«Ma, ich liebe dich»Die letzten Worte aus dem Cockpit vor dem Absturz
Stimmenrekorder sind enorm hilfreich bei der Suche nach den Ursachen von Flugzeugabstürzen, zeichnen sie doch bis zum schrecklichen Ende alles auf.
Seit Ende der 1960er-Jahre gehören Flugschreiber zur vorgeschriebenen Ausrüstung von Passagierflugzeugen. Umgangssprachlich Blackbox genannt, handelt es sich meist um zwei separate Geräte: Einen Flugdatenschreiber und einen Stimmenrekorder. Der Datenschreiber zeichnet wichtige Parameter wie die Flughöhe oder die Fluggeschwindigkeit auf. Der Stimmenrekorder (Cockpit Voice Recorder) nimmt Gespräche, Warntöne und Geräusche im Cockpit auf.
Nach einem Absturz ist die Bergung der Flugschreiber jeweils von höchster Wichtigkeit, helfen sie doch den Unfallexperten, die letzten Minuten eines Fluges zu rekonstruieren. Doch so aufschlussreich die letzten Gespräche vor dem Absturz auch sind, für die Ermittler sind sie schwere Kost.
Einige dieser letzten Worte hat der australische «Sydney Morning Herald» zusammengestellt. Die aufgezeichneten Gespräche zeugen von Panik, Verwirrung, aber manchmal auch einem Akzeptieren des Schicksals durch die Besatzung.
Absturz in den Atlantik
Im Juni 2009 starben 228 Passagiere und Besatzungsmitglieder, als ein Airbus A330 der Air France auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris in den Atlantik stürzte. Es dauerte fast zwei Jahre, bis die Flugschreiber geborgen werden konnten. Die Aufzeichnungen auf dem Stimmenrekorder zeigen das Chaos, das vor dem Absturz im Cockpit herrschte.
Der Kapitän hatte sich hingelegt und von den beiden Co-Piloten war der deutlich weniger erfahrene am Steuer. Er war mit der Situation – die Geschwindigkeitsmesser waren ausgefallen – überfordert. Der Kapitän kam erst kurz vor dem Crash zurück ins Cockpit.
Auf den Aufnahmen ist zu hören, wie der zweite Co-Pilot dem Kapitän zuruft: «Wir haben komplett die Kontrolle über das Flugzeug verloren und wir verstehen nicht, warum. Wir haben alles versucht!» Während im Cockpit eine Kakophonie von automatischen Alarmtönen und Warnsignalen herrscht, geht der Austausch zwischen den drei Männern noch einige Momente weiter. Schliesslich ist klar, dass ein Aufprall unvermeidlich ist.
Der jüngere Co-Pilot schreit: «Verdammt, wir stürzen ab, das kann nicht wahr sein! Was passiert hier gerade?» Dann hört man von seinem Kollegen: «Verdammt, wir sind tot.» Die letzten Worte kommen vom Kapitän: «Längsneigung 10 Grad …» Zwei Sekunden später schlug das Flugzeug auf.
Der erste Crash einer Boeing 737 Max 8
189 Menschen starben, als am 29. Oktober 2018 eine Boeing 737 Max 8 der Lion Air vor Indonesien in die Javasee stürzte. Flug JT 610 war der erste von zwei Abstürzen, die zum Grounding des neusten Boeing-Jets führten. Sechs Monate nach dem Crash wurden die Aufzeichnungen auf dem Stimmenrekorder öffentlich gemacht.
Demnach forderte der Kapitän wenige Minuten vor dem Absturz den Ersten Offizier auf, im Handbuch des Flugzeuges die Checkliste für abnormale Ereignisse zu konsultieren. Er selber war zu diesem Zeitpunkt am Steuer der Unglücksmaschine. Mehrere Minuten lang versuchten sie danach – auf ruhige Art, wie der Stimmenrekorder verrät – herauszufinden, weshalb der Jet mehrere steile, unregelmässige Sinkflüge durchführte.
Es gelang ihnen nicht mehr, die Maschine unter Kontrolle zu bringen. In den Sekunden vor dem Aufprall ist vom indischen Piloten nichts mehr zu hören. Der indonesische Erste Offizier ruft zuletzt «Allahu akbar», Gott ist am grössten.
Kollision mit einer Cessna
Dramatisch sind auch die letzten Worte im Cockpit von Pacific Southwest Airlines (PSA) Flug 182, der am 25. September 1978 in San Diego abstürzte. Die Boeing 727 befand sich im Landeanflug, als sie mit einer Cessna zusammenstiess. Beim Crash starben 135 Menschen an Bord des Jets, zwei an Bord des Kleinflugzeugs und sieben am Boden.
