem ein Video, das die Gesichter der Geschäftsleitung von 20 Minuten sowie der Chefredaktion von Blick zeigt. Der für das Video verantwortliche User möchte damit «die Gesichter hinter den tollen Corona-Nachrichten» zeigen. Denn man müsse diese Gesichter kennen, «wenn man mal den einen oder anderen auf der Strasse antrifft».
Schweinefuss-Attacke gegen Gastronom
Mit Blut und Tierteilen hatten es Massnahmen-Gegner auf den Thurgauer Gastronomen Ruedi Bartel abgesehen: Am Sonntagmorgen musste der Wirt die Eingangstür, Tische und Fenster seines «Gasthaus Krone» in Balterswil TG blutverschmiert vorfinden. Am Geländer hingen Schweinefüsse, auf der Treppe lag ein toter Tintenfisch, das Trottoir vor dem Restaurant war beschmiert mit Nazi-Symbolen wie Hakenkreuzen.
«Sowas macht man nicht», sagt Bartel nach dem Angriff zu 20 Minuten, «solche Sachen sind ein No-Go, auch wenn man Impfgegner ist». Hintergrund des Vandalenaktes waren Aussagen des Gastronomen und SVP-Kantonsrats zum Thema Impfen im Blick TV: «Man hätte einfach eine Impfpflicht für alle einführen sollen. Das wäre schlauer gewesen als das Zertifikat», sagte er dort vergangenen Donnerstag.
Massnahmen-Gegner stürmen Spital
Die Wut der Massnahmen-Gegner entlud sich am Sonntag auch in Freiburg. Dort stürmten rund 50 Gegner unter «Liberté»-Rufen in das Kantonsspital - ohne eine Maske zu tragen. Laut einer Sprecherin seien die Personen in den Eingangsbereich des Gebäudes eingedrungen, wo sie sich hingesetzt und Lieder gesungen hätten. Die Kantonspolizei Freiburg stand im Einsatz.
Wirt fantasiert über Amoklauf
Auf Social Media fantasierte der Wirt des Club-Lokals des SC Buochs vergangene Woche gar über einen Amoklauf. In einem Video wünscht er Bundesrat Alain Berset den Tod und droht ihm, nicht in die Innerschweiz zu kommen. Es sei mittlerweile «sehr, sehr gefährlich» für Berset, so der Mann.
Das Bundesamt für Polizei prüft wegen des Videos rechtliche Schritte. Der SC Buochs kündigte mittlerweile das Pachtverhältnis mit dem Wirt: «Wir verurteilen die gemachten Äusserungen aufs Schärfste.»
Sozialwissenschaftler warnt vor Radikalisierung
Für Marko Kovic haben die Massnahmengegner in den letzten Tagen «ein neues Level der Radikalisierung» erreicht: «Bei vier derartigen Vorfällen in so kurzer Zeit, alle als Reaktion auf die Zertifikatspflicht, kann man das nicht leugnen», sagt der Sozialwissenschaftler und Experte für Verschwörungstheorien.
Die Ursache dieser Gehässigkeit liege in der konstanten Berieselung der Massnahmen-Gegner mit Wut, Hass und Fake News auf Social Media. «Aus dieser Rhetorik sind nun Taten gewachsen, der Hass ist in die Realität übergeschwappt.» Kovic warnt: «Wir sind an einem gefährlichen Punkt angelangt.»
«Gewaltbereite Speerspitze der Massnahmen-Gegner»
Sorgen bereitet dem Sozialwissenschaftler die «gewaltbereite Speerspitze der Massnahmen-Gegner». Sie sei zwar eine kleine, dafür aber äusserst radikalisierte Minderheit. Kovic mahnt zur Wachsamkeit: «Diese Speerspitze der Massnahmen-Gegner dürfte noch zu mehr Verwerflichem fähig sein.»
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