ZürichWo Süchtige ihren Rausch ausschlafen, spielen Kinder auf dem Spielplatz
In einem Stadtzürcher Park konsumieren Süchtige in nächster Nähe zu Kindern Crack und andere Drogen. 20 Minuten konnte mit einem von ihnen sprechen.
Drogen in der Bäckeranlage – darum gehts
In der Bäckeranlage konsumieren zahlreiche Personen Drogen wie Crack und Freebase.
Crack und Freebase gehören zu den am schnellsten abhängig machenden Substanzen.
Die Polizei hat ihre Patrouillentätigkeit erhöht.
Im Park stören sich zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner an den Abhängigen.
Der Stadt Zürich ist das Problem bekannt.
Kinder toben auf einem Spielplatz herum, neben ihnen liegen mehrere Personen reglos im Gras. Nur wenige Meter entfernt sitzt I.* auf einer Parkbank, neben ihm liegt eine Glaspfeife. «Die Zürcher Bäckeranlage ist seit etwa einem Jahr der Treffpunkt für Crack- und Basesüchtige.» Er zeigt auf die auf dem Boden schlafenden Personen. «Ihnen ist egal, ob gerade Schulkinder auf dem Spielplatz spielen oder im Brunnen planschen – es geht nur um den nächsten Hit.»
Auch I. ist süchtig nach Freebase – also nach Kokain, das mit Ammoniak chemisch verarbeitet wurde und eine stärkere Wirkung hat. «Aus Langeweile habe ich hier vor einigen Monaten zum ersten Mal Freebase geraucht – ich wurde sofort abhängig.» Seither rauche er mehrmals täglich. Nach fünf bis zehn Minuten sei der Rausch jeweils vorbei, das Verlangen nach dem nächsten High komme aber sofort wieder. «Es ist ein Teufelskreis. Ich will gar nicht basen, aber ich muss.»
Wegen der Drogen sei I. schon mehrmals im Gefängnis gewesen. Dies halte ihn jedoch nicht vom Konsum ab. Wenn ihm die Polizei das Zeug wegnehme, schrecke er auch vor Diebstahl nicht zurück. «Ich brauche meinen Stoff, irgendwie muss ich mir das finanzieren.»
Vor zehn Jahren sei er aus Eritrea in die Schweiz geflüchtet, sagt I. Seither schlage er sich durch. Szenen wie in der Bäckeranlage seien ihm zuvor fremd gewesen: «Ich habe wirklich Übles mitgemacht, aber so viele Schlägereien und gewalttätige Auseinandersetzungen wie hier habe ich noch nie erlebt.» Über den Drogenkonsum im Park berichtete bereits die NZZ.
«Überall wird gedealt»
Hansjürg Frischknecht – auch Frischi genannt – ist ein Kreis-4-Original. Auch er empfindet die Situation als «unerträglich»: «In der Umgebung der Bäckeranlage wird überall gedealt – und nicht nur Crack oder Base. In meiner Wohnsiedlung liegen sehr oft Spritzen rum. Viele Leute haben Angst.»
So etwa die Kolleginnen I.H. und O.Z. Sie wohnen seit dreissig Jahren bei der «Bäcki» und laufen oft mit ihren Hunden durch den Park. «Als Frau ist es hier aktuell eine Katastrophe, in den hinteren Teil des Parks wage ich mich gar nicht erst», sagt H. «Die Süchtigen sind aggressiv, hinterlassen viel Dreck und Abfall und rauchen auch beim Kinderbecken Crack.» Z. pflichtet ihr bei: «Wenn ich jünger wäre, würde ich hier wegziehen.»
Ihr Enkel gehe gleich in der Nähe in die Primarschule, erst vor den Sommerferien hatte die ganze Familie einen Schockmoment: «Auf dem Schulhausareal hat er sich mit einer herumliegenden Spritze gepikst und musste dann ins Spital zur Untersuchung.» Zum Glück sei alles okay gewesen, sagt Z. Dass auf dem Schulhausareal bereits Spritzen gefunden wurden, bestätigt Katrin Wüthrich, die Präsidentin der zuständigen Kreisschulbehörde.
Spritzen auf dem Schulhausareal
Der vermehrte Drogenkonsum in der Bäckeranlage ist der Stadt Zürich bekannt. «Es findet laufend ein intensiver Austausch statt, damit sich die Situation wieder verbessert», sagt Heike Isselhorst vom Stadtzürcher Sozialdepartement. Einige Massnahmen seien bereits ergriffen worden. «So wurden die uniformierten und zivilen Polizeipatrouillen im Kreis 4 verstärkt, private Sicherheitsdienste sind bei den Schulhäusern präsent und Mitglieder von sip züri weisen Konsumierende im öffentlichen Raum auf das legale und geschützte Angebot der Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige (K&A) hin», sagt Isselhorst.
Die Massnahmen blieben beibehalten, bis sich die Lage im Kreis 4 wieder entspanne. «Durch die Massnahmen soll der offene Konsum von illegalen Substanzen stark eingedämmt werden, damit sich die Situation in naher Zukunft verbessert.»
Neue Anlaufstelle nötig
Der gehäufte Konsum in der Bäckeranlage habe verschiedene Ursachen. «Unter anderem hat dies vermutlich mit der Schliessung der K&A Kaserne im Herbst 2022 zu tun», sagt Isselhorst. Der dreissig Minuten entfernt gelegene Ersatzstandort in der Brunau sei «etwas ausserhalb des Lebenszentrums» der Klientinnen und Klienten.
Die teilweise Verlagerung der K&A-Klientel in den öffentlichen Raum führe auch zu anderen Problemen: Weil mehr Betroffene in der Öffentlichkeit konsumierten, verlege sich der Drogenhandel mit Kleinstmengen in den öffentlichen Raum, was dort zu einem erhöhten Angebot an illegalen Substanzen führe. «Damit sich längerfristig keine Drogenszene manifestiert, ist daher ein szenenaher Ersatz für die K&A Kaserne wichtig», sagt Isselhorst.
*Name der Redaktion bekannt.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Problem mit Suchtmitteln?
Hier findest du Hilfe:
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Feel-ok, Informationen für Jugendliche
Infodrog, Information und Substanzwarnungen
Anonyme Alkoholiker, Tel. 0848 848 885
Stopsmoking.ch, Tel. 0848 000 181
Vergiftungsnotfälle, Tel. 145
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