ZürichNach Facebook-Post stellt Polizei Rentner-Wohnung auf den Kopf
Nach einer Meldung des deutschen Bundeskriminalamts durchsuchte die Kantonspolizei Zürich eine Wohnung eines IV-Rentners. Dieser ärgert sich über die «Verschwendung von Steuergeldern».
Darum gehts
Das Bundeskriminalamt Deutschland informierte die Schweizer Behörden über einen ihrer Meinung nach rassistischen Facebook-Beitrag.
Die Zürcher Kantonspolizei führte anschliessend bei einem Schweizer IV-Rentner eine Hausdurchsuchung durch. Die Staatsanwaltschaft verurteilte ihn per Strafbefehl.
Der Mann legte erfolgreich Einspruch dagegen ein.
Im März 2023 teilte der Zürcher Andreas Sengl ein Bild eines Umspannwerks auf Facebook, zu dem stand: «Kletterspass für Flüchtlinge und Grüne. Viel Spass und bitte nicht drängeln, es kommen alle dran.» Laut dem deutschen Bundeskriminalamt beging Sengl mit dem Teilen des Bildes eine Straftat. Sie wirft ihm wegen des «Hasspostings auf Facebook» Volksverhetzung vor. Eine Strafe, die in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe bis drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft wird.
Nachdem das Bundeskriminalamt die Schweizer Behörden auf den Post aufmerksam gemacht hatte, reagierte die Kantonspolizei Zürich. Sie warf Sengl vor, öffentlich «zu Vergehen mit Gewalttätigkeit oder zu Verbrechen» aufzufordern. Drei Polizisten führten im September 2023 eine Hausdurchsuchung beim IV-Rentner durch. Im Oktober wurde er per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Zudem wurden ihm Verfahrenskosten von 800 Franken auferlegt.
Bist du noch auf Facebook?
«Verschwendung von Steuergeldern»
Die Staatsanwaltschaft schreibt im Strafbefehl, der 20 Minuten vorliegt, dass Sengl in Kauf nahm, dass die Aussagen zum Bild darauf ausgerichtet waren, Gewalttaten an den genannten Gruppierungen zu verüben. Sengl legte allerdings erfolgreich Einspruch ein: In der Anhörung mit dem Staatsanwalt konnte er diesen überzeugen, dass es sich um ein blosses Jux-Bildli handelt und er kein Interesse daran hatte, zu Gewalt aufzurufen. Das Verfahren wurde anschliessend eingestellt.
Gegenüber 20 Minuten sagt Sengl: «Was mich ärgert, ist der Aufwand. Morgens um sieben Uhr stehen drei Polizisten in Vollmontur vor meiner Wohnung und führen eine Hausdurchsuchung durch. Ausserdem nehmen sie mir den Computer, das Tablet meiner Tochter und das Handy weg. Eine Verschwendung von Steuergeldern.»
Geschmackloses Bild – aber nicht strafwürdig
Ex-SVP-Kantonsrat Claudio Schmid beriet Sengl bei seinem Einspruch. Wie die Zürcher Justiz reagiert habe, ärgere ihn, sagt Schmid. «Dass die Behörden wegen eines solchen Facebook-Beitrags gleich die Kavallerie schicken und eine Hausdurchsuchung anordnen, ist doch absurd.» Das Bild sei vielleicht geschmacklos gewesen, aber nicht strafwürdig. «Dass wir die Leute wegen so etwas einschüchtern, ist ein Skandal.»
Er habe gedacht, dass die Justizbehörden überlastet seien und mit den Fällen kaum mehr nachkämen, sagt Schmid. «Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass dem wohl nicht so ist.» Wohl habe man sich aufgrund der Meldung aus Deutschland derart ins Zeug gelegt.
Das sagt die Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft sei hier gesetzlich verpflichtet gewesen, die Vorwürfe zu untersuchen, weil es sich um ein Offizialdelikt handelt, sagt Erich Wenzinger, Sprecher der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft. Der Ursprung entsprechender Strafanzeigen spiele hierbei keine Rolle.
«Dass das Verfahren bei zunächst erlassenem Strafbefehl nach der Einsprache des Beschuldigten und durchgeführter staatsanwaltschaftlicher Einvernahme zu neuen Erkenntnissen führte und in der Folge eingestellt worden ist, ändert nichts an der gesetzlichen Verpflichtung, eine allfällige Strafbarkeit amtlich abzuklären», sagt Wenzinger. «Verfahrensgang und Resultat zeugen vielmehr von einem funktionierenden Rechtssystem.»
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