FrauenfeldKinder und Frauen betäubt: «Der Fall behandelt abscheuliche Taten»
Am Donnerstag wurde der Prozess gegen einen knapp 40-Jährigen fortgesetzt. Er hatte jahrelang Kinder und Frauen betäubt und vergewaltigt. Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren.
Darum gehts
- Vor Gericht in Frauenfeld fand am Donnerstag der zweite Prozesstag gegen einen knapp 40-Jährigen statt.
- Der Mann hatte jahrelang acht Frauen und sieben Kinder betäubt und vergewaltigt.
- Die Staatsanwaltschaft forderte im Plädoyer die Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis.
Am Donnerstag fand der zweite Prozesstag gegen einen knapp 40-Jährigen statt. Der Mann hatte jahrelang acht Frauen und sieben Kinder betäubt, vergewaltigt und geschändet.
Die Staatsanwaltschaft forderte, den Mann zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Jahren sowie einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à je 30 Franken zu verurteilen. Die bereits entstandene Haft sei von der Freiheitsstrafe abzuziehen. Des Weiteren wird eine Therapie, ein Landesverweis von 15 Jahren sowie ein fünfjähriges Kontakt- und Rayonverbot zu seinen Opfern gefordert.
«Es geht mir nicht gut»
Vor Gericht sprach der Beschuldigte an diesem Tag erneut von angeblicher sexueller Gewalt, die er als Kind in seinem Heimatland erleben musste. Die Erlebnisse schilderte der knapp 40-Jährige mit ruhiger Stimme und sehr detailliert.
Noch heute leide er unter schlaflosen Nächten und Albträumen. «Es geht mir nicht gut, weil ich immer daran denke», so der Beschuldigte. Einer der Opferverteidiger flüsterte während des Monologs des Beschuldigten: «Er ist ein richtiger Selbstdarsteller.»

Fall laut Staatsanwältin «abscheulich»
Aufgrund der Schwere der begangenen Taten wurde eine zweite Staatsanwältin zum Fall beigezogen. Beide plädierten am Donnerstag vor Gericht. «Den Fall, den wir heute verhandeln, behandelt abscheuliche Taten an Frauen und Mädchen», begann die erste Staatsanwältin mit ihrem Plädoyer.
Die auf dem Handy und Laptop gefundenen Bilder und Videos offenbaren laut Staatsanwaltschaft einen Blick in tiefe menschliche Abgründe. «Das war selbst für mich als erfahrene Staatsanwältin mit 20 Jahren Berufserfahrung schwere Kost», so die Staatsanwältin.
«Er versucht, sich besser darzustellen»
Während des Plädoyers der Staatsanwältin, als diese sehr detailliert über eine Videobefragung eines Opfers sprach, weinte der knapp 40-jährige Beschuldigte erneut.
Der Beschuldigte sei insgesamt sieben Mal durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft befragt worden. «Er zeigte ein ambivalentes Aussageverhalten. Er relativierte Geständnisse, redete sein Verhalten klein oder sagte, er könne sich nicht mehr erinnern, um sich besser darzustellen und die sexuellen Missbräuche vor sich selbst zu rechtfertigen», sagte die Staatsanwältin.
Man solle sich nicht von den Tränen des Beschuldigten oder dessen Zusammenbruch vom Dienstag blenden lassen. «Die eigenen erlebten Misshandlungen sind eher eine Rechtfertigung als eine Ausrede», so die Staatsanwältin. Selbst dann, wenn ein Missbrauch stattgefunden hätte, sei dies kein Grund für sein Verhalten.

«Er nutzte mit seinem Latino-Charme Vertrauen schamlos aus»
In ihrem Plädoyer sagte die zweite Staatsanwältin, dass der Beschuldigte auf skrupellose Weise eine Überdosierung seiner Opfer in Kauf genommen habe: «Er nutzte mit seinem Latino-Charme das Vertrauensverhältnis der eigenen Familie, Bekannten und Freunde schamlos aus.» Ein Kind oder eine befreundete Person hinterfrage nicht, wenn ihr jemand Bekanntes ein Getränk anbiete.
