Suchmaschine in Erklärungsnot«Wir haben total versagt»
Google hat 600 Gigabyte an privaten Daten aus ungesicherten WLAN-Netzen abgegriffen. Der Eidgenössische Datenschützer hat sich dazu bislang nicht geäussert.

Googles Kamerafahrzeuge für Street View speicherten Daten aus ungesicherten Funknetzen.
Ende April hatte Googles zuständiger Produktmanager Raphael Leiteritz in einem Blogeintrag noch versichert, die mit Kameras und WLAN-Empfänger ausgestatteten Fahrzeuge sammelten nur MAC-Adressen und Namen (SSID) der Funknetze. Alan Eustace, Senior Vice President, Engineering & Research, gab in einem am späten Freitagabend veröffentlichten Blog-Post zu, dass diese Stellungnahme falsch war. Bei den Fahrten seien unabsichtlich auch Daten aus offenen Funknetzen abgegriffen worden. Laut Eustace sollen diese aber nicht von Google verwendet worden sein. Dazu könnten Teile von E-Mails und angesteuerten Internetseiten zählen, wie 20 Minuten Online berichtete. Ingesamt sollen seit 2007 rund 600 Gigabyte gespeichert worden sein. «Weil Autos meistens fahren und die WLAN-Empfänger fünfmal pro Sekunde den Kanal wechseln, sind nur Fragmente aufgezeichnet worden», schrieb Eustace. Zudem sei dies nur geschehen, wenn jemand sein Funknetz genau in dem Moment nutzte, als ein Street-View-Fahrzeug in Reichweite vorbeifuhr.
Spionagesoftware an Bord
Google hatte den Fehler entdeckt, weil der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar das Unternehmen aufgefordert hatte, die von den Street-View-Autos aufgezeichneten Daten zu überprüfen. Dabei war Technikern aufgefallen, dass die Fahrzeuge eine Software nutzen, die ein Google-Entwickler 2006 zum Speichern öffentlicher von Daten aus ungesicherten Funknetzen geschrieben hatte. Wie und warum das Programm an Bord der Autos gelangte - dazu äusserte sich Eustace nicht.
Nachdem Google die Daten gefunden hatte, seien sie aus dem Firmennetzwerk entfernt worden. Ob sie jemand zuvor gestohlen hat - auch dazu war kein Kommentar vom Suchmaschinisten zu erhalten. Google werde Behörden in den betroffenen Ländern, zu denen das Unternehmen keine näheren Angaben machte, kontaktieren und mit ihnen die Löschung der Daten koordinieren. Bis auf weiteres werde man keinerlei WLAN-Daten mehr aufzeichnen, schrieb Eustace. Mittlerweile hat Google begonnen, die Daten im Beisein Dritter zu löschen. Der Anfang wurde in Irland gemacht, wie ein im Blog veröffentlichtes Schreiben bestätigt.
«Wir arbeiten hart, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und uns ist klar, dass wir in diesem Fall total versagt haben», gab sich Eustace reumütig und kündigte überdies an, dass das Unternehmen bald über https verschlüsselte Suchen anbieten werde, wie man es bereits seit Anfang des Jahres standardmässig vom E-Mail-Dienst Gmail kennt. Der Manager verwies überdies auf eine Seite mit Tipps zum Verschlüsseln des eigenen Funknetzes.
Schutz der Userdaten verbessert
Um Kritikern seiner Datenschutzbestimmungen entgegenzutreten, hatte Google Anfang November das so genannte Dashboard präsentiert. Es steht allerdings nur Usern mit Google-Account zur Verfügung: Sie können eine Schaltfläche finden, über die sie sich anzeigen lassen können, welche Daten Google von ihnen gespeichert hat. Surfer können überdies Informationen direkt löschen und sich Datenschutzbestimmungen diverser Google-Dienste auf einer Seite anzeigen lassen. Im Dashboard sind unter anderem folgende Informationen zu finden: Name, E-Mail-Adresse, Zahl der Kontakte, kürzlich besuchte Webseiten und das eigene Google-Profil. Bereits im September hatte Google die Data Liberation Front gestartet. Auf der Webseite werden entsprechend nicht nur Tipps gegeben, wie man seine eigenen Daten bei Google importieren kann, sondern auch, wie man sie von dort wieder entfernt. Ausserdem wird Usern geraten vorab zu überprüfen, ob man auf Seiten Daten exportieren kann und was das kostet.
Datenschützer hat noch nicht reagiert
Google beichtete seinen Fehltritt bereits am vergangenen Freitag. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat bislang weder eine Pressemitteilung versandt, noch eine Stellungnahme auf seiner offiziellen Webseite veröffentlicht. 20 Minuten Online hat sich heute Morgen direkt an Hanspeter Thür gewandt, um zu erfahren, ob Google wegen des Eindringens in private Datennetze mit Konsequenzen zu rechnen hat. Eine entsprechende Antwort ist noch ausstehend, soll aber im Laufe des Tages nachgereicht werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden.