Wird die Armee auf Landsleute schiessen?

Aktualisiert

Lage in der UkraineWird die Armee auf Landsleute schiessen?

Sie ist womöglich Viktors Janukowitschs letzte Hoffnung: die ukrainische Armee. Ob sie ihm jedoch Gehorsam leistet, ist laut Experten äusserst fraglich.

von
A. Bättig

Die ukrainische Armee steht bereit. So hat Viktor Janukowitsch am Donnerstagmorgen kurzerhand den Armeechef Wolodmir Samana abgesetzt und durch den Admiral Juri Iljin ersetzt. Gerüchte sagen, dass die Armee bereits auf dem Weg nach Kiew sei, um dort gegen die Demonstranten vorzugehen.

Doch wie sehr vertraut der ukrainischen Präsident Viktor Janukowitsch wirklich seiner Armee? «So wie es aussieht, nicht sehr», sagt Ukraine-Expertin Susan Stewart vom Institut für internationale Politik und Sicherheit.

Darauf deute der Wechsel des Armeechefs von Donnerstagmorgen hin. «Janukowitsch will sich mit dem neuen Armeechef absichern», so Stewart. Doch das sei nicht die einzige Massnahme gewesen, um die die Gefolgschaft der Armee zu stärken. «Die Löhne der Soldaten wurden erhöht und es gab Veranstaltungen, auf denen geprüft wurde, wer hinter der Regierung steht und wer nicht.»

Die Motivation der Soldaten ist gering

Wer sich nicht zu hundert Prozent hinter Janukowitsch stellte, dem wurde nahegelegt, die Armee zu verlassen, so Stewart. Grundsätzlich sei die Armee in der Ukraine in einem schlechten Zustand. «Der Armee-Etat ist klein, die Löhne gering.» Entsprechend niedrig sei die Motivation der Soldaten. Auch habe es bereits einige Skandale innerhalb der Armee gegeben. Zum Beispiel bei der Vergabe der Aufträge für das Kantinenessen seien Korruptionsgelder geflossen.

Trotz Janukowitschs Bemühungen, die Armee hinter sich zu scharen: Ob die Soldaten tatsächlich auf die eigenen Landsleute schiessen werden, sei schwierig abzuschätzen. «Sie wird kaum geschlossen agieren. Es wird wohl Einheiten geben, die den Befehl ausführen werden. Andere werden gar nichts tun und manche werden zur Opposition überwechseln», sagt Stuart.

Im Westen läuft sogar Janukowitschs Berkut über

Beunruhigen sollte Janukowitsch laut Stewart vor allem die Überläufer der berüchtigten Berkut. Mitglieder dieser Spezialeinheit hätten sich im Westen des Landes auf die Seite der Demonstranten geschlagen. «Die sind eigentlich ziemlich ideologisiert», so Stuart. Würde die Armee Janukowitsch tatsächlich die Gefolgschaft verweigern, wäre das ein grosser Auftrieb für die Opposition. «Die Menschen auf dem Maidan würden als Sieger dastehen.»

Zur Person

Susan Stewart ist stellvertretende Forschungsgruppenleiterin am deutschen Institut für internationale Politik und Sicherheit. Sie Russland- und Ukraine-Expertin

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