Mobility PricingWird Basel bald Sperrzone für arme Autofahrer?
Die Stadt bewirbt sich als Pilotregion für Mobility-Pricing beim Bundesamt für Strassen. Ihr Konzept sieht eine Tageszeit- und Verbrauchsabhängige Taxe vor.
Autofahrerinnen und Autofahrer haben es in Basel ohnehin schon schwer, glaubt man den Klagen von Gewerbe und bürgerlichen Parteien. Die Kernstadt ist seit 2015 praktisch autofrei und in den letzten Jahren sind über 500 Parkplätze auf der Allmend abgebaut worden, und es werden in den kommenden Jahren noch mehr. Das Motto ist klar: Parkiert werden soll vor allem unterirdisch, aber das kostet. Und bald soll auch noch die Benutzung der Basler Strassen kosten, geht es nach der Regierung.
Diese bewirbt sich beim Bundesamt für Strassen (Astra) als Pilotregion für Mobility Pricing. Das Astra möchte darin nämlich praktische Erfahrungen sammeln und sucht deswegen Kantone und Städte für entsprechende Pilotprojekte. Basel-Stadt, wo der Grosse Rat sich im Oktober 2020 mit deutlicher Mehrheit für einen solchen Versuch ausgesprochen hat, lässt sich nicht zwei Mal bitten und hat dem Bund eine Projektskizze unterbreitet, wie die Regierung am Montag mitteilte.
Diese sieht eine sogenannte «Basel Flow-Taxe» vor. Das ist eine emissionsabhängige Strassennutzungsgebühr. Dabei ist die Höhe der Gebühr abhängig von der Tageszeit und der Schadstoffklasse des Fahrzeugs. Diese soll für das gesamte städtische Strassennetz gelten. Autobahnen sind ausgenommen, deren Benutzung ist bereits durch die Autobahnvignette abgegolten. Ziel der «Basel Flow-Taxe» ist eine bessere Verteilung der Belastung des Strassennetzes über den Tag. Entsprechend wären die Gebühren zur Hauptverkehrszeit am höchsten.
TCS kritisiert Mobility-Pricing als «unsozial»
Noch fehlt dazu aber die gesetzliche Grundlage, die derzeit auf Bundesebene vorbereitet wird. Die Basler Regierung geht derzeit davon aus, dass der Pilotversuch deshalb frühestens ab 2024 möglich sein wird. Dabei ist auch noch nicht sicher, ob das Astra das Basler Projekt auswählen wird. Falls nicht, wird der Regierungsrat prüfen, ob eine Vertiefung auch ohne Bundesbeteiligung möglich ist.
Ob das Gesetz durchkommt, ist offen. Der Bundesrat hat es im Februar dieses Jahres in die Vernehmlassung geschickt. Der TCS kritisierte die Vorlage bereits als «unsozial». Solche Systeme würden vor allem diejenigen treffen, die den geringsten Spielraum bei den Arbeitszeiten hätten.
City-Maut gegen Stau
Das berühmteste Beispiel für das Mobility-Pricing ist London. Dort wurde die sogenannte Congestion Charge (Staugebühr) 2003 eingeführt. Die Zufahrt in die Innenstadt kostet werktags zwischen 7 und 18 Uhr rund 19 Franken. Taxis, Ambulanzen, aber auch Hybrid-Autos sind von der Gebühr befreit. Das hat zu einer merklichen Verringerung des Verkehrs und einer Reduktion von Staus um 30 Prozent geführt. Schon viel länger, nämlich seit den 1970er-Jahren kennt Singapur eine Strassenmaut, die abhängig ist von Strecke, Tageszeit und Fahrzeug. Einen wesentlich grösseren Einfluss auf den Verkehr hat im 5-Millionen-Stadtstaat aber die Kontingentierung der Fahrzeuglizenzen. Wer eine Lizenz lösen will, um einen Neuwagen in Verkehr zu setzen und diesen zehn Jahre fahren zu dürfen, zahlt bis zu 100’000 Franken, zusätzlich zum Anschaffungspreis des Autos. Der Erfolg ist durchschlagend: Singapur dürfte die einzige staufreie Millionenmetropole der Welt sein.