Schweiz – EUKommission will kein Ständemehr für neue EU-Verträge – SVP empört
Das Volk soll über das neue Vertragspaket mit der EU entscheiden können – allerdings ohne das Ständemehr. Das will die aussenpolitische Kommission des Nationalrates. Die SVP reagiert empört, EU-Freund Simon Michel (FDP) kontert. Endgültig ist die Frage noch nicht entschieden.
Darum gehts
- Die aussenpolitische Kommission des Nationalrates empfiehlt, dass für die neuen EU-Verträge das Volksmehr ausreichen soll.
- Das Ständemehr bräuchte es nur bei einem EU-Beitritt, so die Mehrheit.
- Die SVP ist empört und wirft der Kommission vor, Angst vor dem Volk zu haben.
- FDP-Politiker Simon Michel verteidigt die Entscheidung und stellt das Instrument des Ständemehrs gleich grundsätzlich infrage.
- Der Entscheid ist noch nicht endgültig; der Bundesrat und das Parlament werden weiter diskutieren.
Schon bevor der Bundesrat im Dezember das Ende der EU-Verhandlungen verkündete, tobte ein heftiger Streit darum, wie denn eines Tages darüber abgestimmt werden soll. Konkret: Reicht ein Volksmehr – was EU-freundliche Kreise befürworten – oder braucht es ein Ständemehr – was EU-Kritiker wollen.
Kommission: Volksmehr für EU-Verträge reicht
Nun hat die aussenpolitische Kommission des Nationalrates einen ersten Pflock eingeschlagen und mit 15 zu zehn Stimmen entschieden, dass das Volksmehr ausreichen soll. Die Mehrheit begründet das mit der Verfassung: «Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Unterstellung unter das obligatorische Referendum sind für keines der neuen Abkommen und für keine Nachführung eines bestehenden Abkommens mit der EU erfüllt.»

Eine Abstimmung, bei der auch das Ständemehr zählt, bräuchte es nur, wenn die Schweiz der EU beitreten wolle, so die Mehrheit der Kommission.
SVP empört: «Die politischen Eliten wollen durchregieren»
Die SVP reagiert empört auf den Entscheid. «Das Volk hat nichts zu sagen. Die politischen Eliten wollen durchregieren – ohne das lästige Volk», schreibt sie in einer Mitteilung. Den anderen Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitikern unterstellt sie, genau zu wissen, dass die Bevölkerung wenig Lust auf die EU habe. «Darum wollen sie nun den EU-Vertrag am Volk und an den Kantonen vorbeischmuggeln. Und dies, obwohl der Vertrag die verfassungsmässigen Kompetenzen von Volk und Kantonen massiv einschränkt.»
Schutz von Minderheiten: Darum gibt es das Ständemehr
Die SVP ist in der Kommission mit neun Mitgliedern vertreten – das heisst, mindestens ein Mitglied einer anderen Partei hat sich ebenfalls für das obligatorische Referendum mit Ständemehr ausgesprochen. Gemäss der «Weltwoche» soll es sich dabei um Mitte-Präsident Gerhard Pfister handeln.
Simon Michel (FDP) kontert Kritik
Anders sieht das Simon Michel, FDP-Nationalrat und bekennender «EU-Turbo». Auf X liefert er sich am Dienstagabend gleich mehrere Redeschlachten mit Rechtskonservativen, um den Entscheid der Kommission zu verteidigen. Auch er ist der Meinung, dass es ein Ständemehr erst bei einem vollen EU-Beitritt bräuchte.
Was denkst du über die Entscheidung, dass das Volksmehr für die neuen EU-Verträge ausreichen soll?
Ausserdem findet er es «nicht korrekt», wenn die Stimme von Menschen aus kleinen Kantonen wie Appenzell «100 Mal mehr Stimmkraft» hat, als beispielsweise jene einer Zürcherin oder eines Berners.
Der Entscheid der aussenpolitischen Kommission ist trotz allem nur eine Empfehlung. Zum einen wird sich die ständerätliche Schwesterkommission noch zur Frage äussern, danach wird der Bundesrat zusammen mit seiner Botschaft den Räten eine Empfehlung unterbreiten über die Frage nach Volks- und Ständemehr und danach wird das Parlament noch einmal über die Frage diskutieren.
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Stefan Lanz arbeitet seit 2021 für 20 Minuten. Er ist Bundeshausjournalist mit langjähriger Erfahrung.
