Unheilige AllianzDeshalb dürfen Verwahrte weiterhin unbegleitet auf Freigang
Letzte Woche wurde in Basel eine Frau mutmasslich von einem Mann ermordet, der sich auf unbegleitetem Hafturlaub befand. Jetzt zeigt sich: Ausgerechnet die SVP – zusammen mit SP und Grünen – verhinderte erst vor wenigen Monaten im Parlament Verbote von Freigängen für Verwahrte.
Darum gehts
Ein 32-Jähriger hat in Basel während eines unbegleiteten Hafturlaubs mutmasslich erneut eine Frau getötet, nachdem er bereits vor zehn Jahren zwei Frauen umgebracht hatte.
Die Politik wollte unbegleitete Hafturlaube für gefährliche Straftäter erst vor wenigen Monaten einschränken, doch eine Mehrheit im Nationalrat, bestehend aus SVP, SP und Grünen, lehnte die Verschärfung ab.
Der Täter war in einer psychiatrischen Massnahme, die von der geplanten Gesetzesänderung nicht betroffen war. Dennoch werden nun auch hier mögliche Verschärfungen geprüft.
Am Donnerstagnachmittag tötet R.M. (32) mutmasslich eine Rentnerin in Basel. Der Mann hat vor zehn Jahren in Basel schon zwei Frauen getötet. Schuldfähig ist er für die ersten Taten allerdings nicht – bei ihm wird eine Schizophrenie diagnostiziert. Er wird zu einer stationären Massnahme in der Psychiatrie verurteilt – diese ist auch als «kleine Verwahrung» bekannt. Die Tat von letzter Woche verübt er auf einem unbegleiteten Freigang.
Politik wollte Hafturlaub verschärfen – doch unheilige Allianz blockte ab
Hafturlaube sind gesetzlich vorgeschrieben – wenn sich ein Gefangener gut verhält und das Risiko für die Allgemeinheit von Fachleuten als vertretbar angesehen wird. Der Urlaub wird erst von Sicherheitspersonal begleitet. Verhält sich der Gefangene gut, sind auch unbegleitete Urlaube möglich.
Diese Verwahrungsformen gibt es
Diese zunehmenden Haft-Erleichterungen samt unbegleitetem Urlaub gelten sogar für ordentlich Verwahrte – bisher. Denn die Politik wollte das erst kürzlich ändern.
Über ein Jahr debattierten National- und Ständerat über diese Reform, doch im letztmöglichen Moment, nämlich bei der Schlussabstimmung am 14. Juni dieses Jahres, schickte der Nationalrat die Verschärfung bachab.
Die dafür notwendige Mehrheit brachte eine unheilige Allianz aus SVP, SP und Grünen, die allesamt den Nein-Knopf drückten. Für SP und Grüne ging die geplante Verschärfung zu weit.
Doch warum lehnt ausgerechnet die SVP den verschärften Hafturlaub ab? Dafür hilft ein Blick auf die ganze Vorlage. Denn die SVP forderte auch einen Automatismus zur Verwahrung. Konkret: Wer zweimal einen Mord, eine vorsätzliche Tötung oder eine Vergewaltigung begangen hat, soll automatisch verwahrt werden. Das bestätigt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi auf Anfrage von 20 Minuten.
Doch bei diesem Automatismus machte die Mehrheit des National- und Ständerates nicht mit. Er sei «nicht vereinbar» mit der europäischen Menschenrechtskonvention, so das Argument.
FDP macht SVP schwere Vorwürfe
«Im Juni hat ausgerechnet die SVP ein Gesetz versenkt, das Freigänge gefährlicher Täter eingeschränkt hätte», empört sich FDP-Ständerat Andrea Caroni gegenüber 20 Minuten. Er könne sich das nur mit einem aus dem Ruder gelaufenen politischen Spiel erklären, sagt er weiter. «Den Preis solcher Spiele zahlt die Bevölkerung mit ihrer Sicherheit», so der Appenzeller. «Ich erwarte mehr Verantwortungsgefühl.»
SVP: «FDP und Mitte betreiben Täterschutz»
Das sieht SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi anders. «Die Vorlage, wie sie in die Schlussabstimmung kam, war für die SVP klar zu wenig konsequent», sagt er. Natürlich unterstütze die Partei ein Freigang-Verbot für Verwahrte aller Art. «Es braucht aber eine systematische Verwahrung von Wiederholungstätern bei schweren Verbrechen wie Mord.»
Den Vorwurf, wegen dieser Haltung den sprichwörtlichen Spatzen in der Hand, also das Freigang-Verbot, verhindert zu haben, kontert er mit einem Gegenvorwurf an die anderen Parteien. «Sie sollten uns das nächste Mal beim Automatismus unterstützen – dann wird auch die SVP der Vorlage zustimmen. Stattdessen aber haben die Mitte und die FDP hier Täterschutz betrieben», so der SVP-Mann.
Sollten unbegleitete Freigänge für Verwahrte verboten werden?
Obwohl das Geschäft in der Schlussabstimmung abgelehnt wurde, arbeitet die Rechtskommission des Nationalrates dem Vernehmen nach bereits an einer Neuauflage – zumindest des unbestrittenen Teils des Gesetzes.
Im Fall von Basel aber hätte letztendlich auch dieses Verbot von unbegleiteten Hafturlauben keinen Unterschied gemacht. Denn der mutmassliche Täter war in einer psychiatrischen Massnahme – diese Form der Verwahrung war nicht Teil der Vorlage. Allerdings hat FDP-Ständerat Caroni am Dienstag gegenüber 20 Minuten angekündigt, auch hier Verschärfungen zu prüfen.
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