Wahlen 2019Werden Benziner von Strassen verbannt?
Ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren, höhere Benzinpreise und eine Abgabe auf Flugtickets. Eine Analyse zeigt, wie die Nationalratskandidaten wirklich ticken.
Haben Verbrennungsmotoren auf europäischen Strassen bald ausgedient? Mehrere Länder haben sich inzwischen zum Ziel gesetzt, nur noch abgasfreie Autos zu verkaufen. In Norwegen gilt ein entsprechendes Verbrennerverbot bereits ab 2025, Island, Dänemark, Schweden, Irland und Holland wollen 2030 nachziehen. Ab dann sollen Diesel und Benziner auch in Deutschland verboten werden, fordern die Grünen.
In der Schweiz wird ein entsprechendes Verbot ebenso diskutiert: Etwa in Basel sollen Benzin- und Dieselmotoren bis 2050 aus der Stadt verschwinden – so zumindest der Vorschlag der Verkehrskommission. Auf nationaler Ebene ist eine entsprechende Regel umstritten. Das zeigt eine exklusive Auswertung der Politikplattform Vimentis für 20 Minuten. Diese hat die Antworten von 2750 Nationalratskandidaten zu diversen politischen Streitfragen untersucht.
Fast alle Grüne sind dafür
Das Resultat: 61 Prozent der Kandidaten sind dafür, dass ab dem Jahr 2030 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zum Verkauf zugelassen werden. Bei den linken Parteivertretern ist die Zustimmung überwältigend: Bei den Grünen sind es 97 Prozent, bei den Kandidaten der SP und GLP je 91 Prozent, die Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2030 verbieten wollen. Im Gegensatz dazu sind es bei der CVP (44%), FDP (22%) und bei der SVP (5%) deutlich weniger, die einem Verbot zustimmen würden.
Verzichten fürs Klima
Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli forderte bereits 2017 eine Zulassungsbeschränkung ab 2025 für Autos, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden. Im Juni 2019 reichte er eine neue Motion mit Zeithorizont 2030 ein. Er zeigt sich erfreut, dass eine Mehrheit der Nationalratskandidierenden seinem Anliegen zustimmt. Trotzdem zeigt er sich kritisch: «Gewisse Parteien haben für den Wahlkampf das Parteiprogramm grün angemalt. Vor konkreten Massnahmen schrecken sie aber aus Angst vor negativen Reaktionen ihrer Wähler zurück», sagt Glättli.
Dabei sei die Forderung ein Kompromiss: Nur Neuwagen sind vom Verbot betroffen, vorher verkaufte Autos wären von keinen Einschränkungen betroffen. Wer sich wie die Schweiz zur Umsetzung der Pariser Klimaziele verpflichtet hat, sei geradezu gezwungen, die Zulassung neuer Verbrennungsmotoren einzuschränken. Glättli: «Wenn wir das Klima nicht kaputtmachen wollen, müssen wir auf fossile Antriebe irgendwann vom Markt ausschliessen.» Ob die Alternative dazu elektro- oder wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind oder ob sie mit einer neuen Technologie angetrieben werden, werde der Markt entscheiden.
Leitplanken statt Verbote
SVP-Nationalrat Walter Wobmann widerspricht: «Der Beweis, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor tatsächlich derart umweltschädlicher sind als alle anderen, ist noch gar nicht endgültig erbracht.» Im technologischen Bereich würden rasante Fortschritte erzielt. Wobmann: «Es könnte auch sein, dass synthetisch produzierter, CO2-neutraler Treibstoff viel umweltfreundlicher ist als die Elektro- oder Wasserstoffalternative.» Der Staat müsse Leitplanken geben, nicht Innovationen verhindern. Ein Verbot sei daher nicht zielführend. Die beste Technologie wird langfristig gewinnen, sagt Wobmann. «Darum werde ich den Vorschlag bis aufs Letzte bekämpfen.»
Obwohl mit 61 Prozent eine Mehrheit der Nationalratskandidaten für ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ist, werde es im Parlament schwierig, dafür Mehrheiten zu finden, sagt Politologe Marc Bühlmann. Entscheidend sei, ob die Grünen bei den Wahlen zusätzliche Leute mobilisieren können, die normalerweise nicht wählen gehen (siehe Box). Interessant sei, dass sich 52 Prozent der BDP- und 44 Prozent der FDP-Kandidaten für ein Verbot aussprechen, sagt Bühlmann. «In der Mitte findet offenbar ein Umdenken statt.»
Diese Umweltpolitik machen die Parteien

Umweltthemen spielen bei diesen Wahlen eine wichtige Rolle – aber vor allem, weil die Thematik Leute mobilisiert, die normalerweise nicht wählen gehen, sagt Politologe Marc Bühlmann. Am 20. Oktober wird sich zeigen, ob es den Grünen gelungen ist, den Schwung der letzten Monate mitzunehmen und die Leute zur Urne zu bringen. Der Aktualität der Klimathematik könne sich aber kaum eine Partei entziehen. «Auf die eine oder andere Art muss jeder Kandidat Position beziehen», sagt Bühlmann.
CO2-Abgabe auf Treibstoffe
Soll Benzin und Diesel teurer werden? Neben fossilen Brennstoffen sollen neu auch Treibstoffe mit einer Lenkungsabgabe besteuert werden. Die Einnahmen sollen gleichmässig an die Bevölkerung beziehungsweise an Unternehmen zurückverteilt werden. Der Nationalrat hatte im Dezember 2018 eine solche Abgabe von acht Rappen pro Liter noch abgelehnt. In der Auswertung durch Vimentis zeigt sich, dass sich Kandidierende der linken sowie Mitte-Parteien für eine Ausweitung der CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffe aussprechen.
Abgabe auf Flugtickets

Noch im Dezember 2018 hatte der Nationalrat eine CO2-Abgabe auf Flugtickets abgelehnt. Seither hat der Wind in der Klimapolitik gedreht. Am Donnerstag stimmte die grosse Kammer nun einer Motion zu, die die Einführung einer Flugticketabgabe fordert. Die Umweltkommission des Ständerats schlägt eine Abgabe zwischen 30 und 120 Franken vor – je nach Reisedistanz und Klasse.
Auch fast alle der Nationalratskandidaten der Linken und Mitte sprechen klar für eine Abgabe aus: Bei den Grünen (99%), der GLP (98%) und SP (96%) ist die Zustimmung bei den Kandidierenden sehr gross. Auch bei der CVP (81%) und der FDP (65%) befürwortet ein grosser Teil eine entsprechende Gebühr. Das Anliegen findet nur bei den SVP-Kandidaten keine Mehrheit: 87 Prozent sprechen sich gegen eine Abgabe aus.
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