Vorwürfe gegen RammsteinAls Rocker wild, privat Naturfreund – die zwei Seiten von Till Lindemann
Mehrere Frauen erheben teils schwere Vorwürfe gegen Till Lindemann. Er bestreitet diese. Es ist bei weitem nicht der erste Skandal des Rammstein-Sängers, aber wohl der gewaltigste. Das ist über ihn bekannt.
Darum gehts
Till Lindemann, Frontmann der Band Rammstein, steht in der Kritik.
Mehrere Frauen haben Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Lindemann erhoben.
Er bestreitet diese.
Doch wer ist der Mann, der als Künstler polarisiert und nun im Zentrum eines Skandals steht?
Die Recherche zeigt: Er ist ein Mann mit vielen Facetten.
Wer ist Till Lindemann? Diese Frage dürften sich angesichts der Vorwürfe, die gegen ihn – und das Umfeld seiner Band Rammstein – aufgekommen sind, derzeit viele Menschen stellen. Die Antwort darauf fällt nicht leicht. Denn Lindemann, der bei Rammstein und dem Metal-Projekt Lindemann, auf der Bühne den Ton angibt, hält sich punkto Privatleben bedeckt.
Aufgewachsen in der DDR
Am 4. Januar 1963 in Leipzig geboren, wuchs Lindemann in Mecklenburg-Vorpommern in der DDR auf. Mit seiner jüngeren Schwester lebte er zunächst bei der Mutter, der Kulturjournalistin Gitta Lindemann. Im Alter von 19 Jahren zog er zum Vater, dem Kinderbuchautor Werner Lindemann, in die naturnahe Künstlerkolonie Drispeth. Er blieb nur neun Monate. Denn während sich sein Vater mit der DDR arrangiert hatte, lehnte der Sohn deren sozialistisches System ab. 1983 zog er in die Umgebung des Schweriner Sees, wo auch seine Mutter lebte. Heute ist er in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zu Hause.
Kreativ und naturverbunden
Ihr Sohn sei immer kreativ und künstlerisch aktiv gewesen, erzählt Lindemanns Mutter der «Ostsee Zeitung». Er habe gemalt, schon als Kind Gedichte und später Lieder geschrieben und sich an allen möglichen Instrumenten ausprobiert. Auch naturverbunden sei er immer gewesen. Und so ist es offenbar bis heute. Danach gefragt, in welchen Momenten er zu sich selbst finde, sagte er 2017 dem «Playboy»: «Wenn ich mir ein Weinchen aufmache, jage und angle. Ich glaube ganz fest daran, dass man sich selber therapieren kann. Mit urtümlichen, archaischen Mitteln. Ich gehe raus in die Natur, an den See und halte mit mir selber Zwiesprache.» Von Therapiesitzungen halte er dagegen nichts.
Verpasste Schwimmkarriere
Zunächst schlug Lindemann eine Karriere als Leistungsschwimmer ein. Er besuchte eine Kinder- und Jugendsportschule und startete für die DDR-Nationalmannschaft: Bei der Junioren EM 1978 wurde er Siebter über 1500 Meter. Sogar ein Start bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau lag drin. Doch dazu kam es nicht: Weil er sich von Kollegen aus der BRD «klassenfeindliche» Aufkleber besorgte, flog er aus dem Kader: Eine Verletzung beendete die Schwimmkarriere dann ganz.
Er sei danach «in ein richtiges Loch gefallen», erzählt Lindemann 2009 in einem Interview mit Welt.de. «Mein Zuhause war ab sofort nicht mehr die Sportschule, sondern ein Neubau in Rostock-Evershagen, ein Ghetto. Ich musste mich über Alkohol und Prügeleien profilieren.» Auch in Bezug auf Mädchen sei er «aus einem Glashaus gekommen.» Statt mit schwimmbegeisterten «feinen Damen» habe er es plötzlich mit «wilden Matronen» zu tun gehabt.
Erste Berufe und musikalische Schritte
Lindemann ist gelernter Bautischler, arbeitete aber auch als Korbmacher, Zimmerer und Techniker. Nach der Wende packte er als Arbeitsbeschaffungsmassnahme (ABM) beim Kulturverein Schloss Wiligrad mit an, wie die «Ostsee Zeitung» schreibt: In der Adventszeit auch mal als Weihnachtsmann verkleidet und Geschenke verteilend. Heute kommt Lindemann als Gast: «Der sitzt dann unauffällig im Garten, hat ’nen Turban oder ein Tuch auf dem Kopf, damit ihn keiner erkennt, und isst seinen Kuchen», so Café-Betreiber Günther Lenz.
In seiner Freizeit spielte Lindemann ab Mitte der 1980er-Jahre in der Punkband «First Arsch», kurz für «Erste Autonome Randalierer Schwerins». Dort sass er am Schlagzeug, sang mitunter, spielte gelegentlich Bass. 1994 formierte sich Rammstein. Seit 1996 ist Lindemann ausgebildeter Pyrotechniker – die Shows der Band hatten das notwendig gemacht.
Lindemanns Privatleben
Es heisst, der Sänger habe früh geheiratet und sei Vater dreier Kinder: Seine Tochter Nele kam 1985 zur Welt. Sie soll er sieben Jahre lang allein gross gezogen haben. «Am Abend dichtete er seine wüsten Verse über Ficken und schlaffes Fleisch, am Morgen sah man ihn das Kind auf dem Velo durch den Prenzlauer Berg in die Kita fahren», schreibt NZZ.ch über diese Zeit. Über die Mutter ist nichts öffentlich bekannt. 1993 soll er mit einer neuen Partnerin Tochter Marie-Louise bekommen haben. Im «Playboy»-Interview erwähnt Lindemann zudem einen Sohn. Laut Informationen von Bild.de ist er heute 30 Jahre alt. Seit 2008 ist Lindemann Opa. Weiter ist er der Patenonkel des ältesten Sohnes von Musiker Joey Kelly.
