«Du lebst nicht mehr lange»Wirt erhält Todesdrohung, nachdem er Geimpften Kaffee offerieren wollte
Der Besitzer eines Restaurants in der Baselbieter Gemeinde Reinach wollte geimpften Gästen ein Zückerli anbieten. Mit einem Shitstorm rechnete er, nicht aber mit einer Todesdrohung.
Darum gehts
Ein Baselbieter Wirt wollte geimpften Gästen einen Kaffee offerieren, wie er in einem Facebook-Post bekannt gab.
Kaum hatte er das Angebot veröffentlicht, erreichte ihn deswegen telefonisch eine Morddrohung.
Sozialwissenschaftler Marko Kovic überrascht dies nicht: Die zunehmende Enthemmung der Onlinekommunikation schwappe irgendwann in die physische Realität über.
«Heute wurde eine Grenze überschritten», wendete sich der Wirt eines Baselbieter Restaurants am Donnerstag per Video auf Facebook an seine Gäste. Der Gastgeber berichtet, er sei soeben am Telefon mit dem Tod bedroht worden. Dies gerade mal fünf Minuten nachdem er in einem Post geimpften Gästen einen Kaffee offeriert habe.
«Der Herr konnte mir genau erzählen, wie ich mein Leben lebe, wann ich Feierabend mache, wohin ich dann gehe und er habe genug Zeit zu schauen, dass meine Stimme verstumme.» Er habe nachgefragt, was er damit meine. Der Mann am Telefon entgegnete ihm: «Du wirst es sehen, lange lebst du nicht mehr.» Dabei habe der Unbekannte explizit auf seine Facebook-Postings Bezug genomen.
Der Wirt machte die Todesdrohung am Donnerstagnachmittag auf Facebook publik und erstattete danach Anzeige bei der Baselbieter Polizei. Diese konnte den Eingang der Anzeige gestern noch nicht bestätigen.
«Ich hasse keinen, der sich nicht impfen lassen möchte»
Dass er mit seinem Geschenk an Geimpfte einen Shitstorm ernten würde, damit habe er schon gerechnet, sagt er. «Das ist halt so, wenn man seine Meinung kundtut.» Der Restaurantinhaber betont aber auch: «Ich hasse keinen, der sich nicht impfen lassen möchte.» Er sage auch nicht, das sei böse. Aber wenn man umgekehrt sage, man finde die Impfung gut, heisse es, man wolle eine Diktatur und weiss nicht was.
Am Donnerstagnachmittag entfernte er die Posts wieder von Facebook. Der Kafi für Geimpfte sei eine spontane Idee gewesen, erklärt er. Dass er derart gehässige Reaktionen dafür ernten würde, habe er nicht erwartet. «Ich tappte da völlig unbeholfen hinein.» Jetzt müsse er erstmal ein wenig Luft holen.
Bislang sind vor allem Exponentinnen und Exponenten aus Politik und Wissenschaft zur Zielscheibe Impf- und Coronamassnahmen-Gegnerinnen und -Gegnern geworden. Gegenüber 20 Minuten berichteten mehrere prominente Epidemiologen und Politikerinnen, dass sie mit Morddrohungen konfrontiert wurden.
«Irgendwann schwappt das in die physische Realität über»
«Dieser Fall ist schon ziemlich krass», sagt Marko Kovic, Sozialwissenschaftler und Experte für Verschwörungstheorien. Überrascht ist er aber nicht. Online sei die Tendenz zur Enthemmung und Entmenschlichung auf Telegramm-Gruppen und anderen Foren schon länger vorhanden. «Da geht das Gefühl verloren, dass man gegen Menschen hetzt. Irgendwann schwappt das in die physische Realität über», so Kovic.
Dass der Wirt die Todesdrohung zur Anzeige bringt, findet er richtig und wichtig. Diese dürfe man auch nicht bagatellisieren. «Auch wenn es nur leere Worte sind, muss schon viel passiert sein an Online- und Offline-Radikalisierung, dass einer eine solche Drohung am Telefon ausspricht.»
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