250 ProzentTrump droht mit horrenden Pharmazöllen: «Chance für Hersteller»
In einem CNBC-Interview droht Trump Medikamentenherstellern mit Zöllen von bis zu 250 Prozent. Die Branche prüft die Ankündigung. Laut einem Pharmaexperten ist sie eine Möglichkeit, sich von China zu lösen.
Darum gehts
- US-Präsident Donald Trump hat den Medikamentenherstellern mittelfristig mit Strafzöllen von bis zu 250 Prozent gedroht.
- Die Schweizer Branche betont, dass bereits hohe Investitionsankündigungen für die USA getätigt wurden.
- Laut Pharmaexperte Nam Trung Nguyen müssten die Grossunternehmen ihre Produktion diversifizieren. Die Ankündigung könnte demnach eine Chance sein.
- Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, wünscht sich, dass die Schweiz auf die neuen Ankündigungen entschlossener reagiert. Man müsse nun deutlicher aufzeigen, wie abhängig die USA von Medikamenten aus Schweizer Produktion seien.
Das ist passiert
Der nächste Schock aus den USA: Präsident Donald Trump droht der Pharmaindustrie mit Zöllen von bis zu 250 Prozent. In einem CNBC-Interview sagte er, er habe Druck auf Medikamentenhersteller im In- und Ausland gemacht, die Preise in den USA zu senken. Der Schweiz warf er vor, ein Vermögen mit Medikamenten zu machen. «Wir wollen, dass Arzneimittel in unserem Land hergestellt werden.» Der Plan: Erst soll es kleine Zölle auf Arzneimittel geben, in einem bis eineinhalb Jahren 150 Prozent, später 250 Prozent.
Bereits am 31. Juli erhielten Novartis und Roche einen Drohbrief, so wie 15 weitere globale Pharmakonzerne. Die Medikamente sollen in den USA zum niedrigsten internationalen Preis angeboten werden, forderte der US-Präsident. Sollten die Firmen dieser Forderung nicht innert 60 Tagen nachkommen, werde seine Regierung «alle Mittel in ihrem Arsenal» einsetzen, um die Bevölkerung von einer «missbräuchlichen Preispolitik» zu schützen.
So reagiert Roche
Auf Anfrage schreibt Roche: «Wir prüfen derzeit die jüngsten Zollankündigungen des US-Präsidenten.» Zudem verweist Roche auf die mehr als 25’000 Mitarbeitenden in den USA, die das Unternehmen bereits habe, und die kürzlich angekündigte Investition von 50 Milliarden US-Dollar in den USA. Trotzdem findet das Unternehmen: «Arzneimittel und Diagnostika sollten zum Schutz des Patientenzugangs, der Lieferketten und letztlich der zukünftigen Innovation von Zöllen ausgenommen werden.»

