LangstreckenversandWeite Reise – Zalando verschickt jetzt Kleider aus Polen in die Schweiz
Der Online-Modehändler bietet für 1.90 Franken Langstreckenversand an. Die Versandkosten sollen die Kundschaft auf den längeren Versandweg aufmerksam machen.
Darum gehts
Portofrei Kleider bestellen und zurückschicken: Dafür schätzen viele Kunden Zalando. Doch neu verlangt der Onlineriese für gewisse Bestellungen Versandkosten. 1.90 Franken kostet der sogenannte Langstreckenversand in die Schweiz.
Produkte, die so versendet werden, kommen aus den Zalando-Logistikzentren in Polen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage: «Durch das Zollverfahren in der Schweiz liefern wir Produkte direkt aus Polen, ohne etwa einen Zwischenstopp in Deutschland einzulegen.»
Der Online-Modehändler will so zusätzliche Produkte aus weiter entfernten Logistikzentren anbieten. Dabei dauert der Langstreckenversand mit fünf bis neun Werktagen etwas länger als normalerweise mit zwei bis fünf Tagen. Die Ware wird mit Lastwagen direkt in die Schweiz gefahren. Eingeführt wurde die neue Versandart 2021.
Nachhaltige Kaufentscheidung fördern
Mit der Kennzeichnung Langstreckenversand will Zalando auf den Mehraufwand und die grössere Entfernung aufmerksam machen: «Wir wollen die Kundschaft dabei unterstützen, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen», heisst es vonseiten des Unternehmens.
Wer ein Langstrecken-Paket wieder zurückschickt, erhält die Gebühr von 1.90 Franken zurück. Dafür muss aber die gesamte Bestellung zurückgesendet werden. Wird nur ein Teil der Ware retourniert, gibt es kein Geld zurück. Die Schweizer Kundschaft nutzt das zusätzliche Angebot rege, heisst es vonseiten Zalando.
1.90 Franken sind zu günstig
Dass Zalando den Langstreckenversand klar ausweist, ist laut Patrick Kessler, Geschäftsführer des Handelsverband Swiss, ein mutiger und wichtiger Schritt: «Es ist wichtig, den Konsumenten zu zeigen, dass ihre Bestellung ökologische Folgen hat und sie eine umweltfreundlichere Alternative wählen könnten.»
1.90 Franken für eine Lieferung aus Polen schätzt Kessler grundsätzlich als günstig ein – je nachdem wie voll die Lastwagen sind. «Aufgrund der angegebenen Lieferdauer scheint es, dass solche Transporte regelmässig in die Schweiz fahren. Die 1.90 Franken decken wohl nur die internen Kosten für den Transport», so Kessler.
Betreibt Zalando Greenwashing?
Laut Trendforscherin und Retail-Expertin Marta Kwiatkowski vom Gottlieb-Duttweiler-Institut beeinflussen 1.90 Franken den Kaufentscheid nicht: «Dafür müssten die Kosten im Verhältnis zum gekauften Produkt stehen und auch die effektiven Kosten abbilden.»
Denn der gesamte CO2-Fussabdruck eines Einkaufs setzt sich aus mehr als nur dem Transportweg zusammen. Das müsste Zalando transparent machen: «Sonst wirkt die Aktion wie Greenwashing.»
Das sieht auch die Umweltorganisation Greenpeace so: «Wenn Zalando seine Kundinnen und Kunden wirklich zu nachhaltigeren Kaufentscheidungen anregen möchte, müsste das Unternehmen seine Geschäftspraxis radikal umstellen», sagt Konsum- und Kreislaufwirtschaftsexpertin Barbara Wegmann.
Denn mit günstigen Preisen und kostenlosen Versänden und Retouren sei Zalando ein klassisches Fast-Fashion-Unternehmen. «Es fördert unüberlegte Bestellungen, was unnötige Verpackungen und Transporte nach sich zieht», so Wegmann.
Rückerstattung setzt Anreiz für Retouren
Dass beim Langstreckenversand die Kosten nur bei einer vollständigen Retournierung rückerstattet werden, sei besonders schlecht. Zalando setzte damit den Anreiz, alles zu retournieren. Zudem sei der Transport bei Textilien nur für einen Bruchteil der Umweltauswirkungen verantwortlich.
«Wenn Zalando seine Kundinnen und Kunden wirklich sensibilisieren möchte, müsste es über alle Umweltauswirkungen der Produkte informieren – von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung, den Transport bis zur Nutzung», sagt Wegmann.