Covid-Gesetz – Covid-Zertifikatsgegner fantasieren über Abstimmungsmanipulation

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«Glaube nur der Landsgemeinde»Zertifikatsgegner fantasieren über Abstimmungsmanipulation

Auf Telegram rufen Gegner des Covid-Gesetzes dazu auf, die Auszählungen am Abstimmungssonntag zu «kontrollieren». Sie fürchten Manipulationen. Unmöglich, sagt ein Experte.

In der Schweiz ist die Stimmauszählung auf Gemeindestufe geregelt.
Bei der Abstimmung zum Covid-Gesetz befürchten Gegnerinnen und Gegner der Vorlage, bei der Auszählung könne getrickst werden.
Tipps, um dies zu verhindern, werden herumgereicht.
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In der Schweiz ist die Stimmauszählung auf Gemeindestufe geregelt.

20min/Marco Zangger

Darum gehts

  • Auf Telegram kursieren Theorien, wonach die Behörden das Abstimmungsresultat zum Covid-Gesetz am 28. November manipulieren könnten.

  • Ein Massnahmenkritiker behauptet, er habe «Tipps», wie die eigene Stimme vor Manipulation geschützt werden könne, von SVP-Nationalrat Pirmin Schwander erhalten.

  • Ein Experte erklärt, warum die Ängste unberechtigt sind.

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, in dem Bürgerinnen und Bürger bei der Corona-Politik mitreden können. Sie können entscheiden, ob sie am 28. November Ja oder Nein zum Covid-19-Gesetz sagen. Doch das Vertrauen in die Behörden bröckelt – jedenfalls bei den Gegnerinnen und Gegnern des Covid-Zertifikats, die sich auf Telegram organisieren.

In den Chats taucht immer wieder der Vorwurf auf, bei der Auszählung am Abstimmungssonntag werde es nicht mit rechten Dingen zu gehen.

«Was mich am meisten beunruhigt ist die Wahlmanipulation. Ich glaube, die einzige mehr oder weniger verlässliche Wahl ist die Landsgemeinde, alles andere ist anfällig für Verfälschungen», heisst in der Gruppe «Impfschäden Schweiz».

Tipps vom SVP-Nationalrat

«Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser», ergänzt der Co-Präsident der Gruppe «Freie KMU», Patrick Jetzer. Der Ex-Pfizer-Mitarbeiter wurde entlassen, nachdem er Corona-Demos organisiert hatte.

Nun ruft er dazu auf, am 28. November die Abstimmungsprotokolle der Gemeinden zu kontrollieren. Dazu sucht er Helferinnen und Helfer.

Eine neue Dimension ist, dass national bekannte Politiker die Skepsis an der Rechtmässigkeit der Abstimmungsresultate befeuern.

Jedenfalls behauptet ein Telegram-User, er habe sich mit SVP-Nationalrat Pirmin Schwander über «potenzielle Wahl-Manipulation» unterhalten. Diese «liege in der Luft», so der Skeptiker. Er behauptet, Schwander habe ihm Tipps gegen die «Manipulation» auf den Weg gegeben, darunter: Das Abstimmungscouvert nicht zu früh abschicken und sich unbedingt als Stimmenzähler melden. Pirmin Schwander reagierte auf mehrere Kontaktversuche am Dienstag nicht.

Dass überhaupt Fälschungs-Vorwürfe im Raum stehen, besorgt SP-Nationalrätin Céline Widmer. «Leider passt es zur aufgeheizten Stimmung, in der schon länger die Institutionen schlechtgeredet werden.» Es sei gefährlich für die Debattenkultur, wenn die eine Seite gar nicht mehr nach Argumenten suche, sondern das Resultat schon im Vorfeld anzweifelt.

Mobilisieren durch Misstrauen

Marc Bühlmann, Direktor von Année Politique Suisse, vermutet, dass die Skeptikerinnen und Skeptiker wohl auch Misstrauen streuen, um ihre Gefolgschaft für die Abstimmung zu mobilisieren. Die Parallelen zu den USA, wo Ex-Präsident Donald Trump nach verlorener Wahl ebenfalls behauptete, diese sei «rigged», also manipuliert gewesen, sind offensichtlich.

Trotzdem ist Bühlmann überzeugt, dass es sich in der Schweiz nur um eine kleine Gruppe handelt, die während der Coronakrise das Vertrauen in den Staat verloren hat. «Im internationalen Vergleich kann kaum eine Regierung auf so viel Zustimmung zählen wie jene in der Schweiz.» Denn insgesamt sorge die direkte Demokratie dafür, dass Kritik von den Behörden ernst genommen werden müsse, was langfristig zu mehr Vertrauen führe.

Problematisch würde es laut Bühlmann dann, wenn ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, also mehr als 50 Prozent, das politische Vertrauen langfristig verlieren würde. Ebenfalls zum Problem für die Behörden würden die Manipulationsvorwürfe, wenn es beim Covid-Gesetz zu einem extrem knappen Resultat wie etwa beim Radio- und Fernsehgesetz 2015 (50,08 % Ja-Anteil) käme. «Vielleicht würde man sich dann eine Nachzählung überlegen.»

«Manipulationen praktisch unmöglich»

Für Stephan Ziegler, Leiter Wahlen und Abstimmungen im Kanton Zürich, sind die Zweifel am Abstimmungsresultat absolut haltlos. Zwar sei in jüngerer Zeit mit dem Wahlskandal in Frauenfeld und der Diskussion ums E-Voting eine kritische Debatte über die Sicherheit von Abstimmungen geführt worden. «Da wir in der Schweiz aber seit Jahrzehnten viermal pro Jahr abstimmen, sind viele Abstimmungsresultate vorhanden, die als Datengrundlage für Hochrechnungen und zur Kontrolle von Ergebnissen einfliessen», sagt Ziegler.

In der Schweiz sei es praktisch unmöglich, grossflächig Ergebnisse zu manipulieren, sagt Ziegler. Einerseits zähle jede Gemeinde selber aus, eine zentrale Stelle wie in vielen anderen Ländern gebe es nicht. Andererseits würden die Stimmzettel ohne technische Hilfsmittel von Hand ausgefüllt. «Jede Stimme ist nachverfolgbar auf Papier.»

Doch wie kommt der Zürcher-Abstimmungschef allfälligen Fehlern bei Auszählungen auf die Spur? «Mit statistischen Auswertungen und Hochrechnungen sehen wir, ob Abstimmungsergebnisse plausibel sind», erklärt er.

Ziegler betont, die unbelegten Fälschungs-Vorwürfe dürften nicht davon ablenken, dass man auch in der Schweiz noch einiges besser machen könne. So seien Plausibilisierungen von Resultaten noch nicht standardisiert und die Kommunikation der Ergebnisse in Echtzeit am Abstimmungssonntag teils noch wenig nutzerfreundlich.

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