FDP-ParteipräsidentWas hat es mit Müllers Schlafapnoe auf sich?
Er hatte es bereits vermutet, nun haben auch die Ärzte bei Philipp Müller eine Schlafapnoe diagnostiziert. Den Unfall entschuldigt das aber nicht.
In den Tagen nach dem Unfall gab FDP-Präsident Philipp Müller in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung» an, sich nur an die Zeit vor und nach dem Crash zu erinnern, nicht aber an den Zusammenprall selbst. Was im ersten Moment noch als Schockreaktion angesehen wurde, erklärten Fachleute kurz darauf als Folge des Sekundenschlafs.
Ein solcher kann verschiedene Ursachen haben: etwa Schlafentzug, wechselnder Schlafrhythmus und monotone Tätigkeiten wie Autofahren. Alles Risikofaktoren, die ein vielbeschäftigter Politiker wie Müller kennt. Immerhin befand er sich zur Zeit des Unfalls im Wahlkampf.
Schlafapnoe Schuld an Sekundenschlaf
In seinem Fall war nun aber offenbar ein medizinisches Problem der Grund für den fatalen Sekundenschlaf. So sagte Müller am Wochenende im Interview mit dem Lokalsender «Tele M1», dass seine Ärzte davon ausgehen, dass er – ohne bislang davon zu wissen – an Schlafapnoe leide (Box 1).
Damit wäre er einer von 150'000 Menschen in der Schweiz, die unter Atemaussetzern im Schlaf leiden. Weil ihr Tiefschlaf deswegen häufig unterbrochen wird, sind sie am Tag mitunter so müde, dass sie zwischendurch einfach einmal kurz einschlafen.
Kein Freispruch
Die Diagnose bedeutet aber nicht, dass Müller nun von seiner Schuld freigesprochen wird. Denn aus Studien weiss man, dass einen der Sekundenschlaf zwar in eintönigen Situationen, nicht aber hinter dem Lenkrad unbemerkt überkommt. «Wer doppelt sieht, überholende Autos erst spät bemerkt oder immer häufiger gähnen muss, sollte schleunigst anhalten», sagt Johannes Mathis, Schlafmediziner am Inselspital in Bern, der das Verhalten von schläfrigen Lenkern im Fahrsimulator testete.
Wer trotz dieser Anzeichen weiter fährt, geht laut Mathis bewusst ein Risiko ein und handelt damit grob fahrlässig (Box 2). Und zwar genauso wie jemand, der unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug steuert. Deshalb gilt, wenn jemand aufgrund von Müdigkeit einen Unfall verursacht, wird dies «als schwere Verkehrsregelverletzung interpretiert, was zusätzlich zur allfälligen Strafuntersuchung einen mehrmonatigen Führerausweisentzug zur Folge hat», schreibt die Schweizerische Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie in ihren Empfehlungen (hier als PDF herunterladbar).
Pausen einlegen
Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollte jeder bei den ersten Anzeichen von Müdigkeit (z.B. Gähnen, Konzentrationsschwierigkeiten, schwere Lider, verschwommenes Sehen) rechts ranfahren und eine Pause einlegen. Denn vermeintliche Gegenmassnahmen wie das Öffnen der Fenster, das Hören lauter Musik, das Rauchen einer Zigarette oder das Kauen eines Kaugummis bringen nichts.
Wer möglichst schnell wieder fahrtauglich werden möchte, sollte einen starken Kaffee trinken und dann eine Viertelstunde schlafen – in genau dieser Reihenfolge. Das haben Studien bewiesen.
Kein Einzelfall
Laut dem Bundesamt für Statistik passieren in der Schweiz rund ein bis zwei Prozent aller Verkehrsunfälle aufgrund Übermüdung. Studien aus dem Ausland gehen jedoch von einem höheren Prozentsatz aus. Demnach sind zwischen zehn und zwanzig Prozent durch Müdigkeit bedingt. Das Einschlafen hinter dem Steuer ist besonders gefährlich, weil sie ungebremst erfolgen.
Der Unfall
FDP-Präsident Philipp Müller ist am 11. September aus noch ungeklärten Gründen in Lenzburg AG auf die Gegenfahrbahn geraten. Dabei kam es zu einer Kollision mit einer 17-jährigen Rollerfahrerin. Ein Alkoholtest am Unfallort hatte einen Wert von 0,00 Promille ergeben. Dennoch musste Müller seinen Fahrausweis sicherheitshalber abgeben.
Symptome und Folgen von Schlafapnoe
Wie sich eine Schlafapnoe äussert, hängt vom Geschlecht ab. Bei Männern ist vor allem das laute, unregelmässige Schnarchen auffällig, das mehrmals pro Nacht von den typischen Atemaussetzern unterbrochen wird und zu Tagesschläfrigkeit führt. Weitere Symptome sind nächtliches Schwitzen und erhöhter Blutdruck.
Bei den Frauen ist die Diagnose schwieriger, denn die Symptome sind weniger auffällig. Dazu gehören morgendliche Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Stimmungsschwankungen und Depressionen. Schnarchen und Atemaussetzer sind hingegen seltener.
Neben einer erhöhten Unfallgefahr sind auch Schwankungen der Sauerstoffkonzentration im Blut, Stoffwechselstörungen und eine Belastung des Herz-Kreislauf-Systems die Folge.