BundesratswahlenWird der Kanton doch zum Problem?
Die «Doppel-Packungen» der SP und FDP im Kampf um einen Bundesrats bringen die Frage der Kantonsvertretung im Bundesrat wieder aufs Tapet.
Im Kandidatenfeld für die Bundesratswahlen zeichnen sich bisher je eine SP- und FDP-Bewerbung aus den Kantonen Bern, Zürich, St. Gallen und Basel-Stadt ab.
Gesetzt ist seit Mittwoch das «bernische Doppel» mit Ständerätin Simonetta Sommaruga (SP) und Nationalrat Johann Schneider-Ammann (FDP). Dem offiziell nominierten Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser dürfte sich seine Ratskollegin Jacqueline Fehr von der SP zugesellen. Sie entscheidet bis am 26. August.
In St. Gallen gaben die SP-Nationalrätin Hildegard Fässler und die Regierungsrätin Karin Keller-Sutter von der FDP am Donnerstag ihre Kandidaturen bekannt.
In Basel zeichnet sich das Doppel Eva Herzog (SP) und Peter Malama (FDP) ab. Während die Regierungsrätin Herzog ihre Kandidatur bereits am Montag bekanntgegeben hat, will Nationalrat Malama am Freitag vor die Medien treten.
Einzig der Tessiner FDP-Kandidat, der Nationalrat und Arzt Ignazio Cassis, kann bisher solo antreten. Die SP im Südkanton gab Forfait und stellt keine Kandidaten.
Kantonsklausel spukt noch in den Köpfen
Bis 1999 verbot die Kantonsklausel die Wahl von zwei Bundesräten aus dem selben Kanton. Die Genferin Ruth Dreifuss musste darum 1993 ihre Niederlassungspapiere verlegen und flugs zur Bernerin mutieren. Seit Abschaffung der Kantonsklausel gilt, dass die Sprach- und anderen Regionen angemessen in der Regierung vertreten sind.
Obwohl die Kantonsklausel verschwunden ist, spielt die Kantonszugehörigkeit in den Köpfen noch eine Rolle, sagt der Lausanner Politologe Andreas Ladner. Allerdings sei sie als Kriterium nach hinten gerutscht.
Für den Politologen Pascal Sciarini von der Universität Genf dürfte die Kantonszugehörigkeit eigentlich keine Rolle mehr spielen. Das Parlament habe die Kantonsklausel abgeschafft, um angesichts aller anderen formellen und informellen Anforderungen mehr Ellbogenfreiheit zu haben.
Sciarini erinnert zudem daran, dass sowohl FDP- wie SP-Fraktion am Schluss mit einer Doppelkandidatur aufwarten dürften. Das gehe auf das Jahr 1993 zurück, als anstelle der offiziellen SP-Kandidatin Christiane Brunner Francis Matthey gewählt worden war. Daraufhin musste die SP über die Bücher und brachte schliesslich Dreifuss in den Bundesrat.
Ironischerweise schlug die SVP in der Folge zur Vermeidung ähnlicher Debakel Doppelkandidaturen vor und brach das selbst 2003 und 2008, als sie Christoph Blocher und Ueli Maurer jeweils allein portierte.
Zuerst Leuenberger-Ersatz
Am 22. September schreitet die Bundesversammlung gemäss Ratsreglement zuerst zur Ersatzwahl für SP-Bundesrat Moritz Leuenberger. Will nun ein Parlamentsmitglied unbedingt Schneider- Ammann im Bundesrat, sinken die Chancen für Sommaruga. Auf Fässler - oder etwas weniger Herzog - entfallen in diesem Fall mehr Stimmen, schätzt Ladner.
Der Zürcher Nationalrat Ruedi Noser andererseits könne sich bessere Chancen ausrechnen, sollte die SP-Favoritin Sommaruga gewählt werden. Dann werde der Ruf nach einem Wirtschaftsvertreter laut. Und da Sommaruga aus Bern ist, drängt sich der Zürcher gemäss Ladner auf.
Doppelvertretung eines Kantons bereits Tatsache
Für Sciarini ist die im Zusammenhang mit den doppelten Kandidaturen wieder diskutierte Kantonsvertretung im Bundesrat ein Vorwand. Sollte das Kantonsargument den Ausschlag geben, versteckten sich dahinter andere Frustrationen oder einfach die Unzufriedenheit mit einer Kandidatur.
Nach der Wahl für die SP-Vakanz müsse die Bundesversammlung auf Null stellen, sagt Sciarini. Alles andere wäre gegenüber den anderen Kandidaten unfair. Zudem spreche letztlich nichts gegen eine Doppelvertretung Berns. Immerhin sei Bern der zweitgrösste Kanton.
Weder bei der Wahl Blochers noch Maurers sei zudem der doppelte Sitz Zürichs ein Thema gewesen. Als die beiden SVP-Vertreter gewählt wurden, sass bereits der Zürcher Leuenberger im Bundesrat.