
Slowflower-Bewegung«Wir haben jetzt keine Tulpensaison, das ist Bullshit»
Die Slowflower-Bewegung will den Blumenhandel revolutionieren. Mitglied Maja Bartholet hat mit uns über nachhaltige Floristik und die Schönheit vertrockneter Schnittblumen gesprochen.
Maja, du bist Farmer Florist. Was heisst das?
Ich ziehe die Blumen und Pflanzen für meine Arrangements und Designs alle selbst. Ich habe mich ganz der nachhaltigen Floristik verschrieben: Ich baue im Rhythmus der Jahreszeiten eigens aus Samen grossgezogene, pestizidfreie Schnittblumen an. Neu biete ich auch Workshops an – mir ist es ein Anliegen, Slowflowers und die Slowflower-Bewegung, bei der ich Mitglied bin, in der Schweiz zu etablieren.
Was ist das Konzept der Slowflowers?
Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit sind das Kernstück dieser Bewegung, die vor ein paar Jahren in den USA ihren Anfang genommen hat. Viele Menschen achten heute darauf, woher ihr Essen kommt und wie es hergestellt wurde. Im Bereich Schnittblumen und Floristik existiert da ein grosses Ungleichgewicht. 90 Prozent aller Schnittblumen in der Schweiz werden importiert und in den meisten Fällen werden sie mit Pestiziden oder Fungiziden behandelt. Nachhaltiger Blumenanbau schützt und achtet die Gesundheit des Bodens, die Insekten und die Tierwelt.
Bei vielen Blumenhändlern und -händlerinnen sieht man jetzt bereits Tulpen. Was hältst du davon?
Tulpen sind Frühlingsblumen. Das heisst, sie blühen in unseren Breitengraden frühestens ab Ende März. Anders als suggeriert haben wir noch lange keine Tulpensaison, das ist Bullshit. Alle Tulpen, die man jetzt kaufen kann, kommen aus beheizten Gewächshäusern. Das ist schlecht fürs Klima, da dabei sehr viel CO2 produziert wird.
Welche saisonalen Blumen kannst du stattdessen empfehlen?
Ab Januar blühen jeweils die Helleboren (Christrosen), Zaubernuss und Winterschneeball. Meine Empfehlung: Zweige schneiden und zu Hause vortreiben lassen. Das eignet sich ideal für Magnolien, Forsythien oder Zierquitten. Und wer nicht selber schneiden kann oder mag: Es gibt einige Floristinnen und Floristen, die solche Zweige anbieten.
Was wünschst du dir von den Konsumenten und Konsumentinnen?
Ich wünsche mir, dass sie – genau wie beim Essen – darauf achten, woher die Blumen kommen und Fragen stellen. Schlussendlich sind sie es, die den Wandel voranbringen und die Branche zu einem Umdenken zwingen. Heute werden Blumen unter fragwürdigen Bedingungen gezüchtet. Die grossen Verlierer sind dabei die unterbezahlten Farm-Arbeitenden, die den Pestiziden ausgesetzt sind, die Floristen, die sich nur knapp über Wasser halten können, aber auch die Konsumenten, die am Ende krebserregende Stoffe in der Vase im Wohnzimmer stehen haben.
Und was wünscht du dir von den Verkäufern und Verkäufinnen?
Mehr Transparenz, Offenheit und die Bereitschaft, am Wandel mitzuwirken. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber nur schon kleine Schritte in eine nachhaltigere Richtung bewirken Grosses!
Hast du noch einen allgemeinen Blumen-Pflegetipp?
Nehmt euch Zeit für eure Blumen! Wenn einige Blumen eines Strausses den Kopf hängen lassen, kann man sie rausnehmen, neu anschneiden und einzeln arrangieren. Oder man kann den Blumen beim Verblühen zuschauen: Es gibt nichts Schöneres als Tulpen, die zuerst in der Vase dem Licht entgegen wachsen und dann langsam vertrocknen. Abgefallene Rosenblätter kann man auf dem Tisch liegen lassen, sie sind wunderschön und illustrieren so elegant die Vergänglichkeit.