Impfchaos«Wir sind zu spät dran»
Der neue Gesundheitsminister Didier Burkhalter hat den Kampf gegen die Schweinegrippe-Pandemie zur Priorität erklärt und die Impfaktion beschleunigt. Trotzdem ist die Schweiz spät dran mit impfen.
«Bundesrat Burkhalter hat sich am Freitag Nachmittag versichern lassen, dass die Impfstoffe für die Risikogruppen am Montag in den meisten Kantonen ankommen werden», sagt sein Sprecher Jean-Marc Crevoisier gegenüber der SonntagsZeitung. Bei der Detailverteilung in den Kantonen herrscht das Chaos: Gestern wurden im Kanton Solothurn die ersten Kinder geimpft.
Im Kanton Zürich rechnen die Spitäler damit, ab Mittwoch oder Donnerstag starten zu können. In der Ostschweiz wird erst geimpft, wenn alle Kantone beliefert worden sind. Und im Kanton Bern werden Hausärzte den Stoff frühestens am 16. November erhalten. «Wir sind eindeutig zu spät dran mit der Impfung», sagt Hans Binz, Vizepräsident der Schweizer Impfkommission. Man müsse bedenken, dass von der Impfung bis zur Immunisierung rund zwei Wochen vergingen. Die Kritik richtet sich gegen die Heilmittel-Zulassungsstelle Swissmedic. Mehrere europäische Länder sind der Schweiz weit voraus: Deutschland startete die Impfaktion am 26. Oktober, in Italien sind bereits 41 000 Menschen geimpft
Impfstoff reicht nicht aus
«Die Verzögerung ist bedauernswert und ist von Swissmedic verursacht. Die Logisitik ist sehr komplex. Es braucht bis zu zwei Wochen, bis die Impfstoffe in alle Praxen verteilt sind», sagt Christoph Berger, Infektiologe am Kinderspital Zürich gegenüber der Zeitung «Sonntag». Er bedaure, dass die Schweiz den Impfstoff erst so spät bekommen habe und fordert: «Der Bund muss nun gewährleisten, dass er Impfstoffdosen nachschieben kann. Entweder vom bestehenden Focetria, oder vom einem anderen Impfstoff.»
Im Kanton Aargau erhält jeder Kinderarzt Impfstoff für rund 50 Kinder. «Wir müssen uns auf die Risikogruppen beschränken», sagt Kinderarzt Wolfgang Brunschwiler, Vertreter des Aargauischen Gruppe der Pädiatrischen Gesellschaft. Die Impfstoffmenge reiche ganz sicher nicht aus, um alle impfwilligen Kinder zu behandeln. «Leider reicht er auch nicht aus um alle Kontaktpersonen zu Risiken, wie Geschwister von jungen Säuglingen oder Neugeborenen, impfen zu können», sagt er.
Wirbel um Falschaussage
Drei Wochen nach der EU hat auch die Schweiz den Impfstoff Pandemrix zugelassen. Mit einer Falschaussage versuchte Swissmedic-Präsidentin Christine Beerli die Verzögerungen zu vertuschen. Sie behauptete fälschlicherweise, dass das Zulassungsgesuch viel später als in der EU eingereicht wurde. Auch beim Impfstoff für Risikogruppen (Focteria) brauchte Swissmedic zwei Wochen länger für die Zulassung als unsere Nachbaren.
Mit gravierenden Folgen für die Risikogruppe der Kleinkinder. Frühestens Mitte Dezember wird bei ihnen der Impfschutz voll wirksam, wie der SonntagsBlick berichtet. Dies weil Kleinkinder zwei Impfungen benötigen. Bis zu diesem Zeitpunkt, so die Prognosen der Experten, wütet das Virus längst schweizweit.