Migros: Genossenschafter kündigen wegen Abbau-Kurs

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Migros-Abbau«Was hier abläuft, hat nichts mit einer Genossenschaft zu tun!»

Genau im Jubiläumsjahr muss die Migros zum ersten Mal bei der Genossenschaft einen Mitgliederschwund vermelden. Der Frust bei den Mitgliedern ist gross.

Migros-Genossenschaft: Darum gehts

  • Die Migros verzeichnet erstmals seit 1941 einen Rückgang der Genossenschaftsmitglieder.
  • Viele sind unzufrieden mit dem Kurs der letzten Jahre und dem Abbau der Fachmärkte. Ehemalige Mitglieder fühlten sich nicht mehr ernst genommen.
  • Verbleibende Mitglieder hoffen auf eine Kurskorrektur oder setzen ihr Vertrauen auf Mario Irminger.

Knapp 40'000 Genossenschafterinnen und Genossenschafter weniger: Damit verzeichnete die Migros zum ersten Mal überhaupt seit ihrer Umwandlung zur Genossenschaft 1941 ein Minus bei den Mitgliederzahlen.

Die Migros erklärt sich dies mit weniger Neuanmeldungen durch «Änderungen im Anmeldeprozess» und dem demografischen Wandel. Doch wie ehemalige und aktuelle Genossenschaftsmitglieder gegenüber 20 Minuten berichten, bildet das nicht die ganze Wahrheit ab. Der Frust nach dem Abbaujahr ist gross.

«Genug ist genug!»

Viele derjenigen, die von ihrem Austritt berichten, waren über Jahrzehnte lang Genossenschafter und verbinden bis heute gute Erinnerungen mit der Migros. Doch sie zogen die Reissleine. «Ich war ein absolutes Migros-Kind und habe letztes Jahr aufgrund all der unerfreulichen Entwicklungen meinen Austritt als Genossenschafter bekannt gegeben», erzählt ein 47-jähriger Ehemaliger.

«So etwas ist aus meiner Sicht nicht vertretbar.»

Ehemaliges Migros-Genossenschaftsmitglied

Die meisten begründen ihren Austritt mit dem Kurs der letzten Jahre. «Mir hat der Kahlschlag nicht gepasst. Deshalb habe ich gekündigt», so ein ehemaliges Genossenschaftsmitglied. «Ich war bis zum letzten Jahr Genossenschafter und habe nach all den Verkäufen meine Mitgliedschaft abgegeben. So etwas ist aus meiner Sicht nicht vertretbar», so ein anderer.

Genossenschaftsgefühl fehlt

Auch das Gefühl als Genossenschafter nicht mehr mitsprechen zu können, herrscht bei vielen. «Genossenschafterin sein, aber in Entscheidungen nicht einbezogen werden, geht nicht», so eine Ehemalige. Ein weiterer formuliert es klar: «Was hier abläuft, hat nichts mit einer Genossenschaft zu tun!»

Ein Gefühl, das auch verbleibende Mitglieder teilen. «Es ist letztlich eine sinnlose Mitgliedschaft, wenn sich nichts ändert: Die Abstimmungen sind eine Farce; der Einfluss der Mitglieder ist inexistent – jedenfalls weniger als jene der Konsumenten.»

Wie siehst du die Zukunft der Migros-Genossenschaft?

Die Schuld sehen sie bei der Chefetage. «Genug ist genug! Mit dieser Migros und mit diesem Management teile ich keine Werte mehr», heisst es. Auch ein weiterer Ehemaliger kündigte nach 40 Jahren Mitgliedschaft mit klaren Worten: «Was jetzt abläuft, ist nur Sch*****. Es wird jede Woche weniger Migros.»

Nur noch eine Frage der Zeit

Auch unter denjenigen, die noch Genossenschaftsmitglied sind, spielen viele mit dem Gedanken an den Austritt. «Ich werde noch Genossenschafter bleiben, aber wenn es nichts ändert in der Chefetage, ist es für mich noch eine Frage der Zeit.» Gerade vor zwei Tagen habe sich ein weiterer den Austritt überlegt. «Die Chefs der Migros sind zu arrogant geworden. Dutti würde sich im Grab umdrehen.»

Unter den Verbleibenden hat es aber auch solche, die auf die Strategie von Migros-Chef Mario Irminger vertrauen.
Unter den Verbleibenden hat es aber auch solche, die auf die Strategie von Migros-Chef Mario Irminger vertrauen.20min/Matthias Spicher

Mit dieser Meinung ist er nicht allein. «Da Migros nicht mehr die Migros ist, denke auch ich an einen Austritt» oder «Ich werde künden. Die McKinsey-Managementfehler rächen sich bald», berichten zwei Noch-Mitglieder.  Ganz praktisch drückt es wiederum ein weiterer aus: «Bin nur noch nicht weg, weil aktuell die Zeit fehlt.»

Die Hoffnung bleibt

So manch einer will bleiben – wenn auch widerwillig. «Wir sind zwar noch als Familie Genossenschafter, aber das hat mehr emotionale Gründe», erklärt sich ein Mitglied, das wie weitere aus familiären Verbindungen verbleibt. «Ich bin auch mit 73 Jahren ein Migros-Kind, auch wenn es schwierig ist im Moment.»

«Ihr bekommt noch eine klitzekleine weitere Chance.»

Aktuelles Migros-Genossenschaftsmitglied

Manche Mitglieder jedoch sprechen der aktuellen Strategie zu. «Ich vertraue der Migros-Führung unter Mario Irminger», meint einer zuversichtlich. Ein anderer sagt: «Ich denke, langfristig hat die Migros den richtigen Weg gewählt und ich verstehe die rund 40'000, die von der Genossenschaft weggegangen sind, nicht – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.»

Weniger zuversichtlich sind viele andere, die hoffen, dass die Strategie der Migros doch den erhofften Erfolg bringt. «Auch setzen sie darauf, dass das später unter einer neuen Führung wieder revidiert und ausgebaut wird.» Aufgegeben haben sie noch nicht. «Ihr bekommt noch eine klitzekleine weitere Chance», so eine Genossenschafterin an die Migros gerichtet.

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Jan Janssen (jjn) arbeitet seit 2023 für 20 Minuten. Zuerst im Ressort Zürich und seit 2025 im Ressort News, Wirtschaft & Videoreportagen.

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