150 Tote in der USZ-Herzklinik? Unispital startet Untersuchung

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Zürich150 Tote in der Herzklinik? Unispital Zürich startet Untersuchung

Vor zwei Wochen behauptete ein ehemaliger Herzklinik-Leiter, dass sich zwischen 2016 und 2020 in der Herzchirurgie des Universitätsspitals Zürich 150 Todesfälle zu viel ereignet hätten. Nun leitet das Unispital eine Untersuchung ein.

Die Unispital-Leitung will eine externe, unabhängige Kommission zusammenstellen, die die Vorwürfe untersucht. Von links: Monika Jänicke, André Zemp und Omer Dzemali.
Paul Vogt, ehemaliger Leiter der Herzklinik, sprach erstmals öffentlich über die Missstände am Unispital. (Symbolbild)
Zwischen 2015 und 2019 war die Mortalität am Herzklinikum des Unispitals Zürich überdurchschnittlich hoch. (Symbolbild)
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Die Unispital-Leitung will eine externe, unabhängige Kommission zusammenstellen, die die Vorwürfe untersucht. Von links: Monika Jänicke, André Zemp und Omer Dzemali.

20min/Céline Trachsel

Darum gehts

  • Die Herzklinik am Universitätsspital Zürich (USZ) wies von 2015 bis 2020 eine überdurchschnittlich hohe Mortalitätsrate auf.

  • Zu dieser Zeit gab es einen Skandal um Francesco Maisano, damaliger Leiter der Klinik für Herzchirurgie.

  • Sein Nachfolger Paul Vogt sprach vor Gericht öffentlich von hochgerechnet 150 Todesfällen in jener Zeit, die vermeidbar gewesen wären.

  • Die Spitalleitung hatte stets betont, dass für die Patienten keine Gefährdung bestanden hatte.

  • Das USZ leitet nun als Reaktion auf Vogts Vorwürfe eine unabhängige externe Untersuchung ein.

Paul Vogt wurde 2020 zum Klinikdirektor der Herzchirurgie am Universitätsspital (USZ) ernannt: Er sollte nach den Skandalen um den italienischen Arzt Francesco Maisano in der Herzchirurgie aufräumen.

Zur Erinnerung: Der umstrittene Italiener hatte Patienten untaugliche Implantate eingesetzt, an denen er finanziell beteiligt war, und anschliessend Komplikationen totgeschwiegen sowie wissenschaftliche Arbeiten verzerrt. Es bildeten sich Fronten für und gegen Maisano. Der Fall endete in einer Whistleblower-Affäre mit Entlassung, in einem umstrittenen Untersuchungsbericht und mehreren Gerichtsprozessen.

150 Todesfälle wären nicht nötig gewesen

Nun sollte Vogt also für Beruhigung sorgen. Doch statt auf eine funktionierende Abteilung traf er auf verfeindete Fronten und «Listen mit toten Patienten», wie er vor zwei Wochen vor Gericht gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, das USZ, aussagte. In den Wochen nach seinem Arbeitsbeginn habe er lange «Listen mit toten Patienten» durchgesehen, die ihn stutzig machten.

So hätten sich in den Jahren 2016 bis 2020 rund 150 Todesfälle in der Herzchirurgie ereignet, die nicht nötig gewesen wären. Vogt sprach vor Gericht von nicht zugelassenen Implantaten und von «unethischem und kriminellem Verhalten» unter der Ärzteschaft. Und weiter kritisierte er vor Gericht die Spitalleitung: Sie habe immer kommuniziert, die Patienten seien nicht gefährdet gewesen. Doch er hatte die USZ-Leitung mehrmals darauf hingewiesen, dass das nicht korrekt sei. Bereits drei Wochen nach seinem Amtsantritt hatte er das damals in einem E-Mail festgehalten.

«Vertrauen in USZ ist noch nicht wiederhergestellt»

Jetzt reagiert das Unispital auf die Vorwürfe von Vogt – und will reagieren. An einem Mediengespräch von Mittwoch liess die Universitätsleitung verlauten, dass sie eine externe Kommission mit unabhängigen juristischen Experten zusammenstellen wolle, welche die Todesfälle untersucht. «Medizinische Experten sollen darin auch vertreten sein, das ist unser klarer Wunsch», sagt Monika Jänike, CEO und Vorsitzende der Spitaldirektion. «Es werden jegliche Todesfälle von 2016 bis 2020 aufgearbeitet.»

André Zemp, Präsident des Spitalrats des USZ, sagt: «Die heutige Leitung hat damals noch nicht am USZ gearbeitet.» Man wolle jetzt die Vergangenheit aufarbeiten und in Zukunft besser hinsehen. «Wir haben festgestellt, dass es diese Untersuchung braucht, weil das Vertrauen in das Universitätsspital noch nicht wiederhergestellt ist.»

«Zahl wurde gegenüber der Gesundheitsdirektion relativiert»

Er gibt zu, dass festgestellt wurde, dass die Mortalität in der Herzchirurgie tatsächlich mindestens im Jahr 2016 erhöht war. Aber von 150 Todesfällen, die hätten verhindert werden können, will er nicht reden. Es sei ohnehin eine Hochrechnung. «Und Vogt hat die Zahl gegenüber der Gesundheitsdirektion ja selbst auch relativiert.» Offen bleibt, ob Vogt – sollte die unabhängige Untersuchung ihm am Ende nicht recht geben – vom USZ noch vor Gericht gezogen wird.

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