Roche sei jedoch auf mögliche Zölle vorbereitet und zuversichtlich, dass etwaige Auswirkungen bewältigt werden können. «Mit verstärkten Produktionskapazitäten in den USA und proaktiven Massnahmen wie Lagerbestandsanpassungen und Technologietransfers arbeiten wir daran, den ununterbrochenen Zugang zu unseren Produkten sicherzustellen.»
Eine Anfrage bei Novartis ist hängig.
Das sagen die Branchenverbände
Für den Branchenverband Interpharma habe sich die Ausgangslage mit der neuen Ankündigung nicht verändert, heisst es gegenüber 20 Minuten. Entscheidend sei nun, dass alle Branchen am gleichen Strang ziehen und die Regierung unterstützten, sodass eine gangbare Lösung im Zollkonflikt gefunden werden kann.
Zu Trumps Hoffnung, die Branche zum Umzug in die USA zu bewegen, meint der Verband: «Eine Verlagerung von Standorten und Arbeitsplätzen nähme Jahre in Anspruch. Wir nehmen dieses Szenario aber sehr ernst, im Übrigen gibt es ja bereits entsprechende Investitionsankündigungen für die USA.»
Ernst Niemack, Geschäftsführer der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz, warnt vor den möglichen Folgen durch derart hohe Zölle: «Wenn solch hohe Pharma Zölle kämen, wäre das verheerend, gerade auch für die Schweizer Wirtschaft. Denn die Schweizer Exportwirtschaft ist stark von der Pharmabranche abhängig. Das würde dem Wohlstand massiv und irreversibel schaden», sagt er. Ein Exportstopp als Gegenreaktion sei «in jedem Fall zu vermeiden, denn die Leidtragenden sind am Ende die Patienten.»
Eine komplette Produktionsverlagerung in die USA ist laut Niemack kaum realistisch: «Ein Herstellprozess ist in vielen Fällen sehr komplex und mehrschichtig. Mehrstufige Produktionsschritte sind oft global organisiert.»
Pharmaexperte: «Das ist eine Chance»
Nam Trung Nguyen ist Direktor im Bereich Pharma & Medtech bei der Münchner Unternehmensberatung Atreus. Er sagt: «Natürlich klingen 250 Prozent Zölle für Novartis und Roche, die 40 respektive 50 Prozent ihres Umsatzes in den USA machen, erst einmal brutal.» Sich auf einen Machtkampf einzulassen und etwa damit zu drohen, gewisse Arzneimittel nicht mehr zu liefern, hält Nguyen aber aus zwei Gründen für falsch: «Erstens ist es moralisch verwerflich, weil darunter die Menschen in den USA leiden würden, die auf die Arzneimittel angewiesen sind. Und zweitens schaden sich die Unternehmen selber, wenn sie ihren grössten Absatzmarkt boykottieren.»

Mittelfristig könnten die Schweizer Pharmaunternehmen die Zolldrohung aber durchaus als Chance sehen: «Trump will, dass in den USA produziert wird. Und die Pharmariesen sind angesichts der Abhängigkeit von China und geopolitischer Spannungen in Asien und Osteuropa gut beraten, ihre Produktion zu diversifizieren.»
«Roche hat bereits Investitionen von 50 bis 70 Milliarden Dollar in den USA angekündigt. Man kann von Trump halten, was man will, aber die USA sind ein wirtschaftsfreundlicher Markt, eine stabile Demokratie und sie bieten Zugang zu ausreichend qualifizierten Arbeitskräften», sagt Nguyen. «Dazu kommen deutlich günstigere Energiekosten als in Europa und die Tatsache, dass ein Medikament, das in den USA zugelassen ist, schnell auch im Rest der Welt zugelassen wird.» Alles in allem könne es sich für Novartis und Roche mittelfristig also durchaus lohnen, in Produktionsstandorte in den USA zu investieren. Jetzt gelte es, das Trump geschickt zu verkaufen.
Chefökonom: «Schweiz sollte klarmachen, dass wir nicht waffenlos sind»
Laut Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, ist Trumps Attacke auf die Pharmaindustrie ein Widerspruch: «Trump kämpft innenpolitisch für tiefere Medikamentenpreise, da passen hohe Zölle schlicht nicht dazu.» Der US-Präsident schade sich mit der aktuellen Strategie am Ende selbst, meint Junius. Dennoch sei die Ankündigung ein Signal: «Trump will weiterverhandeln. Machtspiele sind zwar keine guten Vorboten – aber besser als totale Funkstille.»

Die Schweiz habe bisher zu zahm auf Trumps Ankündigungen reagiert. «Ich habe den Eindruck, dass man in Bern auf den guten Willen Trumps gewartet hat. Doch international fährt man besser, wie es beispielsweise China gemacht hat: Wer nicht kooperiert, bekommt keine seltenen Erden.» Die Schweiz müsse nun deutlicher aufzeigen, wie abhängig die USA von Medikamenten aus Schweizer Produktion seien. Nicht mit «plumper Drohung», sondern strategisch geschickt. «Die Schweiz sollte klarmachen, dass wir nicht waffenlos sind», sagt Junius.
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