Die einzige Beziehung, die er öffentlich machte, ist die zu Sophia Thomalla. Mit ihr war er – mit Unterbrüchen – von 2011 bis 2015 zusammen. Sie trägt bis heute sein Gesicht als Tattoo auf ihrem Unterarm. Ihre Mutter, die Schauspielerin Simone Thomalla, erzählte in der NDR-Sendung «Inas Nacht», anfangs geschockt über die Beziehung gewesen zu sein: «Natürlich, wenn du den Menschen hinter dieser Kunstfigur nicht kennst, dann kriegst du schon mal ein bisschen Schnappatmung.» Heute seien Thomalla und Lindemann befreundet.
Lindemann und die Frauen
Er sei einst Mädchen gegenüber so schüchtern gewesen, dass andere ihn für schwul gehalten haben, so Lindemann in der «Welt». Die Schüchternheit scheint Lindemann mit den Jahren abgelegt zu haben: 1997 sagt er in einem «Viva»-Interview, dass «Frauen ja wollen, dass man ihnen nachsteigt.» Das sei das normale Balzverhalten (siehe Video). In seinen Liedern drehe es sich um «Liebe, in allen Varianten: in Perversion, in den schönen, aber auch in den Schattenseiten, die es da einfach nun mal gibt.»
Er selbst sei in Sachen Liebe ein Spätzünder gewesen, sagte Lindemann 2015 der «Süddeutschen Zeitung» (Bezahlartikel). Aus der Jugend nehme man die tiefsten Wunden mit. Das hinterlasse «Spuren auf der Seele». Dem «Playboy» wiederum erklärte er, keine Freundschaften zu Frauen zu pflegen. Das funktioniere nur, «wenn man sie vorher gepoppt hat, dann vielleicht schon.» Zwischen Männern und Frauen gebe es immer eine Spannung. «Die schläft latent und spätestens nach dem zehnten Gin Tonic passiert’s dann.» Gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» offenbarte Lindemann auch, dass seine Freude am Sex auch im Alter nicht nachlasse, was er als Glück empfinde. Er bedaure bloss, dass sich die sexuellen Wünsche irgendwann nicht mehr erfüllten und man als alternder Mann die Liebe zu einer viel jüngeren Frau nicht mehr ausleben könne. Und auf die steht er, wie er 2006 dem «Playboy» sagte: «Ich könnte mir nicht vorstellen, mit einer gleichaltrigen Frau zusammen zu sein.»
Die aktuellen Vorwürfe
Sex spielt eine grosse Rolle
Auch abseits der Bühne und seines Privatlebens ist Sex bei Rammstein und Lindemann ein grosses Thema: Die Band vertreibt Parfums namens «Pussy» oder «Sex», der Sänger hat einen Wodka namens «Doctor Dick» («Doktor Schwanz») auf den Markt gebracht. Auch seine Kunst ist sexuell konnotiert. «Hans im Glück» etwa ist eine Skulptur, die einen kleinen Jesus darstellt, der über einer Linie Koks schwebt und einen Penis im Arm hält (siehe Bildstrecke).
Nazi-Vergleiche, Porno-Videos und Gedichte
Umstritten oder gar heftig kritisiert war die Band schon immer: «Die teutonische Härte, die industriell-beklemmende Bildsprache, der militärische, marschierende Rhythmus, die mitnichten gewaltfreien Texte und nicht zuletzt das rollende ‹R› Lindemanns», wie Rollingstone.de schreibt, brachten ihr schon den Ruf ein, politisch rechts zu sein. Dem widersprachen die Mitglieder jedoch stets. 2001 etwa veröffentlichten sie den Song «Links 2 3 4», das als Reaktion auf die Vorwürfe gilt. Darin heisst es: «Sie woll’n mein Herz am rechten Fleck, doch/ Seh’ ich dann nach unten weg/ Da schlägt es links.» Noch deutlich äusserte sich Lindemann 2019 in einem Interview: «Wir hassen Nazis.»
Lindemann sorgte zudem mit den 2020 veröffentlichten Porno-Videos zu «Platz eins», das in der unzensierten Version «Till The End» heisst und nur auf einer Porno-Plattform abzurufen ist, für einen Skandal. Die NZZ nennt es «so gewalttätig wie abstossend». Auch seine Gedichtbände sorgten für Aufregung.
Dass ihm Kritik nahegeht, offenbarte er 2009 in der «Welt»: «Manche Leute suchen regelrecht nach irgendetwas, mit dem sie jemanden denunzieren können. Mit der Zeit bekommt man eine dicke Pelle. Aber trotzdem ist es ganz schlimm (...) Insbesondere dann, wenn zum Beispiel meine Kinder fragen: ‹Ist das wirklich so und so?›»
Lindemann und die Schlagersänger
Lindemann schreibt nicht nur für Rammstein und sein eigenes Projekt die Texte, sondern auch für andere Künstler. Etwa für den deutschen Schlagersänger Roland Kaiser («Ich weiss alles») oder für «Hänsel & Gretel» am Hamburger Thalia Theater. Auch mit Heino stand er schon auf der Bühne.
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