«Zunahme von Kindern, die kein Deutsch können»

Aktualisiert

Kindergarten«Zunahme von Kindern, die kein Deutsch können»

Immer mehr Kinder kommen in den Kindergarten ohne genügende Sprachkenntnisse. Dadurch haben sie später erhebliche Nachteile in der Schule.

Sasa Vidic
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Sasa Vidic
Je nach Kanton sieht die Lösung anders aus, wie fremdsprachige Kinder im Vorschulalter Deutsch lernen können: Kindergärtler beim Spielen. (Archivbild)
Der Volksschulunterricht soll unentgeltlich sein, schreibt die Verfassung vor.
Das will der Kanton Thurgau nun mit einer Standesinitiative ändern.
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Je nach Kanton sieht die Lösung anders aus, wie fremdsprachige Kinder im Vorschulalter Deutsch lernen können: Kindergärtler beim Spielen. (Archivbild)

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Das Thurgauer Kantonsparlament hat den Regierungsrat mit einer Standesinitiative beauftragt: Eltern sollen für den Deutschunterricht der Kinder oder für Übersetzer bei Elterngesprächen zukünftig bezahlen müssen. Dies berichtet der «Tages-Anzeiger» am Dienstag.

«Ein Drittel der Kinder kann nicht genug gut Deutsch, um dem Unterricht zu folgen. Diese Kinder haben erhebliche Nachteile, wenn sie in die Volksschule kommen», sagt Andreas Wirth, Schulpräsident der Primar- und Sekundarschulgemeinde Frauenfeld und SVP-Kantonsrat.

Nicht nur in Frauenfeld ist das Problem bekannt. Auch in Basel oder Chur hat man Massnahmen ergriffen, um die Zahl von Kindern einzudämmen, die ohne Deutschkenntnisse in die Volksschule kommen. Aber nicht alle Parteien halten eine Verfassungsänderung für angebracht.

Frühe Sprachförderung ist für die Bildung zentral

Zwar spreche weiterhin die Mehrheit in den Klassen Deutsch oder sogar Schweizerdeutsch, dies ist jedoch stark abhängig von der jeweiligen Schulgemeinde: «In manchen Quartieren ist die Situation prekär», bestätigt Nicole Gfeller, Lehrerin in einem Kindergarten in Frauenfeld. «In den letzten fünf Jahren gab es eine steigende Tendenz von Kindern, die kein Deutsch können.» In Frauenfeld würden viele Portugiesen leben. Das Problem beschränke sich aber nicht auf eine bestimmte Volksgruppe, sagt Gfeller.

«Ich hatte auch schon ein Kind, das gar keine Deutschkenntnisse hatte, obwohl der Vater perfekt Schweizerdeutsch spricht», erzählt Gfeller. Es sei in solchen Situationen schwer nachzuvollziehen, wieso das Kind die Sprache nicht kann.

«Manche Eltern denken, ihr Kind werde im Kindergarten dann

schon genug gut Deutsch lernen», so Gfeller weiter. Dies sei jedoch oftmals nicht der Fall und den Schaden müssten dann die Kinder tragen: «Es zieht sich oft weiter. Kinder, die im Kindergarten über ungenügende Sprachkenntnis verfügen, haben in der Regel Schwierigkeiten mit dem Verständnis in der Primarschule.» Deswegen sei eine frühe Sprachförderung für die Bildung der Kinder zentral.

Die Verantwortung liegt bei den Eltern

Dabei gibt es schon verschiedene Angebote für die frühe Sprachförderung und diese werden laufend erweitert. «Manche Eltern fühlen sich einfach nicht angesprochen und denken, dass ihr Kind keine Sprachförderung braucht», so Gfeller.

Dies führe dann zu einem Mehraufwand beim Lehrpersonal: «Man muss mehr visuell arbeiten, um sich mit den Kindern zu verständigen und wenn der Fremdsprachenanteil hoch ist, ist die Unterrichtssprache Hochdeutsch», so die Lehrerin weiter. «Es ist schwer zu merken, was das Kind braucht oder was ihm fehlt. Das ist schon eine erschwerte Situation.» Diese Kinder bräuchten mehr Ressourcen, die leider nicht immer zur Verfügung stünden.

«Es wäre wünschenswert, dass vor allem Kinder, die mit einer anderen Muttersprache aufwachsen, eine deutschsprachige Kita besuchen oder in eine Sprachspielgruppe gehen und nicht nur in eigenen Kulturkreisen bleiben», meint Gfeller. «Sie brauchen den Kontakt mit der deutschen Sprache.»

Ob es dafür eine Verfassungsänderung braucht, kann Nicole Gfeller nicht einschätzen. Vorerst sei es wichtig, die Eltern auf das Thema aufmerksam zu machen.

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