ZwangsausschaffungenSVP-Nationalrat fordert Tranquilizer-Einsatz
Nationalrat Benjamin Fischer (SVP) will die Zwangsmedikation bei Ausschaffungen legalisieren. Der Bund und Amnesty International sind sich allerdings einig, dass dies gegen die Menschenrechte verstösst.
Darum gehts
Nationalrat Benjamin Fischer (SVP) fordert die Legalisierung von Beruhigungsmitteln bei Zwangsausschaffungen.
Der Bund und Amnesty International sehen darin einen Verstoss gegen die Menschenrechte.
Fischer argumentiert, dass Beruhigungsmittel Rückführungen erleichtern könnten.
Das Staatssekretariat für Migration hält Fesseln für ausreichend, um Ausschaffungen sicherzustellen.
In der letzten Session fanden verschiedene Verschärfungen des Asylrechts eine Mehrheit. Zudem befinden sich zig weitere Vorstösse in der Pipeline. Darunter sticht jener von Nationalrat Benjamin Fischer (SVP) besonders hervor.
Er fordert in einer parlamentarischen Initiative, die am Donnerstag in die staatspolitische Kommission kommt, dass «Tranquilizer» künftig ein legales Hilfsmittel bei Ausschaffungen sein sollen. Der Einsatz von Beruhigungsmitteln sei «eine der wirkungsvollsten und für alle Beteiligten einfachsten Methoden».

Für eine glaubhafte Asylpolitik sei ein «konsequenter Vollzug» zentral, argumentiert SVP-Nationalrat Benjamin Fischer.
Jonathan LabuschLaut Fischer geht es darum, zu verhindern, dass Rückführungen nicht durchgeführt werden können, weil Betroffene «physischen Widerstand» leisten. Für eine glaubhafte Asylpolitik sei ein «konsequenter Vollzug» zentral. Die meisten abgewiesenen Asylsuchenden verlassen die Schweiz nicht freiwillig.
Von insgesamt 7205 Personen wurden 2024 zwei Drittel gegen ihren Willen ausgeschafft. Das zwangsweise Verabreichen von Beruhigungsmitteln ist dabei nur erlaubt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt. Sprich, wenn ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder Dritte gefährdet werden können.
Der Bund sagt: «Fesseln genügen»
Fischer verweist darauf, dass in der Vergangenheit in Einzelfällen und trotz Verbot dennoch «Tranquilizer» gespritzt wurden. Tatsächlich kritisierte die Anti-Folter-Kommission der Schweiz in ihrem Bericht von 2013, dass es bei Ausschaffungsflügen in vier Fällen zum Einsatz von Beruhigungsmitteln gegen den Willen der Betroffenen kam. Seither wurden weitere solche Fälle publik.

Das Staatssekretariat für Migration um Direktor Vincenzo Mascioli stellt klar: «Insbesondere bei Sonderflügen musste in den letzten Jahren nie ein Flug wegen des renitenten Verhaltens einer Person abgebrochen werden.»
20min/Matthias SpicherDas Staatssekretariat für Migration (SEM) sagt auf Anfrage: «Uns sind keine Einzelfälle bekannt, in welchen Beruhigungsmittel einzig aufgrund renitenten Verhaltens eingesetzt wurden», so Sprecher Reto Kormann. Man führe hierzu keine Statistiken. Die von Gesetz vorgesehenen Mittel wie Hand- oder Fussfesseln reichen laut Kormann aus, um eine Rückführung sicherzustellen: «Insbesondere bei Sonderflügen musste in den letzten Jahren nie ein Flug wegen des renitenten Verhaltens einer Person abgebrochen werden.»
Amnesty: «Verstoss gegen Menschenrechte»
Amnesty International setzt sich weltweit für die Einhaltung von Menschenrechten ein. Auf Anfrage bezeichnet Sprecher Beat Gerber die Initiative von Benjamin Fischer als problematisch: «Es besteht die Gefahr, dass der Einsatz von Arzneimitteln als Mittel zur Kontrolle missbraucht wird.» Es besteht laut Amnesty ein Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Konkret verletzte eine Zwangsmedikation ohne medizinische Notwendigkeit das Folterverbot und die körperliche Unversehrtheit.

Beat Gerber, Mediensprecher bei Amnesty International, sagt: «Es besteht die Gefahr, dass der Einsatz von Arzneimitteln als Mittel zur Kontrolle missbraucht wird.»
AI / Amnesty InternationalGerber verweist auf einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2011. In Belgien wurde der spätere Kläger mit Medikamenten ruhiggestellt, weil er sich weigerte, das Flugzeug zu betreten. Der EGMR urteilte, dass es sich um eine schwerwiegende Verletzung der körperlichen Integrität handelt. Auch das SEM spricht auf Anfrage von einem Widerspruch zur Verfassung sowie zu europäischem und internationalem Recht.
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Ob die parlamentarische Initiative von Benjamin Fischer in der Kommission eine Mehrheit findet, ist fraglich. Bisher haben nur Mitglieder der SVP-Fraktion mitunterzeichnet.
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