«Wir waren alle zu stark von Angst geleitet»

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Film zur Corona-Pandemie«Wir waren alle zu stark von Angst geleitet»

Der ehemalige SRF-Moderator Reto Brennwald hat einen Dokumentarfilm zur Schweiz während der Corona-Krise gedreht. Er möchte, dass wir wieder mit weniger Angst in die Zukunft schauen.

Darum gehts

  • Reto Brennwald, ehemaliger SRF-Journalist und Reporter, hat einen Film zur Verhältnismässigkeit der Corona-Massnahmen gedreht.
  • Er glaubt, dass wir uns zu stark von Angst haben leiten lassen und fragt sich, ob die Schäden, die der Lockdown verursacht hat, nicht zu gross seien.
  • Von Verschwörungstheoretikern distanziert er sich klar: «Wir wollen ernsthaft und nicht mit Häme über kontroverse Positionen diskutieren.»

«Unerhört!» heisst der Film, an dem Reto Brennwald, ehemaliger «Arena»-Moderator und Reporter für die SRF-Sendung «DOK» in den letzten drei Monaten gearbeitet hat. An der Demonstration der Corona-Skeptiker vergangenen Samstag in Zürich betrat er spontan die Bühne, um für seinen Film zu werben.

Im Interview spricht er darüber, wieso seine Angst vor Corona gewichen ist, welche Massnahmen er für übertrieben hält und wieso er trotzdem nicht an Verschwörungstheorien glaubt.

Sie bezeichnen sich selbst als «Massnahmenskeptiker». Weshalb? Ich frage mich, ob die sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die der Lockdown verursacht hat, nicht zu gross sind. Als Beispiel: ich glaube nicht, dass man die Schulen hätte schliessen sollen.

Nun haben Sie während drei Monaten einen Film gedreht. Worum geht es? «Unerhört!» fragt, wie verhältnismässig die Massnahmen sind, wie gut die öffentliche Meinungsbildung funktioniert hat, und er gibt Betroffenen eine Stimme, die bis jetzt wenig zu hören waren.

Sie lassen auch Persönlichkeiten zu Wort kommen, über die sehr kritisch berichtet wurde, zum Beispiel Marco Rima oder Pietro Vernazza. Haben Sie keine Angst, dass Ihre Glaubwürdigkeit unter dem Film leidet? Ich glaube nicht, wir machen in diesem Fall eher einen «anwaltschaftlichen» Film mit dem Ziel, dass wir ernsthaft und nicht mit Häme über kontroverse Positionen diskutieren.

Was hat Sie bewegt, den Film zu publizieren? Ich habe Corona am Anfang sehr ernst genommen, aber nach zwei bis drei Wochen Lockdown konnte man sehen, dass sich die Situation entspannt. Trotzdem gingen die ersten Geschäfte erst fünf Wochen später wieder auf und die Mittelschulen waren bis im Juni geschlossen. Dann kam der Berner Produzent Mike Wyniger auf mich zu, und wir beschlossen, einen Dokumentarfilm zu drehen. Wir fanden beide, dass wir alle zu stark von Angst geleitet waren. Nicht zuletzt durch die ständige Berichterstattung über nichts anderes.

Was soll der Film bei den Zuschauern auslösen? Es wäre schön, wenn wir nach dem Film optimistischer und mit weniger Sorgen in die Zukunft schauen würden.

Was halten Sie von Bill Gates und den Theorien, die um ihn kursieren? Das hat mich nie besonders interessiert, das geht mir zu weit.

Beschäftigt Sie die Frage, wer von dieser Krise profitiert? Im Sinn von Verschwörungstheorien meinen Sie? Nein, wir leben in einer gut funktionierenden Demokratie, jeder kann sich einbringen und mitbestimmen.

Wie beurteilen Sie als Journalist die Rolle der Medien in der Krise? Die Medien haben meiner Meinung nach zu viel Panik verbreitet und zu oft tragische Einzelschicksale gezeigt. Die gibt es natürlich, aber ich wünschte mir, dass die Relationen wieder mehr gewahrt werden. Corona ist ein ernst zu nehmendes Virus, aber wir wissen, wie wir uns schützen können. Es sterben viel mehr Menschen an anderen Dingen als an Covid-19.

Welche Fehler dürfen wir auf keinen Fall noch einmal machen, wenn sich eine solche Krise wiederholen sollte? Ich habe gestaunt, dass die Vorbereitungen so vernachlässigt wurden. Und die Modelle, die Zehntausende von Toten prognostizierten, waren nicht hilfreich.

Spaltet Corona die Schweiz?

Die Bekämpfung des Coronavirus erfordert Massnahmen wie das Tragen von Masken oder das Annullieren von Reisen in Risikogebiete. Gegen die behördlichen Anordnungen gibt es Widerstand. Und gewisse Menschen hinterfragen generell die Gefährlichkeit des Virus. Wie soll man ihnen begegnen? Diese Frage diskutiert Barbara Lüthi im nächsten «Club» mit ihren Gästen. Neben Reto Brennwald werden Lukas Engelberger (Regierungsrat BS/CVP und Präsident Kantonale Gesundheitsdirektorenkonferenz), Nicolas Müller, (Leitender Arzt Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene Unispital Zürich), Anton Gunzinger (ETH-Professor und Unternehmer), Stefanie Mahrer (Historikerin) und Marco Caimi (Männerarzt) über das Thema diskutieren.

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