Schweizer Film «Heldin»: Pflegefachfrauen beurteilen den Film

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Zwei PflegefachfrauenEllen und Leandra schauen «Heldin»: «Musste mehrfach weinen»

Der Film «Heldin» zeigt den harten Alltag einer Pflegekraft und sorgt für volle Kinosäle. Doch wie realistisch ist das Bild? Zwei Pflegefachfrauen erzählen, welche Szenen ihnen in Erinnerung geblieben sind und wieso.

Der Schweizer Kinofilm «Heldin» zeigt die Pflegefachfrau Flora, die während einer Spätschicht an ihre Grenzen gerät.
Die Pflegefachfrau Ellen T. erkannte im Film oft Situationen aus ihrem eigenen Alltag und stuft ihn als sehr realistisch ein.
Der Film rührte Leandra K. sogar zu Tränen, da er so realitätsnah ist.
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Der Schweizer Kinofilm «Heldin» zeigt die Pflegefachfrau Flora, die während einer Spätschicht an ihre Grenzen gerät.

Filmcoopi Zürich AG

Darum gehts

  • Der Schweizer Film «Heldin» zeigt den stressigen Alltag einer Pflegefachfrau und zieht viele Zuschauer in die Kinos.

  • Die Pflegefachfrauen Ellen T. und Leandra K. empfinden den Film als sehr realistisch und erkennen viele Szenen aus ihrem Berufsalltag wieder.

  • Der Film könnte laut den Pflegefachfrauen sowohl abschreckend als auch inspirierend wirken und soll ein Weckruf sein, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Floria Lind rennt durch die Krankenhausgänge. Eine Patientin braucht dringend Schmerzmittel, die nächste will unbedingt nach Hause, ein anderer klingelt ununterbrochen. Floria gerät an ihre Grenzen. Der Schweizer Film «Heldin» zeigt die Herausforderungen einer Pflegefachfrau während einer Spätschicht – und stürmt damit die Schweizer Kinocharts. Doch wie realistisch ist der Film tatsächlich?

«Komm, lass mich dir helfen»

Erst gerade letzte Woche hat Ellen T. sich den Film im Kino angesehen. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Ellen in der Pflege – aktuell als Teamleiterin bei der Spitex. Als sie im Kino der überforderten Floria zusah, erinnerte sie sich oft an ihren eigenen Arbeitsalltag: «Ich hatte immer wieder das Bedürfnis, aufzustehen und zu sagen: ‹Komm, lass mich dir helfen.›»

Im Film «Heldin» begleitet das Publikum die Pflegefachfrau Floria während ihrer Nachtschicht in einem Krankenhaus.

Im Film «Heldin» begleitet das Publikum die Pflegefachfrau Floria während ihrer Nachtschicht in einem Krankenhaus.

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Der Film rührte Leandra K. sogar mehrmals zu Tränen. Obwohl die Pflegefachfrau momentan nicht mehr am Bett arbeitet, erinnern die Szenen an ihre eigenen Schichten im Notfall. Er zeige den Pflegeberuf so realistisch, wie es kein anderer Film oder Serie je hinbekommen habe. «Ich fühlte mich gesehen und verstanden», sagt sie.

Einige Szenen sind Ellen und Leandra besonders in Erinnerung geblieben:

Szene: Floria schiebt einen voll beladenen Medikamentenwagen mit sich herum, dessen Inhalt sie an die Patienten verteilen muss.
Ellen: «Als ich diesen Wagen sah, wusste ich genau, wie viel Arbeit Floria noch vor sich hatte. Pflegefachkräfte erkennen sich in solchen Szenen definitiv wieder.»

Szene: Eine Ärztin verlässt das Krankenhaus, obwohl ein Patient noch auf seine Diagnose wartet. Floria konfrontiert die Ärztin, bleibt aber mit dem Patienten zurück.
Leandra: «In dieser Situation war ich auch schon mehrmals. Als Pflegekraft darf man keine Diagnose mitteilen, obwohl man sie weiss. Man schweigt dann gegenüber dem Patienten und fühlt sich machtlos.»

«Der Film zeigt die enorme Verantwortung in diesem Beruf», sagt die Pflegefachfrau Leandra K.

«Der Film zeigt die enorme Verantwortung in diesem Beruf», sagt die Pflegefachfrau Leandra K.

Privat

Szene: Floria wirft die Uhr eines Patienten aus Wut aus dem Fenster.
Ellen: «Diese Szene ist unrealistisch – auch wenn man in solchen Situationen schon mal den Wunsch verspürt, so etwas zu tun. Schlussendlich ist es aber ein Spielfilm, der eine 9-Stunden-Schicht innerhalb von eineinhalb Stunden zeigt, und keine Doku.»

Szene: Floria verwechselt aus Versehen zwei Medikamente und verabreicht einem Patienten das falsche.
Leandra: «Als ich das sah, wurde mir wieder bewusst, wie schnell so ein Fehler passieren kann. Es zeigt die enorme Verantwortung in diesem Beruf. Das macht Stolz, kann aber auch belasten.»

«Dieser Kompromiss zulasten der eigenen Freizeit und zum Wohle der Patienten gehöre für sie als Teamleiterin zum Job dazu», sagt die Pflegefachfrau Ellen T.

«Dieser Kompromiss zulasten der eigenen Freizeit und zum Wohle der Patienten gehöre für sie als Teamleiterin zum Job dazu», sagt die Pflegefachfrau Ellen T.

Privat

Szene: Eine Kollegin von Floria meldet sich krank und fällt aus. Die Arbeit bleibt an Floria, ihrer Kollegin und einer Auszubildenden hängen.
Ellen: «Wenn sich bei uns jemand krankmeldet, frage ich, ob jemand einspringen kann. Falls nicht, ändere ich meine Schichten, dass es irgendwie aufgeht. Dieser Kompromiss zulasten der eigenen Freizeit und zum Wohle der Patienten gehöre für sie als Teamleiterin zum Job dazu.»

Abschreckend oder inspirierend

Die «Schattenseiten» des Pflegeberufs werden im Film nicht schöngeredet. Trotz der Anstrengungen von Floria kommt im Film jeder Patient zu kurz. Auch dieses Gefühl ist Ellen nicht fremd: «Gerade den Bewohnenden in der Langzeitpflege täte es gut, wenn wir sie zum Spazierengehen begleiten würden – aber wer zahlt das? Jede einzelne Leistung muss abgerechnet werden und so wird auf die Pflege des Körpers fokussiert und die Pflege der Seele und des Geistes vernachlässigt.»

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Und welche Wirkung könnte der Film auf die Zuschauer haben? «Ich denke, der Film wirkt entweder abschreckend – oder inspirierend», meint Ellen. Leandra fügt hinzu: «Ich hoffe, dass die starken Bilder des Films auch ein Weckruf für die Politik sind, an der Verbesserung des Pflegeberufs weiter zu arbeiten.»

Hast du den Schweizer Kinofilm «Heldin» schon gesehen?

Als Floria gegen Ende ihrer Schicht gefragt wird, ob sie am nächsten Tag wiederkäme, bestätigt sie dies ohne zu zögern. «Ich würde auch jederzeit wieder am Patienten arbeiten. Dass es Missstände gibt, ist klar, aber ich glaube, dass für viele der Berufsstolz überwiegt», sagt Leandra.

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