Corona-Kredite, Fehleingriffe, Scharlatanerie – Zürcher Pfusch-Schönheitschirurg soll Behörden abgezockt haben

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Corona-Kredite, Fehleingriffe, ScharlatanerieZürcher Pfusch-Schönheitschirurg soll Behörden abgezockt haben

Ein rücksichtsloser Chirurg soll die Behörden und seine Patienten offenbar jahrelang an der Nase herumgeführt haben. Angestellte, Lieferanten und Partner sollen demnach geprellt worden sein.

Der Direktor einer Zürcher Schönheitsklinik soll jahrelang gepfuscht und Kundinnen und Kunden, Partner und Angestellte um Geld geprellt haben.
Seine Klinik «Futuremed» im Zürcher Seefeld-Quartier empfing reiche Ausländerinnen und Ausländer, aber auch Kundinnen und Kunden aus dem Schweizer Mittelstand.
Gepfuscht haben soll V. bei klassischen Schönheits-OPs wie Fettabsaugungen. Eine betroffene Patientin sagt, der Eingriff sei «brutal» gewesen. Sie musste – genauso wie weitere Betroffene – anschliessend an anderer Stelle die Fehler korrigieren lassen.
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Der Direktor einer Zürcher Schönheitsklinik soll jahrelang gepfuscht und Kundinnen und Kunden, Partner und Angestellte um Geld geprellt haben.

Screenshot/Facebook

Darum gehts

Ein Schönheitschirurg aus Zürich soll bei Eingriffen gepfuscht, Kundinnen und Kunden sowie Partner um Hunderttausende Franken geprellt und schliesslich noch eine halbe Million Franken an Corona-Krediten unrechtmässig erworben haben. Sein Unternehmen ist mittlerweile in Konkurs, doch für die Politik in Zürich könnte die Angelegenheit noch ein Nachspiel haben. Dass der Mann jahrelang zweifelhafte Therapien in unsauberen Räumlichkeiten und auf der Basis von gefälschten Zertifikaten angeboten hat, war offenbar bekannt. Mehrere Personen berichten in den Tamedia-Zeitungen von schwerwiegenden körperlichen Folgen, die sie aufgrund der fehlerhaften Eingriffe erlitten haben sollen.

«Wie nennt man das? Körperverletzung?»

Im Aufsehen erregenden Fall geht es um die mittlerweile in Konkurs gegangene Futuremed Klinik im Zürcher Seefeld-Quartier. Gegründet wurde das Unternehmen 2015 von Sebastian V., einem deutschen Schönheitschirurgen. Im Sommer 2020 war dann Schluss. Die Behörden schlossen die Klinik, nachdem ein Konkursverfahren gegen die Klinik eingeleitet worden war. In Tresoren fanden die Beamten am Tag der Schliessung 1000 ungeöffnete Briefe. Klinikdirektor V. hatte seit längerem die Löhne von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr ausbezahlt. Weitere Kreditoren machten ebenfalls Ansprüche geltend.

Wie die Tamedia-Zeitungen in einer aufwendigen dreiteiligen Recherche zeigen, waren die finanziellen Engpässe jedoch nur die Spitze des Eisbergs. In den Jahren vor dem Sommer 2020 war es zu mehreren fehlerhaften Eingriffen gekommen. Ein besonders krasser Fall soll sich bei einer Patientin ereignet haben, die V. dazu überredet hatte, sich den Bauch von ihm straffen zu lassen. «Ganz easy» werde es, habe er ihr gesagt. 21’000 Franken bezahlt sie im März 2019 dafür.

Nach dem Eingriff musste die Frau jedoch mehr als zwei Dutzend Mal für Nachbehandlungen in der Klinik erscheinen. Während mehrerer Wochen lebte sie «mit einem offenen Loch im Bauch». Der Schönheitschirurg tauchte während dieser Zeit ab und beantwortete ihre Fragen nicht. Die Tamedia-Zeitungen drucken Auszüge aus dem SMS-Verkehr zwischen ihr und V. ab. «Wie nennt man das? Körperverletzung?», fragt sie den vermeintlichen Experten, doch V. meldet sich nicht mehr. Die Frau muss schliesslich zu einer Not-OP an anderer Stelle und trägt bleibende Schäden vom Eingriff davon.

Klinik soll umstrittene Stammzellenkur für Zehntausende Franken an angeboten haben

Neben Schöheits-OPs gelangten potentielle Patientinnen und Patienten auch an Futuremed, weil sie sich gegen Arthrose oder Schuppenflechte behandeln lassen wollten oder weil sie Diabetes oder einen hohen Blutdruck aufwiesen. Ihnen versprach V. eine Heilung mithilfe umstrittener Stammzellen-Therapien. Stammzellen-Therapien sind jedoch umstritten.

