Schweiz«Je tiefer die Schulstufe, desto häufiger kommt physische Gewalt vor»
Viele Lehrpersonen in der Schweiz sind laut einer neuen Studie häufig Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgeliefert. Der Lehrerverband fordert Massnahmen.
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Pressekonferenz beendet
Die Medienkonferenz ist beendet.
Anstieg der Gewalt nicht bekannt
«Die Schule muss ein gewalt- und angstfreier Raum für alle dort lernenden, lehrenden und teilhabenden Personen sein», sagt Schwendimann. Die Ergebnisse seien besorgniserregend. «Gewalt kann jede Lehrperson und jede Schule treffen. Es lohnt sich daher, das Thema präventiv und systematisch anzugehen.»
Über einen Anstieg der Gewalt gegenüber Lehrpersonen könne man nichts sagen, da es sich um die erste Studie in dieser Form handelt. Man wolle die Studie aber in fünf Jahren wiederholen.
«Müssen ernst genommen werden»
«Es geht nicht darum, zu bagatellisieren, aber auch nicht zu dramatisieren», sagt Rösler. «Lehrpersonen, die Gewalt erfahren, müssen ernst genommen werden. Unnötige Abgänge aus dem Lehrerberuf wollen wir mit diesen Forderungen vermeiden.»
Mobbing durch Kollegen
Gewalt durch Kollegen komme deutlich seltener vor. Etwa 15 Prozent der Lehrpersonen haben laut Brägger Formen der Gewalt durch Kollegen erlebt. Häufig handle es sich um Mobbing. Mobbing durch Arbeitskollegen oder Vorgesetzte seien besonders belastend und können Schulhauswechsel, Kündigungen oder gar die Aufgabe des Berufs zur Folge haben.
«Rund 43 Prozent der Lehrpersonen waren nach einem Gewaltvorfall lange Zeit mental und emotional belastet und fühlten sich allein gelassen. Rund 75 Prozent der betroffenen Lehrpersonen schätzten hingegen die Unterstützung durch die Schulleitung als ausreichend ein», sagt Brägger.
Zahlen und Fakten
Die vier häufigsten Aggressoren sind in …
• 36 Prozent der Fälle Erziehungsberechtigte
• 34 Prozent der Fälle Schülerinnen und Schüler der eigenen Klasse
• 15 Prozent der Fälle andere Lehrpersonen
• 11 Prozent der Fälle die Schulleitung
«Jeder Fall ist einer zu viel»
Für den LCH ist klar: «Jeder Fall von Aggressivität ist einer zu viel.» Der LCH anerkennt die bisher erbrachten Unterstützungsleistungen. Die Resultate der Studie zeigen aber weiteren Handlungsbedarf auf.
Der LCH fordert alle Akteure im Bildungsbereich auf, eine klare Haltung gegen jede Form von Gewalt einzunehmen, eine konstruktive Debatte über Ursachen und Folgen von Gewalt gegen Lehrpersonen zu führen sowie entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um Lehrpersonen besser zu schützen und ausreichend zu unterstützen.
Forderungen
Der Lehrerverband fordert:
Die Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle
Interventions- und Krisenkonzepte an jeder Schule
Schulleitungen, Anstellungsbehörden und Teams müssen die Fakten anerkennen und nicht bagatellisieren
Schulen sollen Zeit und Energie in eine gewaltfreie Schulkultur investieren
Aus- und Weiterbildungsangebote
Eine statistische Begleitung und Evaluation der Konfliktbewältigungs- und Unterstützungsmassnahmen
Gewalt durch Schüler
Etwa 34 Prozent haben Gewalt durch Schülerinnen und Schüler aus der eigenen Klasse erlebt. Hier seien mündliche Beleidigungen oder Bedrohungen am häufigsten. «Je tiefer die Schulstufe, desto häufiger kommt physische Gewalt vor», sagt Brägger. Es handle sich häufig um verhaltensauffällige oder jüngere Kinder. Ab den Sekundarstufen 1 und 2 komme es fast nicht mehr vor.
Vorfall mit Eltern
Rund 36 Prozent der Lehrpersonen hätten mindestens einen Vorfall mit Erziehungsberechtigten erlebt. «Meist handelt es sich dabei um mündliche oder schriftliche Drohungen oder Beleidigungen. Oft geht es darum, dass die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten ihre Kinder ungerecht behandelt oder zu wenig gefördert sehen», so Brägger. Diskussionen bezüglich Corona-Massnahmen hätten eine eher untergeordnete Rolle gespielt.
Psychische Gewalt
Laut Brägger haben zwei von drei Lehrpersonen in den letzten fünf Jahren Gewalt erlebt: «Das sind rund 65'000 Lehrpersonen, die betroffen sind», so Brägger. Körperverletzung, sexualisierte Gewalt oder Gewalt mit Waffen seien extrem selten. Grössenteils handle es sich um psychische Gewalt.
Auch physische Gewalt, die ohne Verletzte endete, kam vor. Trotzdem dürfe das nicht bagatellisiert werden. «Betroffene haben sich eine Auszeit nehmen müssen oder einen Schulwechsel durchgeführt. Es gab sogar Betroffene, die sich überlegt haben, den Lehrberuf aufzugeben», sagt Brägger.
Lehrpersonen befragt
«Es ist das erste Mal, dass eine so grosse Studie in der Deutschschweiz durchgeführt wurde», sagt Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle. Er übergibt das Wort an die Studienleiterin Martina Brägger. «Wir haben dafür eine quantitative Befragung durchgeführt. Dabei gaben Lehrpersonen an, welche Formen der Gewalt sie in den letzten fünf Jahren erlebt haben», erklärt Brägger.
Medienkonferenz beginnt
«Uns ist es wichtig, dass die Schule ein gewaltfreier Raum bleibt», eröffnet Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin, die Medienkonferenz.
Medienkonferenz
Zwei von drei Lehrpersonen haben in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt. Dies zeigt eine neue Studie des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH. Sie basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter Lehrpersonen aller Stufen der Deutschschweiz.
Wie die Ergebnisse zeigen, sind die Lehrpersonen am häufigsten psychischer Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder Einschüchterungen ausgeliefert. Grösstenteils gehen diese gemäss LCH von Erziehungsberechtigten aus. Aber auch Schülerinnen und Schüler üben Druck aus.
Der LCH fordert präventive Massnahmen und eine bessere Unterstützung betroffener Lehrpersonen. Am Montag um zehn Uhr informiert der Lehrerverband an einer Medienkonferenz in Zürich zum Thema. An der Pressekonferenz teilnehmen werden:
Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin
Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle
Studienleiterin Martina Brägger, Studienleiterin