Boomende Online-KurseBüffeln statt Party – Corona ist ein Karriere-Booster
Berufstätige füllen ihre Freizeit in der Pandemie vermehrt mit Weiterbildungen. Damit wollen sie an ihrem Aufstieg feilen.
Darum gehts
Weiterbildungskurse stehen wegen den eingeschränkten Freizeitaktivitäten hoch im Kurs.
«20- bis 35-Jährige nutzen die Pandemie vermehrt als Karriere-Booster», sagt eine Karriereberaterin.
Ein Lebensberater betrachtet den Trend hingegen kritisch.
Spätestens nach Feierabend herrscht an Schweizer Online-Unis Hochbetrieb. «Die Nachfrage nach Weiterbildungskursen hat sich bei uns seit dem letzten März mehr als verdoppelt», sagt René Weber, Rektor der Kalaidos Fachhochschule Schweiz. Beliebt seien Kurse aus verschiedenen Bereichen. «Das geht von Digitalisierung über betriebswirtschaftliche Themen bis hin zu Themen aus dem HR-/Personalbereich und der Wirtschaftspsychologie.»
Ein ähnliches Bild zeigt sich in den virtuellen Weiterbildungsangeboten der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS): 2020 registrierte die FFHS fast 40 Prozent Studierende mehr als noch 2019. Auch die Kurse der HSB Akademie werden stark nachgefragt: «Wir verzeichnen bei unseren Kursen ein Buchungsplus von 50 Prozent», sagt Mediensprecher Dominik Brennsteiner. Gerne besucht würden vor allem Kurse für Marketing, Office Management und Sales Management.
«Optimaler Zeitpunkt für eine Weiterbildung»
Der Schweizerische Verbund für Weiterbildung (SVEB) (siehe Box) bestätigt, dass die Nachfrage in gut digital durchführbaren Bereichen wie zum Beispiel CAS-Lehrgängen steigt. Die HSO Wirtschafts- und Informatikschule stellt bei sämtlichen Lehrgängen eine erhöhte Nachfrage fest. Besonders positiv sei die Entwicklung in der höheren Fachschule, sagt Geschäftsführer Lukas Bosshart.
Für Bosshart steht fest: «Es ist der optimale Zeitpunkt für eine Weiterbildung, da viele andere Freizeitaktivitäten zurzeit nur eingeschränkt möglich sind.» So denkt auch Kundendienst-Angestellte Vanessa (23), die gerade eine Weiterbildung als Personalassistentin und Sachbearbeiterin Personalwesen absolviert. «Man kann momentan nicht viel machen und nichts ist offen. Deshalb habe ich viel mehr Zeit.»
Zertifikate in Leadership seien gefragt
Auch Karriereberaterin Renate Köster fällt auf, dass der berufliche Ehrgeiz in der Pandemie zugenommen hat. Party machen und viele Unterhaltungsangebote fielen weg, sagt sie. Zugleich sei mehr Erspartes da. «Anstatt zuhause rumzusitzen und Netflix zu schauen, nutzen 20- bis 35-Jährige die Pandemie deshalb vermehrt als Karriere-Booster.» Gefragt seien vor allem MAS- und CAS-Zertifikate in Leadership. «Sie wissen, dass sie mit diesen Zertifikaten schnell etwas in der Tasche haben, das ihnen beruflich viele Aufstiegsmöglichkeiten bietet.»
Anders verhielt es sich laut Köster letzten Frühling. «Da lag mein Geschäft brach, weil die Leute verunsichert waren und sich am Job festhalten wollten, den sie hatten.»
Furcht um persönliche Weiterbildung
Dass die Karriere in der Pandemie einen hohen Stellenwert hat, zeigt auch eine aktuelle Studie im Auftrag von Sharp Business Systems. Jeder zweite der 6000 befragten Büroangestellten aus KMUs in ganz Europa fürchtet um seine persönliche Weiterbildung und -entwicklung der eigenen Fähigkeiten sowie mangelnde Karrieremöglichkeiten.
Über 60 Prozent gaben zudem an, dass Möglichkeiten zur Weiterbildung und Schulung während des Lockdowns für sie wichtiger geworden seien.
Grosse Frustration drohe
Lebensberater Hugo Blessing hingegen betrachtet den Trend kritisch. Jeder habe jetzt das Gefühl, sich weiterbilden zu müssen, sagt er. «Schlussendlich gibt es aber mehr Weitergebildete als Jobs dafür. Damit droht eine grosse Frustration.» Es mache keinen Sinn, Weiterbildung an Weiterbildung zu reihen. «Die Gewinner davon sind vor allem die Kursanbieter.»
Laut Blessing sollten Berufstätige ihre Jobs gerade in der Pandemie mehr zu schätzen wissen und nicht immer nach Höherem streben. «Viele Menschen haben wegen Corona den Job verloren. Wer den Job noch hat, sollte froh darüber sein.»
Forderungen an den Bund
Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) und die Gewerkschaft Unia prognostizieren aufgrund der Corona-Krise einen steigenden Weiterbildungsbedarf. Sie erwarten daher vom Bund, dass er alles tue, um diesem Bedarf gerecht zu werden, schrieben der SVEB und die Unia am Montag in einer Medienmitteilung. Dies setze voraus, dass die Qualität sowohl der Angebote als auch der Arbeitsbedingungen gewährleistet werde. Der Verband und die Unia fordern etwa ein Verfahren, bei denen sich die Anbieter primär über die Qualität der Weiterbildung und nicht über den Preis profilieren. Auch verlangen sie Lohn- und Arbeitsbedingungen, die sich an vergleichbare Bereiche des öffentlichen Sektors anlehnen.
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