Macheten-Angreifer war bekannt: Können solche Taten verhindert werden?

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Auffällige TäterMacheten-Angreifer war bekannt: Können solche Taten verhindert werden?

Ein psychisch auffälliger Mann hat in St. Gallen fünf Personen, darunter eine Mutter und ihr Baby, mit einer Machete verletzt. Die Polizei war bereits vor einem Jahr wegen ihm im Einsatz. Es ist nicht der erste solche Fall.

Darum gehts

  • Am Donnerstag verletzte ein Mann in St. Gallen fünf Personen mit einer Machete, darunter eine hochschwangere Frau, eine Mutter und ein Baby.
  • Der Täter war der Polizei als «psychisch auffälliger Mann» bekannt.
  • Experten betonen, dass nicht alle psychisch auffälligen Personen gewalttätig werden und eine präventive Einschätzung sehr komplex ist.

Ein Mann verletzte am Donnerstag in St. Gallen fünf Personen mit einer Machete, darunter eine hochschwangere Frau, eine Mutter und ein Baby. Der mutmassliche Täter war der Polizei als «psychisch auffälliger Mann» bekannt. Wie ein Sprecher mitteilt, kam es vor einem Jahr im Juli 2023 zum letzten Mal zu einem Einsatz wegen des 34-jährigen Schweizers. Es ist nicht der erste solche Fall in diesem Jahr.

Im Kanton Waadt kam es im Februar in einem Regionalzug zu einer Geiselnahme. Ein bewaffneter Mann hielt 14 Passagiere und den Lokführer während Stunden fest und bedrohte sie mit einer Axt. Im Mai hat ein Mann in Zofingen AG wahllos mehrere Passanten angegriffen. Mindestens sechs Personen wurden verletzt, darunter auch eine schwangere Frau. Vonseiten der Polizei hiess es: Der Mann zeigte ein «psychisch auffälliges Verhalten». So stellt sich die Frage, ob solche Taten nicht verhindert werden könnten.

Mehr psychisch auffällige Personen in der Gesellschaft

«Psychisch auffällige Personen» sei ein weit gefasster Begriff, sagt Hanspeter Krüsi, Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen. «In der Gesellschaft gibt es zunehmend mehr psychisch auffällige Personen, die drohen, aggressiv werden oder sich selbst gefährden.» In solchen Fällen sei die Polizei auf die Unterstützung von Fachärzten angewiesen und integriere diese unter Umständen auch in das Risiko- und Bedrohungsmanagement, um präventiv handeln zu können.

Erfährt die Polizei, dass eine Person droht, sich selber oder andere Menschen zu gefährden, werde sie einem Amtsarzt oder einer Amtsärztin zugewiesen. «Nach einem Gespräch entscheidet der Arzt, ob gegen die Person eine fürsorgliche Unterbringung in einer Klinik verfügt wird oder nicht», so Krüsi. Die entscheidenden Faktoren seien vielfältig. Überhaupt eine Entscheidung zu treffen, sei sehr schwierig. Es sei eine heikle Entscheidung, wenn über das Leben eines Menschen oder dessen Freiheit entschieden werden muss. Und: «Auch wenn eine Person beispielsweise in eine Psychiatrie überwiesen wird, bleibt das Ziel, den Betroffenen wieder in die Gesellschaft integrieren zu können.»

Forensischer Psychiater: «Mutmassungen anzustellen, wäre falsch»

In der öffentlichen Wahrnehmung herrsche eine nachvollziehbare Schieflage, sagt Frank Urbaniok, Professor für forensische Psychiatrie: «Oftmals werden die Fälle hervorgehoben, in denen es zu Gewalttaten kam, während jene, bei denen potenzielle Gewalttaten rechtzeitig erkannt und verhindert wurden, weniger Beachtung finden.»

Dennoch: Komme es zu solchen Attacken, wie jener in St. Gallen, müsse genau untersucht werden, ob die Tat hätte verhindert werden können. «Jetzt aber schon Mutmassungen anzustellen, solange nicht alle Fakten bekannt sind, wäre falsch», so Urbaniok weiter.

«Oftmals werden die Fälle hervorgehoben, in denen es zu Gewalttaten kam, während jene, bei denen potenzielle Gewalttaten rechtzeitig erkannt und verhindert wurden, weniger Beachtung finden», sagt Forensiker Frank Urbaniok.
«Oftmals werden die Fälle hervorgehoben, in denen es zu Gewalttaten kam, während jene, bei denen potenzielle Gewalttaten rechtzeitig erkannt und verhindert wurden, weniger Beachtung finden», sagt Forensiker Frank Urbaniok.Tamedia

Denn: Es müsse immer der Einzelfall beurteilt werden. Zudem gebe es eine Vielzahl unterschiedlicher Risikofaktoren, die eine Reaktion psychisch Kranker auslösen könnten. «Würde es nur einige wenige Merkmale geben, wäre eine Prävention leicht», so der forensische Psychiater. Es sei aber wichtig zu betonen: «Eine Diagnose einer psychischen Erkrankung sowie auch Auffälligkeiten der Person in der Öffentlichkeit deuten nicht zwangsläufig auf ein erhöhtes Straftat-Risiko hin.»

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Forensic Nurses (Kanton Zürich), Tel. 0800 09 09 09
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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Anja Zobrist (zoa) ist Redaktorin und Content Creator im Ressort News und Gesellschaft. Das Journalistenhandwerk erlernte sie an der Ringier Journalistenschule in Zürich. Anschliessend absolvierte sie den CAS Innovation im Journalismus an der ZHAW Winterthur und dem MAZ Luzern.

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