Trotzdem verkaufte Futuremed das Angebot. Im Visier hatte die Klinik vor allem chinesische Patientinnen und Patienten. Sein Angebot bewarb V. mit Broschüren und Sonderangeboten wie Helikopterflügen über die Alpen. Kosten konnte das Ganze bis zu 110’000 Franken. Der Klinikdirektor wies bei Fragen nach dem Nutzen der umstrittenen Therapie jeweils ein Zertifikat auf Chinesisch vor, das ihn als «einzigen Experten der Welt mit Qualifikationen für Anwendungen der gezielten Stammzellentherapie» auswies. Das Papier war jedoch eine Fälschung.

Ins Rollen brachte den Fall ein osteuropäischer Unternehmer, der sich im Jahr 2019 von Futuremed Stammzellen hatte injizieren lassen, um seine Schuppenflechte zu behandeln. Kostenpunkt: 15’000 Franken. Der Eingriff erzielte offenbar nicht die gewünschten Wirkung. Statt bei Futuremed direkt, rief der betroffene Patient allerdings beim Labor an, das ihm die Stammzellen injiziert hatte. Dort wusste man davon nichts. Futuremed benutzte offenbar den guten Namen des Labors, um den Eingriff vorzutäuschen. «Sebastian V. ist ein Blender. Er nutzte unser Logo, ohne uns zu fragen», gibt ein Verantwortlicher zu Wort.

Knapp 500’000 Franken Corona-Kredite und unbezahlte Löhne

Eine Bewilligung hatte V. für die Behandlungen nicht. Und auch einen Facharzttitel soll der «Schönheitschirurg» gemäss den Tamedia-Zeitungen bis heute nicht besitzen. Im Jahr 2020 trickste er nämlich nicht nur bei Eingriffen, sondern bereicherte sich auch auf Kosten der Zürcher Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Nur wenige Tage nachdem der Bund im März 2020 das Hilfsprogramm zur Milderung der Effekte durch die Corona-Pandemie verabschiedet hatte, meldete V. für seine Futuremed-Klinik einen Umsatz von 4,8 Millionen Franken für das vorangegangene Geschäftsjahr an.

Tausende Firmen erhielten die Unterstützung. Insgesamt wurden 20 Milliarden Franken bereitgestellt. Von Beginn an soll es jedoch auch zu Missbrauchsfällen gekommen sein. Auch bei Futuremed stimmten die Zahlen offenbar nicht. Wie die Tamedia-Zeitungen schreiben, hatte das Unternehmen schon vor Ausbruch der Pandemie mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Trotzdem erhielt V. die Gelder zügig. Es waren zehn Prozent des angegebenen Umsatzes aus dem Jahr 2019 – also 480’000 Franken. Zunutze macht sich V. ein Schlupfloch, wonach die Banken bei Beträgen unter 500’000 Franken nicht ganz so genau hinschauen.

Mehrere Verfahren könnten endlich Gerechtigkeit für Opfer bringen

Die Angestellten sahen während der ganzen Zeit kein Geld. Die Tamedia-Zeitungen berichten von einer Angestellten, die trotz gewonnener Klage gegen das Unternehmen noch immer auf über 20’000 Franken wartet. Auch Geschäftspartnern wie dem Labor, dem V. jeweils die Stammzellentests zur Auswertung schickte, schuldet V. noch grössere Summen Geld.

Betroffene äussern in der Artikel-Serie zudem scharfe Kritik an der Zürcher Gesundheitsdirektion, die für die Überwachung von Futuremed zuständig war. Bereits 2017 sollen sich erstmals Personen gemeldet haben, die dem Geschäftsgebaren von V. nicht trauten. Berichte über unsteriles OP-Besteck machten die Runde. «Es ist eine Schande, dass man ihn (V., Anmerkung der Redaktion) nicht früher stoppte», gibt denn auch der betroffene Labor-Leiter an. Ein Betroffener, der 113’000 Franken verloren hat, verwendet den gleichen Begriff für die Tatsache, dass man V. nach dem ersten Konkurs habe weiterarbeiten lassen.

Heute laufen mehrere Verfahren gegen V. Dieser streitet die Vorwürfe ab, gibt an, sich mit den falschen Leuten eingelassen zu haben. Noch Anfang November 2021 war er in einer anderen Schönheitsklinik in Zürich angestellt, wie die Tamedia-Zeitungen schreiben.

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