Drama in MakijiwkaNach Raketenangriff sollen Überlebende bereits wieder an die Front
Nach dem Raketenangriff auf ein provisorisches russisches Truppenlager versuchen viele Angehörige seit Tagen, mehr zum Verbleib ihrer Söhne herauszufinden – meist ohne Erfolg.
Darum gehts
Die Ukraine will bei einem Raketenangriff mehrere Hundert russische Soldaten getötet haben.
Der Kreml sprach zunächst von 68 Toten, korrigierte die Zahl später aber nach oben auf 89 Opfer.
Überlebende berichten derweil von ausbleibender Versorgung und dem Ausbleiben von Informationen zu den Opfern.
Die ukrainische Attacke auf eine provisorische Truppenbasis des russischen Militärs im besetzten ukrainischen Dorf Makijiwka hat die Truppen offenbar schwer getroffen. Während die Ukraine bereits nach Bekanntwerden des Angriffs von bis zu 400 getöteten russischen Soldaten sprach, bezifferte der Kreml seine Verluste damals auf 68. Mittlerweile wurde diese Zahl auf 89 hinaufkorrigiert – mit Hinblick auf die Berichte russischer Militärblogger dürfte die tatsächliche Zahl der Toten aber noch höher liegen.
Leichenbergung dauert an
So berichtet der Militärhistoriker ChrisOWiki basierend auf verschiedensten russischen Telegram-Kanälen, dass die Lage in Makijiwka nach dem Raketenangriff äusserst prekär sei. «Es wurden weit mehr Soldaten getötet als vom Kreml offiziell genannt. Noch immer werden Leichen aus den Trümmern gezogen», so eine Verwandte eines Überlebenden. Einige der Überlebenden seien derzeit nur mit Flip-Flops bekleidet.
Ein Grund für die tiefen offiziellen Opferzahlen könnte demnach der Umstand sein, dass die Leichen vieler Toter so zerfetzt wurden, dass eine Identifikation nur mittels DNA möglich ist. «Wir mussten uns die Gehirne von unseren Stiefeln putzen», so ein Überlebender. Ein ähnlich grausiges Bild zeichnet die Frau eines Überlebenden: «Viele Leute vor Ort wurden zu Hackfleisch verwandelt.» Man habe die Toten nicht begraben dürfen, bei vielen sei eine Beisetzung schlicht unmöglich gewesen.
«Haben gar nichts mehr»
Nach dem Angriff scheint nun die miserable Versorgungslage den Überlebenden zusätzliche Schwierigkeiten zu bereiten. Es mangle an Essen und Medikamenten, weshalb Angehörige von Mobilisierten aus Saratow nun einen Aufruf gestartet haben. «All unser Besitz wurde zerstört, wir sitzen nackt hier. Leute haben nur noch die Kleider, die sie am Leib tragen, nichts mehr. Wir brauchen ALLES», so die Soldaten in Donezk.
Zugleich kämpfen die Angehörigen von vor Ort stationierten Soldaten, die potenziell Opfer des Raketenangriffs wurden, gegen das russische System. So berichten einige davon, dass sie seit der Attacke in der Neujahrsnacht keinerlei Informationen zum Verbleib ihrer Angehörigen erhalten hätten. Einige fürchten, dass der Kreml die überlebenden Soldaten vor der Armee verstecken könnte – Ähnliches soll mit Besatzungsmitgliedern des Flaggschiffs «Moskwa» nach dessen Sinken geschehen sein.
«Es gibt keine Informationen, in welches Spital die Überlebenden gebracht wurden. Die Attacke liegt schon drei Tage zurück, und immer wieder erhalte ich Anrufe von anderen Frauen, die ebenso wenig Infos haben – es ist sehr nervenaufreibend», so die Frau eines vor Ort stationierten Soldaten.
Überlebende werden an die Front geschickt
Laut der kremlnahen Journalistin Anastasia Kaschewarowa sollen etwa 215 Überlebende «an die Front oder woanders hin, wo sie aus den Augen sind», geschickt werden. Damit wolle man wohl verhindern, dass die Betroffenen gegenüber der Kommission, die den Vorfall untersuchen soll, aussagen. Ein anderer Angehöriger eines Überlebenden vermutet, dass das Militär damit unliebsame Zeugen verschwinden lassen will.
Laut dem Kreml soll die ungenehmigte Nutzung von Mobiltelefonen bei russischen Soldaten dazu geführt haben, dass die Ukraine das Truppenlager so präzise angreifen konnte. Der gut vernetzte Kriegsblogging-Kanal VChK-OGPU bezweifelt diese These aber und geht davon aus, dass ein Tipp eines Anwohners von Makijiwka zur Attacke geführt hat.
«Makijiwka ist ein kleines Dorf, und jeder kann schnell sehen, wer und was auf dem Gelände stationiert ist, vor allem, wenn eine grosse Konzentration von Soldaten und Ausrüstung besteht. Sogar dort sind nicht alle Anwohner pro-russisch, und es gibt Späher. Obwohl das bekannt ist und in der Vergangenheit bereits Himars-Angriffe auf die Region stattfanden, werden in Makijiwka immer wieder Reservisten stationiert», wird das Vorgehen des Militärs im russischen Telegram-Kanal kritisiert.
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