Die Auswertung des Stimmenrekorders ergab, dass die Besatzung der Boeing die Cessna aus dem Blick verloren hatte, was sie dem Tower in San Diego aber nicht mitteilte. Die Crew der Boeing setzte den Landeanflug fort, worauf es zur Kollision mit der voranfliegenden Cessna kam.
Laut dem Stimmenrekorder fragt der Pilot nach dem Zusammenstoss: «Was haben wir hier?» Die Antwort des ersten Offiziers: «Wir wurden getroffen, Mann, wir wurden getroffen!» Dann informiert der Kapitän die Fluglotsen: «Tower, wir stürzen ab, hier ist PSA.» Sekunden später wieder der Kapitän: «Das wars, Baby!» Dann folgen die letzten Worte der Aufzeichnung: «Haltet euch fest! Ma, ich liebe dich!»
Flug in den Vulkan
Am 28. November 1979 starteten 237 Passagiere und 20 Besatzungsmitglieder in Auckland an Bord einer DC-10 der Air New Zealand zu einem Rundflug über die Antarktis. Keiner von ihnen sollte zurückkehren. Der Absturz von Flug 901 ist bis heute die schlimmste Katastrophe Neuseelands zu Friedenszeiten.
Der Flug endete, als die Maschine nach etwa vier Flugstunden in die Flanke des Mount Erebus, des höchsten Vulkans der Antarktis, krachte. Die Crew hatte zu diesem Zeitpunkt vollständig die Orientierung verloren. Auf dem Stimmenrekorder ist zu hören, wie sie über die Lage des Mount Erebus werweisste und verzweifelt versuchte, Funkkontakt zur McMurdo-Station nahe des Vulkans herzustellen.
Der Kapitän bemerkt wenige Minuten vor dem Absturz: «Die Verhältnisse sehen wirklich nicht besonders gut aus, nicht wahr?» Kurz vor dem Aufprall schlägt das Bodenannäherungs-Warnsystem Alarm. Der Kapitän reagiert und sagt «Go-around power please», frei übersetzt etwa «maximaler Schub, bitte». Doch es war zu spät.
Die schlimmste aller Flugzeugkatastrophen
Es bleibt der Flugunfall mit den meisten Todesopfern: Die Flugzeugkatastrophe von Teneriffa vom 27. März 1977. Dabei stiessen auf dem Flughafen Los Rodeos zwei Jumbo-Jets der KLM und der Pan-Am zusammen. 583 von 644 Personen an Bord der beiden Boeing 747 starben, als die Maschinen in Flammen aufgingen.
Zur Kollision kam es aufgrund einer Verknüpfung unglücklicher Umstände. So war die Sicht auf dem Flughafen durch dichten Nebel behindert. Zudem klappte die Kommunikation zwischen dem Tower und der KLM-Crew nicht. Die KLM-Maschine hatte keine Startfreigabe, trotzdem begann deren Kapitän den Startlauf.
Auf der Startbahn rollte die KLM-Maschine der Pan-Am-Jumbo entgegen. Die Kollision war unausweichlich. Als die Pan-Am-Crew die andere 747 im Nebel ausmachte, ging im Cockpit ein grosses Geschrei los. Vom Kapitän ist auf der Aufzeichnung zu hören, wie er ruft: «Da ist er! Schaut ihn euch an. Verflucht, der Hurensohn kommt.» Die letzten Worte im Pan-Am-Cockpit kommen vom Ersten Offizier: «Weg von hier! Weg! Weg!» Die letzten Worte des KLM-Kapitäns lauten schlicht: «Oh, Scheisse».
Absturz im Wald
Das schwerste Flugzeugunglück in Polen ereignete sich am 9. Mai 1987. Damals hob eine Iljuschin Il-62 mit 183 Personen an Bord vom Flughafen Warschau-Okcie (heute Chopin-Flughafen) Richtung New York ab. Wenige Minuten nach dem Start fielen die beiden linksseitigen Triebwerke aus. Ein Brand brach aus, der Kabinendruck fiel.
Die Piloten versuchten daraufhin, Kerosin abzulassen und für eine Notlandung zum Flughafen Okcie zurückzukehren. Doch diesen erreichten sie nicht mehr. Die Maschine hatte bereits so viel Höhe verloren, dass sie mit einer Geschwindigkeit von 470 km/h in die Baumwipfel des Warschauer Kabaty-Walds flog, zerbrach und in Flammen aufging.
Laut den Aufzeichnungen auf dem Stimmenrekorder blieb die Besatzung bis zuletzt gefasst und professionell im Austausch mit der Flugsicherung. Eine Minute vor dem Aufprall sagt der Kapitän: «Wir biegen links ab. Wir werden alles tun, was wir können.» Die letzten Worte aus dem Cockpit stammen vom Funker: «Gute Nacht! Auf Wiedersehen! Tschüss, wir sterben!»