Hoffnungsbarometer 2023: Das sagt der Studienautor

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Zukunftsforscher«Der Pessimismus ist gar nicht so schlecht»

60 Prozent der Bevölkerung blicken pessimistisch in die Zukunft. Das sei gut, sagt Studienautor und Zukunftsforscher Andreas Krafft. Denn es müsse sich etwas ändern.

Andreas Krafft, Dozent am Institut für systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen und Co-Präsident von Swissfuture, der schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung.
60 Prozent der Befragten sind pessimistisch für die nächsten 20 Jahre. Insbesondere betreffend Unterschiede zwischen Arm und Reich, Preise und Kriminalität. Das zeigt das Hoffnungsbarometer 2023.
Laut Hoffnungsbarometer 2023 der Universität St. Gallen und von Swissfuture ist das Clash-Szenario das wahrscheinlichste: Wachsende soziale Ungleichheit führt zu Instabilität und Unsicherheit.
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Andreas Krafft, Dozent am Institut für systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen und Co-Präsident von Swissfuture, der schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung.

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Darum gehts

  • Das Hoffnungsbarometer 2023 der Universität St. Gallen und von Swissfuture zeigt, dass 60 Prozent der Bevölkerung pessimistisch sind.

  • Sie glauben, dass sich die Lebensqualität in den nächsten 20 Jahren verschlechtern wird.

  • Zukunftsforscher und Studienautor Andreas Krafft sagt, der Pessimismus sei gut. Er rüttle uns auf. Wir müssten wachsam sein.

60 Prozent der Schweizer Bevölkerung sehen schwarz. Ist der Pessimismus gerechtfertigt?
Ob es in 20 Jahren tatsächlich viel schlechter aussieht als heute, kann niemand sagen, auch wir Zukunftsforscher haben keine Kristallkugel. Man kann vielleicht Parallelen ziehen mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Situation jetzt ist selbstverständlich anders als damals. Doch wir müssen achtsam sein, sonst geht zu viel an Umwelt und rechtsstaatlichen Errungenschaften kaputt. Die Frage ist, wie viel Schaden und Leid es noch braucht, bis etwas Neues entstehen kann.

Der Vergleich mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts klingt schrecklich.
Ja, deshalb ist der Pessimismus gar nicht so schlecht. Er rüttelt uns wach und macht uns bewusst, was auf dem Spiel steht. Wir sollten die Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn es muss eine Veränderung geben. Schlecht wäre es, wenn aus dem Pessimismus ein Fatalismus entstünde, ein Fehlen von Hoffnung und Perspektiven. 

Was muss sich verändern?
Wir haben Krieg in Europa, und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich wieder. Wir haben den Gipfel von Wohlstand und Wohlfahrt erreicht. Unsere Kinder, die Generation Z, sind die erste Generation seit 100 Jahren, die nicht davon ausgeht, bessere Zukunftsperspektiven zu haben als ihre Eltern im selben Alter. Wenn wir die Umweltzerstörung stoppen, die Demokratie erhalten und gesund bleiben wollen, müssen wir unser Verhalten ändern. Dazu kann jeder individuell etwas beitragen. Mehr Dialogbereitschaft, Respekt, Toleranz. Auch jeder mit sich selber. Es fängt im Kleinen an. Als Gesellschaft müssen wir uns weiterhin für Demokratie und Frieden einsetzen und sollten dies auch innenpolitisch so leben. Es müssen nicht alle gleich denken, aber wir müssen zusammenhalten.

Aber eben: Die Leute sind pessimistisch. Sie glauben nicht, dass sie es schaffen.
Die Geschichte der letzten 300 Jahre zeigt, dass die Menschen in schwierigen Zeiten immer besonderen Kampfgeist und Widerstandskraft entwickelt haben. Sie haben Schwierigkeiten bisher immer gemeistert. Das wird auch diesmal so sein. Ein Beispiel: Die Arbeitslosigkeit ist seit Jahrzehnten zuoberst auf der Sorgenliste. Doch die technologische Entwicklung hat schon immer Jobs zum Verschwinden gebracht. Dafür gab es neue.

Was ist Ihre Prognose, wie lange es dauert, bis wir zu einer besseren, umweltfreundlicheren und sozialeren Gesellschaft werden?
Derzeit haben wir noch nicht alle Antworten auf die heutigen Herausforderungen. Die Nachkriegsgeneration hatte Wohlstand und Aufbau vor Augen. Dann kam eine Zeit beispiellosen Wohlstands. Ein besseres Niveau konnten wir wirtschaftlich und politisch fast nicht erreichen. Und jetzt haben wir Krieg, Umweltzerstörung und fehlenden Zusammenhalt. Das sind ganz neue Probleme. Viele fühlen sich ohnmächtig und ratlos. Es kann vielleicht nochmals fünf oder zehn Jahre dauern, bis sich die Situation zum Besseren wendet. Hoffen wir, dass wir es schneller schaffen.  

Wie schlimm steht es um uns?

Der Autor

Andreas Krafft ist Dozent am Institut für systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen und Co-Präsident von Swissfuture, der schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung.

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