Diese Faktoren sorgen für einen Preisschub

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Lieferketten, Nachhaltigkeit, GeldpolitikDiese Faktoren sorgen für einen Preisschub

Lieferketten werden weniger effizient, Nachhaltigkeit kostet mehr und die Notenbanken steuern auf höhere Inflation zu. Diese Faktoren könnten dazu führen, dass die Preise steigen.

Verschiedene Faktoren könnten dazu beitragen, dass Konsumenten mit höheren Preisen rechnen müssen.
Viele Firmen überdenken ihre Lieferketten und achten dabei nicht nur auf Effizienz, sondern auch auf Stabilität, sagt der ehemalige SNB-Chef Philipp Hildebrand.
In der Schweiz ist aber keine bahnbrechende Umwälzung der Lieferketten zu erwarten, sagen Experten von der Credit Suisse und UBS.
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Verschiedene Faktoren könnten dazu beitragen, dass Konsumenten mit höheren Preisen rechnen müssen.

20Min / Anja Stadelmann

Darum gehts

  • Drei Faktoren erhöhen derzeit das Risiko, dass bald die Preise steigen.

  • Firmen setzen teilweise auf teurere Lieferketten.

  • Die Wirtschaft wird nachhaltiger – das kostet mehr.

  • Die Notenbanken steuern auf höhere Inflation zu.

Die Angst vor steigenden Preisen ist in der Schweiz und weltweit derzeit eher klein. Dabei ist laut dem ehemaligen SNB-Chef Philipp Hildebrand die Inflation momentan das am meisten unterschätzte Risiko für die Wirtschaft. Das sagte der Manager, der momentan um den Chefposten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung buhlt, in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».

Weil sich die Notenbanken weltweit darauf einstellen, dass es keine Inflation geben wird, könnte es für die Wirtschaft umso verheerender sein, wenn es anders kommt. Diese drei Aspekte erhöhen laut Hildebrand das Risiko:

Lieferketten werden weniger effizient

Der ehemalige SNB-Chef beobachtet, dass aktuell die Lieferketten neu zusammengesetzt werden. Dabei gehe es aber nicht mehr in erster Linie nur um die Effizienz, sondern auch um eine höhere Widerstandsfähigkeit – damit die Lieferkette bei der nächsten Krise nicht wieder derart zusammenbricht. Das erhöht allerdings die Produktionskosten, was wiederum die Konsumentenpreise in die Höhe treiben dürfte.

In der Schweiz ist aber keine bahnbrechende Umwälzung der Lieferketten zu erwarten, sagt Claude Maurer, Leiter Konjunkturanalyse Schweiz bei der Credit Suisse (CS), zu 20 Minuten: «Wer bisher seine Waren aus Asien bezogen hat, wird jetzt nicht plötzlich im Appenzell einkaufen.» Anhand von aktuellen Umfragen geht Maurer darum davon aus, dass der Konsument wegen der Lieferketten vorerst keine grossen Veränderungen im Portemonnaie spüren wird.

Auch UBS-Ökonom Alessandro Bee erwartet keine massive Deglobalisierung über die kommenden fünf Jahre. Zudem gibt er zu bedenken, dass der Fortschritt in der Digitalisierung und Roboterisierung auch dabei helfen kann, Preise zu senken. Die neue Lieferkette muss also nicht zwingend teurer sein als die bisherige.

Nachhaltigkeit ist teuer

Die Wirtschaft will nachhaltiger werden, so Hildebrand. Typischerweise kostet die nachhaltige Herstellung und Produktion von Material jedoch mehr als herkömmliche Methoden. Auch Aspekte wie Verpackung und Transport sind meist teurer, wenn man die Umwelt berücksichtigen will. Das führt zu Mehrkosten, die letztlich der Konsument tragen muss.

Dass das zu flächendeckend steigenden Preisen führt, hält Maurer von der CS aber für eher unrealistisch: «Die Produktevielfalt nimmt einfach zu und der Konsument hat mehr Optionen, die teurer sind.» Wenn aber der Staat Abgaben oder Steuern auf nicht nachhaltige Produkte erhöht, könne der Landespreisindex kurzfristig ansteigen. «Die Gefahr ist, dass der Konsument das Gefühl hat, alles werde teurer – dann fordert er mehr Lohn und es gibt eine Preisspirale.» Dass das passiert, sei in der Schweiz aber wegen der stabilen Inflationserwartungen sehr unwahrscheinlich.

Geldpolitik visiert höhere Inflation an

Die US-Notenbank will künftig eine höhere Inflation als 2 Prozent akzeptieren. So soll die lockere Geldpolitik selbst bei steigenden Preisen gerechtfertigt werden, sagt Hildebrand. Die Bank steuert also bewusst auf eine Entwertung des Gelds und steigende Preise zu. Umso schwieriger dürfte es für die Banken werden, diese Entwicklung wieder zu stoppen.

Sollte die Inflationsrate in den USA oder vor allem in Europa merklich über die anvisierten 2 Prozent steigen, würde man das in der Schweiz schnell spüren, sagt Maurer von der CS: Wenn sich der Frankenkurs stark bewegt, bewegen sich auch die Preise sehr schnell. Dies, weil die Schweiz stark vom Import abhängig ist: «Viele Güter, die wir kaufen, werden gar nicht in der Schweiz hergestellt.»

Preisstabilität

Darum wollen die Banken eine Inflation von 2 Prozent

Die Notenbanken versuchen, mit ihrer Geldpolitik eine leichte Inflation zu begünstigen. «Die Preisanpassungsmechanismen funktionieren besser, wenn die Preise leicht steigen», sagt CS-Ökonom Claude Maurer. Das merkt man vor allem beim Lohn: Normalerweise werden gestiegene Preise mit Lohnerhöhungen ausgeglichen. Wenn die Preise sinken, müsste man konsequenterweise eine Lohnkürzung verhängen, um die Kaufkraft zu erhalten – eine Massnahme, die wohl schwieriger durchzusetzen wäre als eine Lohnerhöhung bei leichter Inflation. «Problematisch wird die Inflation erst, wenn sie unkontrolliert steigt», so Maurer. Die Notenbanken haben sich darum Ziele gesetzt, wie gross die Inflation sein sollte. Die SNB definiert Preisstabilität als einen Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise von weniger als 2 Prozent pro Jahr. Bei der Europäischen Zentralbank liegt das Ziel «unter, aber nahe zu 2 Prozent».

Die Schweizer Banker glauben aber nicht, dass die Position der US-Notenbank effektiv die Preise in die Höhe jagen wird: «Derzeit kriegen die Notenbanken die Inflation nicht vom Fleck – da muss man sich kaum Sorgen machen, dass sie in den nächsten zwei bis drei Jahren übers Ziel hinausschiesst», sagt Bee von der UBS.

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