Drohnen-Debakel: VBS-Risikomanager bat um Entlassung – vergeblich

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EFK-BerichtVBS-Mann bat «mangels Sachverstand» um Entlassung – ohne Erfolg

Die Eidgenössische Finanzkontrolle lässt in ihrem Bericht zur Beschaffung von sechs Hightech-Drohnen kein gutes Haar an Armasuisse. Nun droht dem Prestige-Projekt der Absturz.

Darum gehts

  • Immer neue Probleme verzögern die Beschaffung von sechs Hightech-Drohnen aus Israel für knapp 300 Millionen Franken. Voll einsatzfähig wäre das System frühestens 2029.
  • Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) übt in ihrem neuen Bericht massive Kritik am Bundesamt für Rüstung (Armasuisse). Die Rede ist von einer mangelhaften Planung und einem unzureichenden Risikomanagement.
  • Armasuisse wehrt sich gegen die Vorwürfe. Obwohl sie mit den Beurteilungen «in wesentlichen Bereichen» nicht einverstanden ist, sieht auch sie «dringenden Handlungsbedarf».

Die Kosten laufen aus dem Ruder – und die Lieferung verzögert sich immer weiter. Die Probleme um die Beschaffung von sechs Aufklärungsdrohnen sorgen seit Jahren für Schlagzeilen. Der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) bestellte sie 2015 für 250 Millionen Franken bei der israelischen Firma Elbit Systems. Bis heute hat die Schweiz kein aktives Drohnensystem. Jene fünf Drohnen, die sie erhalten hat, bleiben wegen eines Vorfalls in Indien vorerst am Boden.

Anfang Jahr wurde publik, dass Zweifel an der Einsatzfähigkeit bestehen. Die Ruag sollte ein System liefern, das es den Drohnen ermöglicht, in der Luft autonom Hindernissen auszuweichen. Doch auch beim bundeseigenen Rüstungskonzern gibt es Probleme.

Auch mit dem bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag gibt es Probleme. Das automatische Ausweichsystem lässt auf sich warten, ohne dürfen die Drohnen tagsüber im unkontrollierten Luftraum nur mit Begleitflugzeug fliegen. Bis 2029 soll das «Detect and Avoid»-System zertifiziert sein.
Auch mit dem bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag gibt es Probleme. Das automatische Ausweichsystem lässt auf sich warten, ohne dürfen die Drohnen tagsüber im unkontrollierten Luftraum nur mit Begleitflugzeug fliegen. Bis 2029 soll das «Detect and Avoid»-System zertifiziert sein.20min/Matthias Spicher

Das «Detect and Avoid»-System berge «erhebliche Risiken betreffend die technische Machbarkeit, Zulassung und Kosten», schrieb die Finanzdelegation des Parlaments vor Weihnachten an VBS-Chefin Viola Amherd. Ohne die Technologie können die Drohnen nur mit Begleitflugzeug eingesetzt werden.

Armasuisse macht die beiden Lieferanten Ruag und Elbit, die Covid-19-Pandemie sowie den aktuellen Konflikt im Nahen Osten für die Verzögerungen verantwortlich. Doch nun legt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht das Ausmass des Drohnen-Debakels offen. Und zeigt, dass die Probleme grossteils hausgemacht sind.

Was lief schief und wer ist schuld?

Die EFK lässt kein gutes Haar am zuständigen Bundesamt für Rüstung (Armasuisse): «Die Schieflage des Projekts ist das Ergebnis einer Kombination aus zu ambitionierten Zielen, mangelhafter Planung und Steuerung, unzureichendem Risiko- und Qualitätsmanagement sowie unterschätzter Komplexität», so das Fazit.

Vor allem bei der Projektarbeit ortet die EFK Fehlleistungen: «Die Lieferanten sind unzuverlässig und die Projektleitung hat Mühe, diese zu führen und zu steuern.» Die Elbit liefere verspätet und nicht in der geforderten Qualität. Und auch mit der Ruag gab es Probleme. Was eine einfache Beschaffung von Drohnen ab Stange hätte sein sollen, entwickelte sich zu einem risikoreichen Grossprojekt – ohne dass Armasuisse das Risikomanagement anpasste.

Braucht es einen Projektabbruch?