«Der Beschuldigte handelte rein egoistisch und zur Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse. Seine kriminelle Energie wird als hoch eingestuft, er war leider zu einigem fähig und hat vor niemandem Halt gemacht», sagte die zweite Staatsanwältin.
Nach der Verhaftung lud er pädokriminelles Material herunter
Zu einem Ende der Taten sei es erst und einzig deshalb gekommen, weil eines der Mädchen sich ihrer Grossmutter anvertraut hatte. «Die Übergriffe waren keine spontanen Aktionen, sondern geplant», so die Staatsanwältin. Auf den Aufnahmen sei erkennbar, wie geplant er vorging. «Sämtliche Videos waren klar und nicht mit zitternder Hand gefilmt. Er hatte die Opfer teilweise auch drapiert», sagte die zweite Staatsanwältin.
Eine tiefe Betroffenheit oder Reue des Beschuldigten sei nicht erkennbar: «Tränen können vieles bedeuten. Aber sie sind genauso wenig ein sicheres Zeichen für die Reue wie auch für die Glaubwürdigkeit. Nach seiner ersten Verhaftung beschaffte er sich gar noch weiteres verbotenes pornografisches Material über das Internet.»
Insgesamt 106 Jahre Haft
Wenn alle Straftaten des Beschuldigten und deren Gefängnisstrafen zusammengezählt würden, komme man laut der Staatsanwältin auf insgesamt 106 Jahre Haft. «Es kann klar gesagt werden, dass einfach keine angemessene Strafe ausgeteilt werden kann. Selbst die 15 Jahre Höchststrafe erscheinen uns noch zu wenig», so die Staatsanwältin.
Dass die höchstmögliche Strafe gefordert werde, komme nicht oft vor. «Aber wann, wenn nicht im heutigen Fall, ist diese Höchststrafe gerecht?», sagte die Staatsanwältin. Wie viele weitere Opfer bräuchte es? Es seien bereits jetzt 15 Opfer sexueller Gewalt. Abschliessend sagte die zweite Staatsanwältin: «Kann da die Höchststrafe von 15 Jahren tatsächlich zu viel sein? Nein, kann sie nicht. Wenn etwas zu viel sein kann, ist es die Anzahl der Opfer und der sexuellen Übergriffe.»
«Es gibt Momente, da fehlen einem die Worte»
Auch die zwei Anwältinnen und der Anwalt, die die 15 Opfer vertraten, plädierten am Donnerstag. Sie forderten, den Beschuldigten gemäss der Anklage schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. Zudem soll der knapp 40-Jährige allen Opfern Genugtuungen in der Höhe von insgesamt 150'000 Franken bezahlen. Des Weiteren wird gefordert, dass er zudem Schadenersatz in unbekannter Höhe bezahlen muss.
«Es gibt Momente im Leben, da fehlen einem die Worte», sagte einer der Anwälte in seinem Plädoyer und beschrieb die Taten des Beschuldigten als «das abgrundtief Böse». Die Opfer leiden laut den Anwältinnen und dem Anwalt noch heute stark unter den Folgen der sexuellen Gewalttaten. Diverse Mädchen können nicht normal zur Schule gehen und viele der Frauen können keiner geregelten Arbeit nachgehen. Sie leiden zudem unter posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen.
Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt und dauert noch bis zum 12. Dezember. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Was ein Experte zum Prozess sagt, liest du hier.
Bist du minderjährig und von sexualisierter Gewalt betroffen? Oder kennst du ein Kind, das sexualisierte Gewalt erlebt?
Seline Bietenhard arbeitet seit 2021 bei 20 Minuten. Seit November 2025 ist sie Blattmacherin.
