Vorzeitige Wechseljahre: das sagt ein Experte

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Experte erklärt«Bei 90 Prozent der Betroffenen kennt man die Ursache nicht»

Carina und Anna kamen in ihren 20ern in die Wechseljahre. Doktor Jens Stepan klärt auf, was bei dieser Diagnose im Körper passiert und wie man die Symptome behandeln kann.

Darum gehts

  • Carina und Anna erleben die Wechseljahre ungewöhnlich früh.
  • Vorzeitige Menopause betrifft 3,7 Prozent der Frauen vor 40 Jahren.
  • Symptome sind Hitzewallungen und Schlafstörungen.
  • Ursachen sind oft unbekannt, aber genetische und medizinische Faktoren sind möglich.
  • Hormonersatztherapie kann helfen, die Beschwerden zu lindern.

Carina aus Deutschland dachte, sie sei schwanger. Beim Arzt kam dann die Schockdiagnose: Wechseljahre mit 25. Bei der Zürcherin Anna traten die ersten Symptome bereits mit 18 auf. Der endgültige Befund kam mit 20. Wie die beiden mit der Nachricht umgehen konnten und was ihre Zukunftspläne sind, erzählen uns die jungen Frauen hier.

Wie ungewöhnlich sich Carinas und Annas Diagnose auch anhört – sie kommt viel häufiger vor als erwartet. Die meisten Frauen wissen nicht, dass die Menopause auch vor dem 50. Geburtstag auftreten kann. Doktor Jens Stepan, Oberarzt in der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie, erklärt in einem Interview, welche Symptome auftauchen und was die Behandlungsmöglichkeiten sind.

Doktor Jens Stepan ist Oberarzt in der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie.
Doktor Jens Stepan ist Oberarzt in der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie.privat

Herr Stepan, welche Symptome zeigen sich bei der vorzeitigen Menopause?

Die Symptome unterscheiden sich nicht wesentlich von denen einer Frau in den normalen Wechseljahren – Hitzewallungen, Schweissausbrüche, Schlafstörungen, vaginale Trockenheit, Stimmungsschwankungen. Das ist ein sehr breites Spektrum, aber im Grunde deckungsgleich und unabhängig vom Alter. Eine vorzeitige Menopause kann man also nur über eine gezielte Hormonuntersuchung erkennen.

Was passiert mit dem Körper, wenn Frauen in die Wechseljahre kommen?

Frauen kommen mit einer bestimmten Menge an Eizellen auf die Welt, etwa 300.000 bis 400.000, und diese sterben im Laufe des Lebens kontinuierlich ab – pro Monat können ein oder selten auch zwei Eizellen springen und dann befruchtet werden. Der Grossteil geht aber einfach zugrunde bis es keinen Vorrat mehr gibt – dann hört die Periode auf. Wenn dann für ein Jahr keine Periode mehr auftritt nennt man den Zeitpunkt der letzten Blutung Menopause. Weil Eizellen das Hormon Östrogen produzieren, sinkt der Östrogenspiegel im Körper. Das passiert nicht auf einmal, sondern langsam über mehrere Jahre. Die Hormonveränderungen führen zu Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafprobleme.

Wann spricht man von einer vorzeitigen Menopause und wie häufig tritt diese auf?

Die meisten Frauen erreichen die Menopause zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. Wenn das jedoch vor dem 40. Geburtstag passiert, wird von einer vorzeitigen Menopause gesprochen. Zwischen 40 und 44 Jahren ist es eine frühe Menopause. Laut der europäischen endokrinologischen Fachgesellschaft liegt die Häufigkeit bei 1,0 bis 3,5 Prozent für die vorzeitige Form. Bei der frühen Menopause geht man sogar von bis zu 12 Prozent aus. Oft wird die vorzeitige Menopause erst spät erkannt, weil dass Ausbleiben der Periode nicht ernst genommen wird. Doch wenn die Periode über 3 Monate ausbleibt oder sehr unregelmässig ist, sollte das abgeklärt werden, am besten bei einem Spezialisten.

Fühlst du dich als Frau gut genug über die Menopause informiert?

Was sind mögliche Ursachen für eine frühzeitige Menopause?

Wir unterscheiden drei Hauptgruppen von Ursachen: Erstens medizinisch bedingte Faktoren wie Operationen, Chemotherapien oder eine Strahlentherapie an den Eierstöcken. Zweitens genetische Ursachen und drittens immunologische Gründe, bei denen der Körper die eigenen Eizellen angreift. Es gibt auch Risikofaktoren wie Umweltgifte, Weichmacher in Verpackungen oder Rauchen – sie stehen im Verdacht, die Eizellen zu schädigen. In 70 bis 90 Prozent der Fälle finden wir allerdings keine Ursache, weil in diesem Bereich noch zu wenig geforscht wird.

Kann sich die Diagnose wieder ändern?

Wenn die Eizellen einmal weg sind, dann sind sie weg – das lässt sich nicht rückgängig machen. Es kann trotzdem nochmal zu einem Eisprung und sogar zu einer Schwangerschaft kommen, bei unter zehn Prozent der betroffenen Frauen – aber das ist eher selten und schwer vorhersehbar. Wenn die Diagnose steht, ist sie in der Regel endgültig. Wenn man keine Kinder bekommen möchte und noch ab und zu eine Blutung hat, sollte man aber weiter verhüten.
Bei 70 bis 90 Prozent der Frauen, die von einer vorzeitigen Menopause betroffen sind, sei die Ursache unklar. Der Grund dafür ist laut Doktor Jens Stepan die fehlende Forschung in vielen Bereichen der Frauengesundheit.
Bei 70 bis 90 Prozent der Frauen, die von einer vorzeitigen Menopause betroffen sind, sei die Ursache unklar. Der Grund dafür ist laut Doktor Jens Stepan die fehlende Forschung in vielen Bereichen der Frauengesundheit.IMAGO/Zoonar

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Wir empfehlen auf jeden Fall eine Hormonersatztherapie, sobald die Diagnose feststeht – idealerweise mit natürlichen Hormonen. Östrogen wird dabei über die Haut verabreicht, zum Beispiel als Pflaster, Gel oder Spray, weil das gut für den Knochenstoffwechsel, die Gehirnfunktion und die allgemeinen Wechseljahresbeschwerden ist. Dazu kommt das Hormon Progesteron, um die Gebärmutterschleimhaut zu schützen – das geht auch gut mit einer Hormonspirale. Die Pille wäre auch eine Möglichkeit, ist aber nicht die erste Wahl. Wichtig sind ausserdem ein gesunder Lebensstil, ausreichend Bewegung, Verzicht auf Nikotin, wenig Alkohol sowie regelmässige Kontrolle von Gewicht, Blutdruck, Blutfettwerten und Blutzucker.

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Monika Abdel Meseh (mam) ist seit 2023 Teil von 20 Minuten und arbeitetet als Redaktorin im Ressort Community.

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