Initiative vor Startschuss«Zehn Millionen sind zu viel» – SVP will Bevölkerungswachstum begrenzen
Laut der SVP steht die Schweiz kurz vor einem Zuwanderungskollaps. Deshalb lancieren die Bürgerlichen eine neue Initiative, die den Zustrom stoppen soll.
Darum gehts
Die Stadt Zürich meldete einen Bevölkerungshöchststand: Derzeit leben 440’181 Menschen in der Stadt. So viele wie nie zuvor. Der Ausländeranteil in der grössten Stadt der Schweiz ist doppelt so hoch wie noch vor 60 Jahren. Und auch gesamtschweizerisch schreitet das Bevölkerungswachstum voran: Alleine zwischen 2000 und 2020 wuchs die Schweizer Bevölkerung um 21 Prozent.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) schätzt, dass bei einem gleichbleibenden Wachstum die Schweiz im Jahr 2040 über zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner haben wird. Im Extremfall könnte die Grenze gar bereits 2035 geknackt werden.
Länger als bis 2050 hinauszögern
Das passt der SVP nicht. Nachdem die Begrenzungs-Initiative, die einzig auf die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU zielte, im September 2020 vom Stimmvolk abgeschmettert wurde, lanciert die Partei jetzt eine neue Initiative: Die Bevölkerungswachstums-Bremse. «Die Initiative soll dafür sorgen, dass die Schweiz nicht schon in wenigen Jahren mehr als zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner verzeichnet», sagt SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi gegenüber 20 Minuten.
Genauere Angaben über die Umsetzung der Initiative will der SVP-Fraktionspräsident noch nicht geben. Es gebe aber konkrete Formulierungsvorschläge, bestätigt Aeschi. Klar sei, dass man mit der Umsetzung der Initiative die Drittstaaten-Zuwanderung (siehe unten) einschränken wolle, indem man gewisse Vorgaben in der Verfassung festlege. «In Zukunft müssen wir verhindern, dass Personen in die Schweiz kommen, die schlechte Qualifikationen mitbringen und unser Sozialsystem belasten», sagt Aeschi. Die jetzige Strategie der unbegrenzten Zuwanderung führe in die Sackgasse. Ebenfalls müsse sichergestellt werden, dass temporär aufgenommene Flüchtlinge auch tatsächlich wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren.
Drittstaatenangehörige
Laut SVP-Präsident Marco Chiesa ist die Initiative nötig, da die Bevölkerung bereits 2010 für die Ausschaffung krimineller Ausländer gestimmt hatte, aber die Probleme noch nicht gelöst seien. «Es können sogar Vergewaltiger wegen der sogenannten ‘Härtefallklausel’ in der Schweiz bleiben», sagt Chiesa gegenüber 20 Minuten. Dies sei eine Missachtung des Volkswillens. Zum anderen sei die Initiative erforderlich, da die Schweiz vor einem Zuwanderungskollaps stehe. «Die Wohnungsmieten steigen enorm, Menschen sind gestresst, weil zu viele auf kleinem Raum leben, der Lohndruck ist hoch und es bestehen Verkehrsprobleme. So kann es nicht weitergehen», sagt Chiesa. Die SVP sagt weiter, aufgrund der Zuwanderung sei bald nicht mehr genügend Strom für alle Menschen in der Schweiz vorhanden.
Kaum Unterstützung für die SVP
Im Linken Lager reagiert man genervt. Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber sagt: «Die Politik der SVP ist traurig und entwürdigend.» Die Grünen-Politikerin ist der Ansicht, dass die Schweiz mit zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nicht mehr Probleme haben wird, als das jetzt der Fall ist.
Dass die SVP nun aber wieder gegen die Ausländer und für ein Einwanderungskontingent mobilisieren wolle, sei reine Polemik. «Im Gesundheitswesen ist ein Drittel aller Beschäftigten aus dem Ausland. Während der Pandemie waren wir alle froh darum», sagt Prelicz-Huber. Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan sagt, dass sich die SVP auf wesentliche Politik konzentrieren solle.
Auch vonseiten der SP gibt es nur abweisende Worte. SP-Nationalrat Fabian Molina stört sich vor allem an der Behauptung der SVP, das Problem der steigenden Umweltbelastung in der Schweiz sei Folge höherer Zuwanderung. «Es ist ein Irrglaube, dass eine Begrenzung der Zuwanderung unsere Energieprobleme lösen kann. Das Problem ist vielmehr die verpasste Energiewende.»