KomplementärmedizinDie Kassen bezahlen wieder Chügeli
Der Bundesrat krebst bei der alternativen Medizin zurück. Die Krankenkassen müssen die Kosten von fünf Behandlungsmethoden wieder übernehmen, die zuvor gestrichen wurden.
Die anthroposophische Medizin, die Homöopathie, die Neuraltherapie, die Phytotherapie und die traditionelle chinesische Medizin werden ab 2012 wieder von den Krankenkassen vergütet - zumindest bis 2017. Bis dahin sollen die umstrittenen Alternativmethoden neu evaluiert werden.
Gesundheitsminister Didier Burkhalter trägt mit seinem Entscheid dem starken Rückhalt der Komplementärmedizin in der Bevölkerung Rechnung. Das Stimmvolk hatte 2009 mit deutlichem Mehr einen Verfassungsartikel gutgeheissen, der eine bessere Berücksichtigung der Komplementärmedizin verlangt.
Ungleichbehandlung vermeiden
Die blosse Wiederaufnahme der fünf Methoden in den Leistungskatalog war aber für Burkhalter keine Option. Dies hätte zu einer «unvertretbaren Ungleichbehandlung» gegenüber anderen Methoden geführt, sagte er am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Zudem fehle bis heute der Nachweis, dass die 2005 von seinem Vorgänger Pascal Couchepin aus der Grundversicherung gekippten fünf Methoden die gesetzlichen Kriterien der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllten.
Das Gesetz gebe aber die Möglichkeit, Behandlungen mit umstrittenen Methoden über die Grundversicherung zu vergüten, solange deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) noch abgeklärt würden.
50 Millionen Kosten erwartet
Konkret wird das Eidg. Departement des Innern (EDI) nun die Leistungsverordnung zur obligatorischen Krankenversicherung anpassen und so den Weg frei machen, damit die Krankenkassen ab dem 1. Januar 2012 von Ärzten verschriebene komplementärmedizinische Behandlungen vergüten.
Burkhalter schätzt, dass über die Grundversicherung jährlich 50 Millionen Franken für alternative Behandlungsmethoden bezahlt werden müssen. Nicht klar sei, ob diese Kosten gleichzeitig zu Einsparungen bei anderen Behandlungsmethoden führen.
Komplementärmedizin auf dem Prüfstand
Burkhalter verlangt von den Vertretern der alternativen Behandlungsmethoden im Gegenzug das konkrete Engagement, die offenen Fragen zu klären. Sie sollen bis Ende 2015 eine von ihnen getragene Evaluation durchführen, inwiefern die WZW-Kriterien erfüllt werden. Parallel dazu wird das EDI eine international anerkannte - höchstwahrscheinlich ausländische - Institution beauftragen, ein unabhängiges Gutachten zu erstellen.
Bis 2016 soll dann die Eidg. Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen (ELGK) auf der Grundlage dieser beiden Evaluationen zuhanden des EDI eine neue Empfehlung abgeben, wie mit den alternativen Behandlungsmethoden nach 2017 umgegangen werden soll.
Die ELGK, die wegen ihrer kritischen Haltung gegenüber den alternativen Methoden von den interessierten Kreisen immer wieder kritisiert wurde, wird bis dahin umgebaut. Ändern will Burkhalter etwa, dass das Präsidium von einem Vertreter des Bundesamts für Gesundheit gestellt wird.
Verfassungsartikel umsetzen
Das EDI will zudem in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kreisen den offen formulierten Verfassungsartikel in weiteren Bereichen konkretisieren. So soll die Komplementärmedizin ins Studium der Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Chiropraktiker und Veterinärmediziner eingebaut werden.
Burkhalter räumte ein, es bestehe das Risiko, dass dieser Schritt wieder rückgängig gemacht werden müsse, falls das EDI zum Schluss gelange, die fünf alternativen Behandlungsmethoden erneut aus der Grundversicherung zu kippen.
Er widersprach Vorwürfen, wieder am selben Punkt zu stehen wie 1999, als die fünf Methoden ein erstes Mal provisorisch in den Leistungskatalog aufgenommen worden waren. Noch bestünden Wissenslücken, die nun mit dem geplanten Vorgehen gefüllt würden. (sda)
Machtkampf um alternativen Methoden
Um die Alternativmedizin tobt seit Jahren ein Kampf. Die Empfehlung, die Methoden nicht wieder in den Leistungskatalog aufzunehmen, hatte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK) auf den Plan gerufen. Es wurde der Verdacht geäussert, bei der Empfehlung der Eidgenössischen Leistungs- und Grundsatzkommission ELGK sei nicht alles mit rechten Dingen zu und her gegangen. Ende Januar soll bekannt werden, ob die GPK die ELGK untersuchen wird. Einige Parlamentarier kritisierten die «stark interessengebundene» Kommission.