Attacke in ZürichDas Video des 15-jährigen Messerstechers lässt tief blicken
Vor seinem schweren Angriff auf einen Juden in Zürich nahm der 15-Jährige mutmassliche Täter ein Video auf. 20 Minuten hat es zwei Terrorexperten vorgelegt.
Darum gehts
Ein 15-Jähriger hat in Zürich auf einen Juden eingestochen.
Später kursierte ein Bekennervideo des Schweizers mit tunesischen Wurzeln.
Wir haben das Video Guido Steinberg und Pieter Van Ostaeyen vorgelegt.
Die zwei Terrorexperten kommen zum Schluss:
Der Mann war ein IS-Insider. Beide bezweifeln, dass der 15-Jährige die Tat allein plante.
Sie sehen die Tat im Zusammenhang mit einer neuen IS-Kampagne.
«Ich habe grosse Sorge wegen Copy-Cat-Terrorismus», sagt derweil Christina Schori Liang von Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik.
Der 15-Jährige, der in Zürich am Samstag einen jüdischen Mann niedergestochen hat, hat offenbar vor der Tat ein Video veröffentlicht, in dem er sich zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekennt. «Es ist ein sehr interessantes Video», sagt der belgische Terrorexperte Pieter Van Ostaeyen. 20 Minuten hat ihm und Terrorexperte Guido Steinberg die Aufnahme zu einer ersten Analyse vorgelegt.
Der 15-Jährige leiste zu Beginn der Aufnahme einen Gefolgschafts-Eid mit einem Wortlaut, den man eindeutig dem IS zuschreiben könne, sagen beide Experten.
«Er schwört dabei nicht auf den IS als Organisation», präzisiert Steinberg. «Er schwört Abu Hafs Al-Hashimi Al-Qurashi die Treue, dem mittlerweile fünften Kalifen des IS – und das in einem Wortlaut, den man klar dem IS zuschreiben kann.» Schon alleine dies zeige, dass man es hier mit einem IS-Insider zu tun habe.
Er wollte danach weiter töten
Auch der Rest des Videos entspricht laut den beiden Experten ganz dem IS-Ductus: «Er ruft dazu auf, überall Muslime, Juden und Christen zu töten – das steht ganz im Einklang mit der IS-Kampagne, die wir im Januar gesehen haben», sagt Van Ostaeyen.
Und Steinberg ergänzt: «Er sagt in dem Video, was er vorhat: Dass er in eine Synagoge gehen werde, um dort Juden zu töten. Danach kündigt er an, dass er im Anschluss weiter Jagd auf Ungläubige machen wolle.»
Handelte er alleine?
Das Video verrate, dass wohl der Krieg in Gaza den 15-Jährigen zu seiner Tat in Zürich motiviert hatte. «Er schliesst dann ganz ‹klassisch› mit der Benennung der Feinde des IS und dem Aufruf an alle Muslime, Juden und Ungläubige – darunter auch Schiiten – mit verschiedenen Waffen wie Messer, Fahrzeugen oder Molotowcocktails zu töten», so Steinberg.
Steinberg und sein Kollege fragen sich unabhängig voneinander, ob und inwieweit der 15-Jährige alleine handelte. «Mir würde es plausibel erscheinen, dass jemand dem Teenager mindestens den Eid zum Ablesen gab und er wahrscheinlich nicht alleine plante», so Steinberg. Auch Van Ostaeyen hat den Eindruck, als ob eine weitere Person beim Aufnehmen des Videos dabei gewesen sei.
Neue Generation von Jihadisten

Auf sie folgt eine neue Generation von Jihadisten: IS-Anhänger im Irak 2014.
AFPJugendliche würden in erster Linie online radikalisiert – wobei Van Ostaeyen zufolge eine neue Generation von Jihadisten am Start steht. «Sie folgen der alten Generation, haben manchmal sogar ein Vorbild in der eigenen Familie oder im Freundeskreis und sind von der Idee des IS genauso fasziniert wie die Generation vor ihr.»
Ganz grundsätzlich sei der IS weltweit am Erstarken, so Van Ostaeyen. «Wir können gut von einem Wiedererwachen sprechen.» Dabei sei «die alte Idee des Islamischen Staates, wie sie 2013 und 2014 gelebt wurde, immer noch in den Köpfen dieser jungen Leute verankert.»
Sorgen wegen Copy-Cat-Terror
Auf die Messerattacke und das vorhergehende Bekennervideo angesprochen, sagt Christina Schori Liang vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik: «Wenn es einen Anschlag wie den in Zürich gibt, verbreitet sich die Idee des Anschlags wie ein Virus. Andere werden dann durch den Angriff inspiriert und versuchen, ihn an anderer Stelle nachzuahmen.» Dies führe zu einer Kettenreaktion von Anschlägen in der ganzen Welt.
Um diese Bedrohungen zu erkennen und zu entschärfen, sei es wichtig, diese sehr spezifische Art von Gewalt zu verstehen. «Diese Gruppe von Einzelkämpfern sagt uns, wer sie sind, wen sie hassen und warum sie töten werden», so Schori Liang.
«Wir verfügen über die notwendigen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse und können innovative Programme modellieren, um die Algorithmen zu entwickeln, die diese Online-Signale inmitten des Cyberspace-Rauschens aufspüren, und die multidisziplinären Bedrohungsbewertungsteams, die dann vor Ort Untersuchungen durchführen, um solche Risiken zu mindern.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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