ErnährungWohnungssuche – WGs verstossen Fleischesser
Viele WGs wünschen sich vegetarische oder vegane Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Etwa wollen Inserenten nicht «mit ansehen, wie ein Leichenteil verspeist wird».
Darum gehts
Für viele ist die WG-Suche ein leidiges Thema. Bisher spielten etwa der Mietzins, der Musikgeschmack oder der gleiche Sinn für Ordnung eine Rolle, ob eine Wohngemeinschaft zu einem passt. Mittlerweile entscheiden auch die Ernährungsvorlieben über die Chancen der Zimmer-Anwärter: «Vegetarischer oder veganer Mitbewohner gesucht» steht in WG-Inseraten in Schweizer Städten wie Basel, Bern oder Zürich und auch im deutschsprachigen Ausland oft.
Solche Inserate sind keine Seltenheit. Auf wgzimmer.ch findet sich eine Reihe ähnlicher Annoncen, in denen explizit oder implizit – «Es wäre schön, wenn du dich vegetarisch oder vegan ernähren würdest» oder auch «Wir kochen und essen gerne, bevorzugt Vegetarisches/Veganes» – nach Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern gesucht wird, die dieselben Essensvorlieben teilen. In insgesamt 35 Annoncen suchen Personen vegane Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in der Schweiz, in 28 Fällen suchen sie vegetarische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. In Deutschland können Suchende auf wg-gesucht.de per Suchfilter vegetarische oder vegane WGs suchen.
Ein User schreibt auf wgzimmer.ch, er suche eine «NR-Mitbewohnerin (Nichtraucherin, Anm. d. Red.) ab ca. 30, die nicht allzu viel verdient und nur wenig Vermögen hat, die Pflanzen mag, sie auch ab und zu giesst, sich zu Hause vegetarisch oder vegan ernährt und sich ins WG-Leben einbringt». Eine andere Nutzerin sucht auf derselben Plattform jemanden, der Katzen mag und kein Fleisch isst, «zumindest zuhause», oder «besser noch vegan» lebt.
Ekel vor toten Tieren
Dass Personen vegetarische oder vegane Mitbewohnerinnen und Mitbewohner suchen, erklären mehrere Inserenten hauptsächlich mit Ekel vor toten Tieren und Ablehnung ihrer Tötung. Veganerin A.M.* aus Bern sagt auf Anfrage, der Geruch erinnere sie «an den unnötigen Mord an diesem Tier». Weiter wolle sie «auf keinen Fall in meiner nächsten Nähe mit ansehen, wie ein Leichenteil verspeist wird». Während sie bei Fleisch eine Null-Toleranzgrenze habe, könne sie den Konsum anderer tierischer Produkte eines Mitbewohners in Massen akzeptieren. Ihr gehe es darum, keine Grundsatzdiskussion mit Personen, die andere Ansichten vertreten, führen zu müssen.
N.B.* aus Aarau lebt ebenfalls vegan. Da zusammen kochen und essen für ihn ein wichtiger Bestandteil des Zusammenlebens sei, suche er einen vegetarischen oder veganen Mitbewohner. Denn: «Wir wollen jemanden in unsere WG aufnehmen, der gesundheits- und umweltbewusst lebt und unsere Ansichten teilt.» Auch für ihn ist der Aspekt der Tierquälerei zentral, daher hätte er Mühe mit einem Mitbewohner, dem das egal ist. Kritik habe es weder für A. noch für N. gegeben. Die Inserentin S.* aus Zürich habe hingegen von einer Person Rückmeldung bekommen, dass sie sich nach der Annonce ermuntert gefühlt habe, anzufangen, vegetarisch zu leben.
Unterschiedliche Essensvorlieben sorgen für Konflikte
Auf Twitter scheiden sich die Geister zu Vegetarismus und Veganismus in der WG. Ein User beklagt, dass vegetarisch oder vegan ein Ausschlusskriterium bei der WG-Suche ist. «Glaub, als Fleisch liebhabende Person gibt es in ganz Berlin keine WG-Zimmer zu finden. Alle vegetarisch/vegan unterwegs … wie nervig, wenn die Leute das Essen vorschreiben (wollen).» Ein anderer User schreibt: «Mein Mitbewohner ist vegan, wie krieg ich ihn wieder normal?»
Andererseits sei eine Userin «sehr hart angeekelt von Mitbewohnern, die täglich Billigfleisch fressen. Such auf diesem Wege eine vegan-WG.» Ähnlich äussert sich ein anderer Twitter-Nutzer: «Ey, ich will nur vegane Mitbewohner/innen!»
«Vegetarier und Veganer müssen sich nicht mehr verstecken»
Trotz der Kritik an der geforderten Ernährungsform der Inserenten, spüren die Anbieter davon nichts. Bisher habe es wegen der Suche nach vegetarischen oder veganen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern keine Beschwerden gegeben, so Tom Wespi von wgzimmer.ch auf Anfrage. Auch werte die Plattform solche Kriterien nicht als diskriminierend, «Barbecue-WGs übrigens auch nicht».
Die Inserate zeigten laut Raphael Neuburger, Präsident der Veganen Gesellschaft Schweiz, dass es dem Zeitgeist entspräche, «dass es für die Menschen, die unter einem Dach wohnen, wichtig ist, gemeinsame Werte zu teilen». So dienen klare Regeln in der Küche, als «Wohnungs-Hotspot», dem Hausfrieden, ist Neuenburger überzeugt. Auch Bettina Huber, Sprecherin von Swissveg, sagt, die Suche von gleichgesinnten Vegetariern oder Veganern habe eine positive Auswirkung auf die Community: «Sie müssen sich nicht mehr verstecken und können mit Menschen zusammenleben, die ihre Vorstellungen teilen.»
*Namen der Redaktion bekannt