ZeitumstellungWird die Schweiz jetzt wieder zur Zeitinsel?
Das EU-Parlament hat entschieden: Die Zeitumstellung wird abgeschafft. Es droht ein Flickenteppich, und die Schweiz ist mittendrin.
Die Zeitumstellung soll in der EU ab dem Jahr 2021 Geschichte sein. Das hat das EU-Parlament am Dienstag entschieden. Damit beginnen die Streitereien: Jedes Land muss für sich nun entscheiden, ob es die ewige Sommer- oder die ewige Winterzeit will. Die Länder rund um die Schweiz sind sich nicht einig. Wird das Land nun wieder zur Zeitinsel, wie es zwischen 1980 und 1981 der Fall war?
Möglich sei alles, sagt Jürg Niederhauser vom Eidgenössischen Institut für Metrologie. «Dass sich Deutschland und Frankreich anders entscheiden, ist nicht ausgeschlossen», sagt er. «Die Staaten haben aber ein Interesse daran, sich zu koordinieren.» Im Moment seien entsprechende Gespräche in Gang. Frankreich und Österreich seien eher für die Normalzeit – also die ewige Winterzeit –, Deutschland sei unentschlossen.
Bevölkerung will Sommerzeit
Grosse Teile der Bevölkerung wünschen sich eher die Sommerzeit. In einer Online-Umfrage der EU sprachen sich 80 Prozent der Teilnehmer für die ewige Sommerzeit aus. Die Schweiz habe immer darauf geschaut, keine Zeitinsel zu werden, sagt Niederhauser. «Bei einer Umstellung würde man schauen, sie in Übereinstimmung mit den Nachbarstaaten vorzunehmen. Nach jetzigem Stand wäre das ab 2021 der Fall.»
Der Bundesrat kann die Abschaffung der Zeitumstellung in Eigenregie beschliessen, wenn er sich für die ewige Winterzeit entscheidet. Die ist die gesetzliche Zeit. Eine Umstellung zur ewigen Sommerzeit bedürfte hingegen einer Gesetzesänderung und würde die Möglichkeit des Referendums eröffnen. «In diesem Fall würde es ganz sicher zu einer Abstimmung kommen», so Niederhauser.
Kommt das Referendum?
SVP-Nationalrätin Yvette Estermann kündigt bereits Widerstand an, sollte der Bundesrat die ewige Sommerzeit beschliessen. «Dagegen würde ich mit allen demokratischen Mitteln vorgehen», sagt sie. Die Abschaffung der Zeitumstellung und der Entscheid des EU-Parlaments seien sinnvoll – aber nur, wenn die Normalzeit eingeführt werde. «Ärzte und Schlafforscher warnen vor der ewigen Sommerzeit», sagt Estermann. Sie führe zu Unfällen und Konzentrationsstörungen.
SP-Nationalrat Matthias Aebischer sagt, Priorität habe, dass es alle Staaten gleich machten. Die Schweiz müsse nur schon aus praktischen Überlegungen mitziehen. Wenn er auswählen könnte, wäre er für die Normalzeit – aus bildungspolitischen Überlegungen: «Schüler müssten sonst im Winter bis zur grossen Pause im Dunkeln sitzen.» Das sei zudem für die Arbeit unattraktiv – auch wenn er früher als Journalist gearbeitet habe, die eher später mit der Arbeit begännen: «Damals wäre mir das natürlich entgegengekommen», so Aebischer mit einem Schmunzeln.
Noch nicht beschlossen
Noch ist die Abschaffung der Zeitumstellung nicht in trockenen Tüchern. Der EU-Rat hat das letzte Wort. Er entscheidet im Juni über das Geschäft. Die Uhren würden erstmals 2021 nicht mehr umgestellt. Diese Frist würde laut dem Metas genügen, um eine Gesetzesänderung zu beschliessen und eine allfällige Abstimmung abzuhalten.
Die Sommerzeit wurde ursprünglich als Reaktion auf die Ölkrise von 1973 eingeführt, um Energie zu sparen. In den Nachbarländern trat die jährliche Umstellung auf die Sommerzeit 1980 in Kraft. In der Schweiz wurde dieselbe Umstellung 1978 an der Urne verworfen, sodass das Land ab 1980 eine Zeitinsel war. Lange wähnte dieser Zustand nicht: Ein rasch auf den Weg gebrachtes Gesetz führte zur Einführung der Zeitumstellung im Jahr 1981, eine Initiative dagegen kam nicht zustande.
Dass mit der Sommerzeit der Energieverbrauch gedrosselt werden kann, gilt mittlerweile als widerlegt. Das deutsche Umweltbundesamt stellte etwa fest, dass die Umstellung keinen messbaren Einfluss hat, andere Studien kamen gar zu einem gegenteiligen Schluss. Als Argument für die Sommerzeit wird häufig angeführt, dass am Abend länger Tageslicht herrscht, was den Freizeitaktivitäten der meisten Menschen entgegenkommt. Dafür ist es beim Einschlafen wärmer – und am Morgen länger dunkel, was dem Schlafrhythmus insbesondere junger Menschen weniger entspricht.