Entgegen der Anweisung der VBS-Chefin ernannte der Vorsitzende des Projekts einen internen Mitarbeiter und Miliz-Stabsoffizier zum Qualitäts- und Risikomanager (QRM). Der Mann war für den Job offenbar ungeeignet – und sich seiner Defizite auch bewusst. «Dem QRM fehlen nach eigener Einschätzung wesentliche Kenntnisse für diese Rolle», so die EFK.

Laut dem EFK-Bericht teilte der Qualitäts- und Risikomanager dem Projektvorsitzenden mehrmals mit, dass er für den Job nicht geeignet sei und durch eine Person mit mehr Sachverstand ersetzt werden sollte.
Laut dem EFK-Bericht teilte der Qualitäts- und Risikomanager dem Projektvorsitzenden mehrmals mit, dass er für den Job nicht geeignet sei und durch eine Person mit mehr Sachverstand ersetzt werden sollte.Marco Beltrametti

Er habe den Vorsitzenden «mehrmals» darauf hingewiesen und im Januar 2023 in einer «heiklen und komplexen Phase» des Projekts beantragt, dass dieser ihn durch eine sachverständige Person ersetzen möge. «Eine schriftliche Antwort hat er nicht erhalten und die Rolle wurde nicht neu besetzt», so der Bericht. Der Mann arbeitete bis vor kurzem noch da, im Januar gab er laut Armasuisse seinen letzten Bericht ab.

Was wusste die Politik?

Kritisiert wird im Bericht auch die Kommunikation von Armasuisse. Das Bundesamt habe das Parlament, das die Kredite genehmigt, nicht in allen Punkten verlässlich und für Dritte verständlich informiert: «Die Dimension Finanzen hätte früher kritischer bewertet werden müssen, besonders aufgrund der latenten Konfliktsituation mit RUAG.» Departementschefin Viola Amherd, die vor kurzem ihren Rücktritt ankündigte, wurde von der EFK am 22. Mai 2024 über den «dringenden Handlungsbedarf» informiert.

Wie geht es jetzt weiter?

Die EFK fordert eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse und einen Grundsatzentscheid. «Dabei sind sowohl die militärischen wie auch die zivilen Anforderungen zu hinterfragen», heisst es im Bericht. Darauf basierend soll eine umfassende Neuplanung und Genehmigung des Projekts erfolgen. Laut EFK-Mandatsleiter Robert Scheidegger wäre auch ein Abbruch denkbar: «Die Idee ist aber, einen möglichst grossen Nutzen aus dieser Drohne und dem Investment zu ziehen.» Im oberen Luftraum könne die Drohne autonom fliegen und damit für militärische Aufgaben genutzt werden.

Bis wann fliegen die Drohnen?

Gemäss aktuellem Stand soll das Projekt bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Laut Armasuisse könnte das System dann aber noch nicht alle militärischen Anforderungen erfüllen. Das soll frühestens ab 2029 der Fall sein. Bis dahin kämen die erwähnten Begleitflugzeuge zum Einsatz, was deutlich höhere Kosten für Betrieb und Unterhalt bedeuten würde.

Was kostet das?

Das Projektbudget beträgt inzwischen 298 Millionen Franken. Davon sind zum Zeitpunkt der Prüfung bereits 288 Millionen Franken verpflichtet. «Der finanzielle Spielraum ist im Verhältnis zum Projektstand gering», heisst es im Bericht.

Rüstungschef Urs Loher verteidigt im Interview mit 20 Minuten das Vorgehen von Armasuisse.
Rüstungschef Urs Loher verteidigt im Interview mit 20 Minuten das Vorgehen von Armasuisse.Tamedia/Raphael Moser

Was sagt Armasuisse dazu?

Mit den Beurteilungen der EFK ist Armasuisse «in wesentlichen Bereichen» nicht einverstanden. Der Bericht widerspreche zudem früheren Berichten. Trotzdem sei es zutreffend und unbestritten, dass im Projekt dringender Handlungsbedarf bestehe. Man sehe den Bericht als Chance, das Einsatzspektrum des Systems zu prüfen. Schwierig umzusetzen seien «aufgrund der nahezu vollständig erfolgten Zahlungen» die Anpassungen in der Lieferantensteuerung.

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Delia Bachmann (dba), Jahrgang 1993, arbeitet seit 2024 für 20 Minuten. Als Redaktorin im Ressort Politik berichtet sie über das Geschehen in Bundesbern.

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